Es war zu erwarten, dass das „eigentliche Rennen“, das mittlerweile aufgrund des Wetters abgesagt werden musste, der Auftakt in den schnellen Disziplinen, zur Nebensache würde, nachdem in den Tagen vor St. Moritz bekannt wurde, dass bereits vier österreichische Abfahrerinnen vom Coronavirus erwischt wurden. Bis auf eine sind auch alle wieder fit, nur Tamara Tippler fehlt.

Es war auch klar, dass auf die Cheftrainer der Teams in dieser Saison neben der sportlichen Verantwortung mehr zukommt; die „Coronalogistik“. „Das ist Teil des Geschäfts. Covid hat eine neue Dimension aufgerissen, die ich managen muss“, sagte ÖSV-Damen-Chef Christian Mitter dazu. Und: „Ich habe noch nie erlebt, dass eine ganze Mannschaft in Bestbesetzung bei einem Rennen antreten konnte.“ Diesmal sei eben Corona ein Faktor, dafür habe man erfreulicherweise weniger Verletzte, auch wenn Nina Ortlieb nach einem Trainingssturz im Engadin fehlt. Der Rest? Managen der Situation – und Akzeptanz, dass das Virus auch durch die strikten Vorschriften und engmaschigen Kontrollen im ÖSV schlüpfen kann.

Christian Mitter ist auch „Corona-Manager“
Christian Mitter ist auch „Corona-Manager“ © APA/EXPA/JOHANN GRODER

„Wir sind auch keine Götter in der Plastikblase. Und wenn wir das Contact Tracing hinbekommen würden, dann hätte uns wohl auch der Bundeskanzler gefragt, wie man das richtig macht. Aber nicht vergessen: Wir reden von 120.000 erwiesenermaßen Infizierten in Österreich – jeder von uns kennt mit Sicherheit schon einen positiven Fall. Dem kann man sich nicht entziehen“, fügt der Steirer seufzend an und merkt an, „doch bitte lieber über das Sportliche“ sprechen zu wollen.

Das ist schwierig – denn alles, was man hat, ist die eigene Einschätzung. Denn Vergleiche gab es im Sommertraining nicht. „Wir haben viel RTL trainiert, es schaut gut aus, der Bewegungsapparat ist angepasst. Aber es stimmt, dass alles schwer einzuschätzen ist. Was man weiß: Lara Gut, Federica Brignone – die sind schon in Form“, sagt Mitter.

„Der Überraschungseffekt im Ziel ist definitiv größer als normal“, sagt auch Ramona Siebenhofer, „das Kribbeln ist also tatsächlich ein wenig anders, wenn man gar nicht weiß, wo man steht.“ Das Einzige, was bleibt, sind die eigenen Vermutungen. So wie die von Stephanie Venier, die nach überstandener Infektion meint: „Ich bin mit Sicherheit auf dem gleichen Level wie in der vorigen Saison.“ Für Mirjam Puchner wäre das zu wenig – allerdings verknüpft sie mit St. Moritz negative Erinnerungen. Hier brach sie sich bei der WM Schien- und Wadenbein, die Nachwirkungen spürte sie bis vergangene Saison, wurde erst dann noch einmal operiert, weil der Knochen nicht zusammenwuchs. Das soll jetzt besser werden – und damit auch die Leistung.