In den kommenden zwei Wochen findet erstmals seit 2011 wieder eine Alpin-WM ohne Marcel Hirscher statt. Fast ein Jahrzehnt lang lieferte der Salzburger dem Österreichischen Skiverband verlässlich zumindest eine Goldmedaille pro Event ab. In Cortina d'Ampezzo müssen dafür andere in die Bresche springen, wobei ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel ein gutes Gefühl hat. "Die Herren-Mannschaft ist recht stark", sagte der Tiroler. Sorgen bereiten dem 79-Jährigen die Damen.

Schladming 2013, Vail/Beaver Creek 2015, St. Moritz 2017 und Aare 2019 - stets war Hirscher zur Stelle. Vor zwei Jahren tilgte der Ausnahmekönner den Gold-Makel sogar fast nach Hollywood-Manier, gewann er doch am letzten Wettkampftag trotz Erkältung den Slalom. Es war die einzige österreichische Goldene in Schweden. Auf insgesamt sieben Gold- und vier Silbermedaillen brachte es der heute 31-Jährige bei seinen vier Teilnahmen, er ist damit der erfolgreichste Skifahrer in der WM-Geschichte.

Dieses Jahr müssen es aber andere richten - Schröcksnadel hält das für machbar. "Außer im Riesentorlauf, da haben wir Probleme, aber in allen anderen Disziplinen haben wir gute Chancen", stellte der Verbandschef vor Cortina 2021 fest. Sein Wunsch: "Sechs bis acht Medaillen."

Keine Zahl nennen wollte Andreas Puelacher. "Eine WM kann gut laufen, kann aber auch schlecht laufen. Aber wir sind in jeder Disziplin bis auf Riesentorlauf bei den Podestplätzen dabei", sagte der Herren-Rennsportleiter im APA-Gespräch. Und fügte hinzu: "Wir können Gold gewinnen. Wir haben die Siegläufer." Vincent Kriechmayr, Matthias Mayer, Manuel Feller und Marco Schwarz haben in diesem Weltcup-Winter bereits Rennen gewonnen. Für WM-Gold "muss aber alles passen. Wetter, Piste, und du brauchst ein bisschen Glück auch."

Letzter ÖSV-Weltmeister, der nicht Hirscher hieß, war 2015 Hannes Reichelt im Super-G. Der muss sein WM-Ticket in Garmisch-Partenkirchen mit einer Leistungsexplosion erst noch erkämpfen. Zuletzt in Aare gewann Österreich insgesamt acht Mal Edelmetall. Sieben Medaillen gingen auf das Konto von Puelachers Mannschaft, dazu kam Silber im Team-Bewerb. "Aare war eine der erfolgreichsten WMs für Herren jemals. Es stimmt schon, Marcel hat zwei Medaillen gemacht, aber die anderen fünf haben andere gemacht", verwies er auf eine schon seit Jahren funktionierende Mannschaft.

Bei den Damen haben es in der laufenden Saison bisher nur Katharina Liensberger und Tamara Tippler auf das Podest geschafft. Erst zum dritten Mal nach 1987 und 1989 reisen die Österreicherinnen ohne einen einzigen Weltcup-Sieg zu einer WM. "Bei den Damen ist die Goldene sehr schwierig, würde ich sagen", erklärte Schröcksnadel. "Die Damen sind auch wegen Corona und Verletzungen ein bisschen geschwächt."

Corona-geschwächt

Im Speed-Team hatten sich im Herbst mehrere Athletinnen bei einem Trainingskurs mit dem Covid-19-Erreger infiziert, Tippler erkrankte mit schweren Symptomen. Nicole Schmidhofer und Nina Ortlieb erlitten im weiteren Verlauf gravierende Knieverletzungen, Schröcksnadel vermutet einen Zusammenhang zwischen den Stürzen und Infektionen. Andere Leistungsträgerinnen wie Ramona Siebenhofer und Stephanie Venier sind nicht in Bestform, Cornelia Hütter arbeitet nach Kreuzbandrissen seit Längerem an ihrer Rückkehr. Zuletzt fiel Ricarda Haaser wegen eines Bandscheibenvorfalls aus.

All das macht es für Christian Mitter schwer, eine hohe Frauenquote im WM-Aufgebot für maximal 24 Sportler und Sportlerinnen zu verankern. Der Sportliche Leiter der ÖSV-Damen brütet derzeit über seinen Aufstellungen. "Natürlich gibt es die Fixstarter in jeder Disziplin bei den Damen und bei den Herren. Dann geht es eh meistens um den Platz 20 bis 24, wo man dann anschauen muss, wo ist für die Ski-Nation Österreich die größte Chance", sagte der Steirer. Fixiert wird der ÖSV-Kader nach dem Herren-Super-G am Samstag in Garmisch, dann muss dieser noch von den Landesverbandspräsidenten abgesegnet werden.

Dass überhaupt eine WM stattfinden kann, sei vor dem Hintergrund von Covid-19 mit all seinen Begleiterscheinungen sehr wichtig. "Wenn der Sport weiter im Zentrum ist für viele Menschen, dann ist es gut", konstatierte Schröcksnadel. "Man sieht auch, wir haben brutal hohe Einschaltquoten, im Sportbereich allgemein. Die Leute sind interessiert, sind natürlich auch viel mehr zu Hause", weiß Puelacher, dass seine Schützlinge heuer vielleicht noch mehr in der Auslage stehen.