Vom Wind verblasen worden ist Teil eins des Jubiläums-Skiweltcups am Semmering. Der Riesentorlauf der Damen musste am Montag bei einer Halbzeitführung der Slowakin Petra Vlhova wegen heftiger Windböen kurz vor dem Start des zweiten Durchgangs aus Sicherheitsgründen abgebrochen werden. Der Sturm war so stark, dass im Zielraum selbst Holz- und Eisenteile durch die Luft flogen. Das Rennen kann am Semmering nicht mehr fortgesetzt oder nachgetragen werden.
25 Jahre Weltcup feiert der Semmering in diesem Jahr, allerdings muss wegen Corona die Veranstaltung ohne Publikum und Rahmenprogramm auskommen. Der Riesentorlauf begann am Montag bei leidlichen Wetterbedingungen, der erwartete Wind hielt sich zunächst sowohl im sehr flachen Startteil als auch im Zielraum in Grenzen. "Titelverteidigerin" Vlhova setzte sich mit einem Vorsprung von 0,22 Sekunden auf die Italienerin Marta Bassino an die Spitze. Dritte war die Schweizerin Michelle Gisin mit 0,35 Sekunden Rückstand auf Vlhova.
ÖSV-Läuferinnen weit abgeschlagen
Abgeschlagen waren hingegen die besten Österreicherinnen. Katharina Liensberger reihte sich als ÖSV-Beste mit 1,97 Sekunden Rückstand auf Platz 14 ein. Katharina Truppe (2,20), Stephanie Brunner (2,24) und Franziska Gritsch (2,29) lagen auf den Plätzen 17 bis 19, Ramona Siebenhofer (2,70) war 25. Diese fünf der insgesamt zehn ÖSV-Damen hätten auch an der Entscheidung teilgenommen und dort die Chance auf Verbesserung gehabt. Nach dem jüngsten Aufwärtstrend in Courchevel war Lauf eins auf der sensiblen Semmering-Piste eher ein empfindlicher Rückschlag gewesen.
Wann die Riesentorlauf-Damen die Chance auf ein Nachholen des Rennens bekommen, war vorerst unklar. Am Semmering ist weder eine Fortsetzung am Dienstagvormittag noch aus Logistik- und TV-Gründen eine Neuaustragung am Mittwoch möglich. Einerseits hielt der starke Wind am Montag bis in die Abendstunden an, zudem wurden 10 bis 15 Zentimeter Neuschnee erwartet. Das macht Pistenarbeiten in der Nacht unmöglich und damit auch die eventuelle Austragung des zweiten RTL-Durchganges am Dienstagvormittag vor dem Slalom.
"Werden ganzen Vormittag brauchen, um Zielraum wieder aufzubauen"
Am Semmering konzentrierte man sich deshalb ganz auf die Aufräumarbeiten, um den Nachtslalom am Dienstag zu sichern. Der erste Durchgang beginnt um 15.15 Uhr. "Der Wind war heute über 100 km/h stark, wird aber in der Nacht schwächer", sagte FIS-Renndirektor Peter Gerdol. "Wir werden morgen den ganzen Vormittag brauchen, um den Zielraum wieder aufzubauen." Der Riesentorlauf werde später in der Saison nachgeholt werden.
Der Wind hatte am Montag nach dem ersten Durchgang immer mehr zugenommen, weshalb sich die Organisatoren zunächst entschlossen, den Start hinunter zu verlegen und damit Lauf zwei deutlich zu verkürzen. Letztlich war auch das vergebliche Liebesmüh, denn der Sturm wurde immer heftiger und böiger, weshalb auch die Gondelbahn immer wieder gestoppt werden musste.
Erinnerungen an Bad Kleinkirchheim
Auf der Piste bogen sturmartige Böen nicht nur die Tore bis zum Boden, sie rissen bald im Zielraum Werbemittel und das Zielbanner nieder, sogar Eisenkonstruktionen fielen um und wurden kaputt. Von einem benachbarten Haus wurden Holzeiteile abgerissen und durch die Luft gewirbelt. Man fühlte sich an chaotische Szenen erinnert, wie sie 2012 und 2015 auch bei den Rennen in Bad Kleinkirchheim zu erleben gewesen waren.
Auch diesmal findet zwar gerade ein Wintereinbruch im Süden Österreichs satt. Am Semmering vor den Toren Wiens hatte man aber gehofft, davon verschont zu bleiben.
So wurde aber der Semmeringer Zielraum in kürzester Zeit vom Sturm verwüstet und deshalb vom zahlreichen Sicherheitspersonal rasch evakuiert. "Es ist mehr als verständlich, dass abgesagt wurde", sagte Gritsch, nachdem sie heil entkommen war. "Ich wäre heiß auf einen zweiten Durchgang gewesen. Aber wenn die Tore nicht mehr gerade stehen, ist kein faires Rennen möglich", meinte die Tirolerin. "Aber heute geht sowieso die Sicherheit für alle vor, sowas gehört zum Business."
Meissnitzer: "So etwas habe ich noch nie erlebt"
Ex-Rennläuferin Alexandra Meissnitzer gestand: "So etwas habe ich noch nie erlebt." Die ORF-Expertin war die Strecke kurz vor dem Abbruch noch mit der Kamera abgefahren. "Die Piste war super. Aber dann hat es in kürzester Zeit den kompletten Zielbereich abgebaut. Es wäre viel zu gefährlich gewesen", fühlte sich auch die Salzburgerin an Bad Kleinkirchheim erinnert.
Auch für Atomic-Rennchef Christian Höflehner gab es keine Option. "Es gab heute gar keine andere Möglichkeit mehr. Es sind Teile unkontrolliert herumgeflogen. Da reden wir gar nicht mehr von einem fairen Rennen."
Vermutlich war es letztlich sogar ein Riesenglück, dass diesmal wegen Corona keine Zuschauer am Semmering sind. Einen mit 10.000 Zuschauern gefüllten Zielraum zu räumen wäre wohl ungleich schwieriger, vor allem deutlich langwieriger gewesen.