Während des Berichts, den der ärztliche Leiter des UKH Graz, Michael Plecko, und der behandelnde Arzt Jürgen Mandl über den Grad der Verletzung von Nicole Schmidhofer und die komplexe Vorgangsweise der Behandlung geben, kommt einem die Gänsehaut. Denn die Vorstellung, dass ein Knie durch den Aufprall nach hinten durchgedrückt wurde und dabei der Oberschenkelknochen in den Unterschenkel gedrückt wurde und alle Bänder gerissen sind – und so muss man sich den Sachverhalt wohl vorstellen – ist alles andere als angenehm.
Pause. Dann geht die Videokonferenz weiter, Nicole Schmidhofer kommt ins Bild – und ist bestens gelaunt. „Mir geht es sehr gut“, sagt sie und scherzt über ihr Stirnband, „und mir ist es hier auch nicht zu kalt, ich habe nur kein Kapperl dabei, deshalb das warme Stirnband.“ Gut gehe es ihr jetzt, weil „ich einen Plan habe. Ich weiß, was passiert, ich weiß, wie wir tun.“ Und das ist mehr, als sie direkt nach dem schweren Sturz in Val d’Isère hatte.
Da, als sie kopfüber im Netz hing. Oder besser: zwischen den beiden Netzen. Nicht mehr zu sehen für die Zuschauer vor den TV-Geräten. „Da, im ersten Moment, als ich so mit dem Kopf nach unten da hing, kam mir schon der Gedanke: Warum tust du dir das mit 31 noch an?“, erzählt sie. Doch hat sie diesen Gedanken schon längst wieder aus dem Kopf verbannt. Schmidhofer schaut nach vor, ganz so, wie es ihre Art ist.
„Ich bin auch das letzte Mal von einer Verletzung zurückgekommen (Nach einem Kreuzbandriss 2016 wurde sie 2017 Super-G-Weltmeisterin, Anm.). Und es ist auch diesmal machbar. Es wird mit Sicherheit langwieriger, aber es ist schaffbar. Und andere vor mir haben es auch schon geschafft“, sagt sie mit fester Stimme.
Bis es so weit ist, wird es noch zumindest zwei komplizierte Operationen geben müssen – denn derzeit wird das Knie nur durch einen „Fixateur extern“ zusammengehalten, ist nur außen verschraubt, bis das Gewebe den nächsten Eingriff erlaubt.
Schmidhofer erzählt vom Sturz, davon, „dass auf einmal das Netz da war“. Davon, dass sie sich alles im Video angeschaut hat, „und es ein bisschen wie David Copperfield war – da fahrt die Nici, dann kommt der Schnitt und die Nici ist weg“. Schmidhofer erzählt davon, wie sie kommunizieren wollte, dass es ihr „so weit“ gut gehe, damit sich die Familie daheim nicht Sorgen müsse. Sie berichtet aber auch von den Schmerzen, die nach dem Transport ins Ziel unermesslich wurden. „Zum Glück haben mir die Serviceleute den Schuh im Ziel runtergeschraubt, weil ausziehen wäre nicht gegangen. Aber es hat gedauert, bis der Arzt mir Schmerzmittel gegeben hat. Bis dahin war es im Krankenwagen so schlimm – der ganze Körper hat einfach nur so weh getan, da war der Kreuzbandriss gar nichts dagegen“, sagt sie.
Und doch, sagt sie, hätte sie Glück gehabt. „Das alles hätte viel schlimmer ausgehen können. Mein Nacken und meine Wirbelsäule sind gesund!“
Was die viermalige Siegerin bei Weltcuprennen besonders traf: „Dass ich die WM in Cortina verpasse. Das hat mir schiach getan.“ Der zweite Gedanke? „Nach dem Kreuzbandriss 2016 wurde ich 2017 Weltmeisterin. Und 2022 wartet Olympia.“