Mikaela Shiffrin gibt sich vor ihrer Rückkehr in den Ski-Weltcup zurückhaltend. Sie erwarte nicht, dass sie in dieser Saison um den Gesamtweltcup mitfahren wird, sagte die US-Amerikanerin vor den beiden Riesentorläufen in Courchevel am Samstag und Sonntag. "Es gibt mehrere Athletinnen, die extrem stark sein werden. Derzeit zähle ich mich nicht zu diesem Kreis", meinte die 25-Jährige und nannte Petra Vlhova, Federica Brignone und Michelle Gisin in einem Atemzug.
"Ich versuche, keine Ziele oder Erwartungen zu definieren, die nicht wenigstens ein bisschen realistisch sind. Nicht nur zum Selbstschutz, sondern auch aus Respekt vor den anderen Athletinnen", betonte Shiffrin, die dreimal die große Kristallkugel gewann, zuletzt jene für die Saison 2018/19. Wegen einer suboptimalen Vorbereitung in den USA, wo sie aufgrund von Reisebeschränkungen länger als geplant bleiben musste, fehle ihr einiges, um es mit der Slowakin Vlhova, der italienischen Titelverteidigerin Brignone, der Schweizerin Gisin oder anderen aufnehmen zu können.
Training in der Heimat
In den USA, wo Shiffrin unter anderem in Copper Mountain oder in Oregon trainierte, gestaltete sich vor allem die Beziehung zu ihrem österreichischen Ausrüster Atomic schwierig. "Ich hatte dort nur fünf Paar Riesentorlauf-Ski und fünf Slalom-Ski. Normal sagen die Leute dann, das sind ganz schön viele Ski, aber normalerweise probiere ich in der Vorbereitung 20 Paar durch", berichtete sie. Ihr Servicemann konnte wegen der coronabedingten Beschränkungen nicht in die USA reisen. Das Testen von neuem Material wollte sie erst im Herbst in Europa mit Vollgas angehen, handelte sich dann aber vor dem Saisonstart in Sölden im Oktober eine Rückenverletzung ein.
Hinzu kommt eine gewisse Unsicherheit wegen dem Tod ihres Vaters im Februar. "Es ist fast wie Wiedergeborenwerden. Was wir heuer auch tun, es ist das erste Mal, dass wir es ohne meinen Vater als Sicherheitsnetz tun", erklärte Shiffrin bei einem Online-Medientermin. Jeff Shiffrin, der im Februar völlig unerwartet in der Heimat der Familie in Colorado verstarb, war zwar nicht bei jedem Rennen dabei wie ihre Mutter Eileen, wohl aber eine wichtige Anlaufstelle in allen sportlichen Fragen und emotionale Stütze.
Tod des Vaters als große Belastung
"Immer wenn es mir gut ergangen ist, werde ich denken, wie gerne würde ich jetzt Dad anrufen", sagte die noch immer mit dem Verlust ringende Shiffrin. "Bei allem, was ich tue, fühle ich eine gewisse Grundtraurigkeit, Bedauern und auch Ärger. Das hilft nicht wirklich bei der Motivation", sinnierte die Siegerin von 66 Weltcup-Rennen. Wie das in Zukunft sein werde, "ob ich dadurch besser oder schlechter fahre", könne sie nicht sagen. "Wahrscheinlich kann man nicht wirklich weitermachen, bis man realisiert hat, dass man nicht zurückgehen kann. Und ich bin wohl noch nicht an diesem Punkt angelangt."
Motivationsprobleme seien für sie nichts Ungewöhnliches. "Es gibt Momente, wo ich denke, ich möchte heute mein Work-out nicht machen. Oder ich möchte heute nicht Ski fahren bei diesem kalten, nassen Schneeregen, weil ich nachher nur wie ein nasser Hund stinken werde." Es komme dann auf entscheidende Schwellenmomente an, in denen man den inneren Schweinehund überwinden müsse. Sind diese Hürden genommen, komme der Hunger nach Erfolg wie von alleine zurück. "Aber ja, es kommt sicher oft vor, dass ich in der Früh ohne irgendeinen Hunger aufwache, außer nach Bacon and Eggs."