Im Vorfeld wurde viel über die schwierige "Karl Schranz"-Abfahrtsstrecke in St. Anton geredet. Extreme Überwindung sei gefragt. Doch nach dem ersten Zeitlauf für die Damen-Abfahrt am Samstag, 9. Jänner, am Arlberg war das nur eine Randnotiz. "Vor acht Jahren habe ich mich nach dem Eisfall freiwillig hingelegt, weil ich mich so gefürchtet habe. Heute hat es richtig Spaß gemacht hier herunterzufahren. Weil das Wetter und die Pistenpräparierung so genial waren, kostete es mich keine Überwindung", erklärt die, gemeinsam mit Lara Gut-Behramin (SUI), Trainingsschnellste Tamara Tippler. Die Steirerin dachte im Ziel viel mehr über ihre verletzte Teamkollegin Nici Schmidhofer nach.
"Man leidet mit, man weint mit. Es ist einfach extrem bitter, wenn sich die Teamleaderin so schwer verletzt. Wir haben innerhalb der Mannschaft darüber gesprochen, vor einem Start darf das aber nicht im Kopf sein", stellt Tippler fest, "wir betreiben einen gefährlichen Sport, jede kennt das Risiko - aber am Ende zählen bei uns nur die Zeit und die Ergebnisse." Dem konnte Ramona Siebenhofer, die bei ihrem ersten Auftritt auf der Schranz-Piste 30. wurde, nur zustimmen: "Es ist hart für Nici und uns, aber das kann immer passieren. Wir leben mit dem Risiko und sind uns dessen bewusst. Wenn du aber mit über 100 km/h über die Strecke rast und dabei Freude empfindest, stellt sich die Riskio-Frage nicht."
Auch die Dritte des Zeitlaufs, Nina Ortlieb, und die Siebente, Mirjam Puchner, dachten an ihre "Chefin", die in Graz im Krankenhaus liegt. "Sie geht im Team extrem ab, weil sie ihre Erfahrung mit uns geteilt hat", sagt Ortlieb. Puchner ist "froh, den Sturz nicht gesehen und ihn bisher auch nicht angeschaut zu haben. Sie war klar die Leaderin und sehr präsent im Team." Den Sturz verarbeiteten die Läuferinnen auf unterschiedliche Weise. "Viele haben Mentaltrainer zu Hause mit denen sie reden oder besprechen es mit Vertrauten im Familien- und Freundeskreis", betont Puchner.
Die Tipps aus dem Krankenbett
Die meiste Kopfarbeit musste Stephanie Venier verrichten: "Die Nici geht mir sehr ab, weil sie auch meine Freundin ist. Auf vielen Abfahrten absolvierten wir die Besichtigung zusammen, machten einen gemeinsamen Plan. Für mich ist ihr Fehlen auch eine Lernphase, in der ich mich weiterentwickeln kann, weil sie als Ratgeberin ausfällt." Wie eng das Verhältnis der Steirerin und der Tirolerin ist, beschreibt Venier so: "Heute rief sie mich vor dem Training noch an und schickte mir danach eine Plan, was ich während der Fahrt machen soll - die Hände nach vorgeben, den Hintern nach unten drücken. Wir telefonieren und schreiben uns sehr oft. Um uns alle zu schützen, hat sie uns zu Beginn sogar verschwiegen, wie schwer ihre Verletzung ist."
Joschi Kopp