So viele entspannte Gesichter hat man selten nach einem Trainingstag auf dem Kitzbüheler Hahnenkamm gesehen. Die berüchtigte Streif zeigte sich beim ersten Abtasten am Mittwoch von ihrer freundlichen Seite. "Selten, dass ich ins Ziel komme und sage, es war sehr angenehm da runter", teilte Vincent Kriechmayr mit. Das ist alles freilich nur eine Momentaufnahme, denn die Piste wird sich bis zur ersten von zwei Abfahrten der alpinen Ski-Herren am Freitag noch entwickeln.
Trainingsschnellster war Ryan Cochran-Siegle vor seinem US-Teamkollegen Travis Ganong (+0,35 Sek.) und ÖSV-Oldie Hannes Reichelt (+0,48). Zweitbester Österreicher war Christopher Neumayer (+0,80) als Zehnter, es folgten Daniel Danklmaier (15./+1,14), Vorjahressieger Matthias Mayer (25./+1,85), Max Franz (28./+1,89), Otmar Striedinger (29./+1,96) und Vincent Kriechmayr (32./+2,01). Wie üblich ließen viele Athleten beim ersten Trainingslauf Vorsicht walten bzw. legten Wert auf gewisse Passagen, weshalb Platzierungen und Rückstände zweitrangig waren.
Cochran-Siegle, in diesem Winter bereits Gewinner des Bormio-Super-G und Zweiter in der Gröden-Abfahrt, freute sich über die gute Präparierung der Streif. "Das erlaubt uns, dass wir uns runterpushen. Es ist so eine coole und einzigartige Strecke mit so vielen Herausforderungen", sagte der US-Amerikaner. Auch wenn es im Vergleich zum vergangenen Jahr anders sei, so sei es "doch immer noch Kitzbühel".
"Es ist kein Eis vorhanden, würde ich fast sagen", stellte Kriechmayr fest. "In den letzten Jahren war es immer pickelhart." Aber das könne sich alles noch entwickeln. "Pro Athlet, der da runterfährt, pro Rutschkommando wird die Piste sicher fordernder und das Tempo sehr viel höher. Im ersten Training ist keiner am Limit und das ist bei weitem noch nicht das Renntempo. Es wird wärmer, es wird noch schlagiger und unruhiger werden."
Nichtsdestotrotz habe er sich am Start überwinden müssen. "Die Mausefalle ist immer sehr furchteinflößend, aber das lässt man am Start. Man konzentriert sich nur darauf, dass man da runter Gas gibt, mit gescheiter Spannung und gescheiter Aggressivität." Im zweiten Training am Donnerstag (11.30 Uhr/live ORF 1) werde er sicher ein bisschen schärfer unterwegs sein. Er habe schon ein paarmal Trainingsbestzeit gehabt und es nie zeigen können. "Ich gehe das erste Training jetzt ein bisschen gemütlicher an und schaue, dass ich ein bisschen ein Feeling kriege."
Mayer fand schon Stellen, "die ein bisschen unruhiger sind als in den letzten Jahren", aber auch Passagen, die feiner zu fahren sind. "Ich habe schon einmal schlimmere erste Trainingsfahrten gehabt, sagen wir es mal so. Aber es ist nach wie vor die Streif." Ihm sei es vor allem darum gegangen, rauszufinden, welche Passagen man voll durchfahren und welche man von der Linie her runder fahren könne. Etwas Aussagekraft habe das erste Training freilich schon. "Cochran ist top in Form und hat sicherlich schon eine super Fahrt runtergelegt. Ich habe ein paar Tore ein bissl was probiert."
Schon bei der vorabendlichen Besprechung war den Österreichern mitgeteilt worden, dass es "sehr angenehm zu fahren" sei, wie Franz berichtete. "Es ist sehr angenehm, wenn es dir nicht schon beim ersten Training alles rausklopft. Die Sprünge passen auch so weit. Nur der Zielsprung hat ein bisserl eine Nase", sagte der Kärntner, den die Streif in der Vergangenheit ja schon heftig abgeworfen hatte.
Im Vergleich zu anderen Trainings sei es ein "saugeiles" gewesen. "Sie haben sehr gute Arbeit gemacht", lobte Franz die Pistenarbeiter, die erst am Montag einen halben Meter Neuschnee rauszuräumen hatten. Da die Piste nicht eisig sei, würden sicher noch Schläge rauskommen. "Es ist warm genug, dass sich die Piste noch interessant verändern kann. Da wird schon noch was auf uns zukommen. Und wenn die Sicht wieder schlechter ist, schaut die ganze Sache wieder anders aus."
Der 40-jährige Hannes Reichelt zeigte sich "froh über den Aufwärtstrend", er habe nach Bormio einiges umgestellt. "Ich habe gehofft, es trägt Früchte, es schaut im Moment so aus, aber es ist noch ein weiter Weg Richtung Rennen." Es sei schwierig gewesen, sich zu überwinden. "Der größte Teil ist im Kopf, ich habe aber auch ein paar technische Sachen verändert. Ein paar Mosaiksteine, die mir helfen, dass ich wieder sicherer auf den Ski stehe." Für das Selbstvertrauen sei es ein sehr gutes Training gewesen. "Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen."