Vor der Saison hatte man einige auf der Rechnung, die die Nachfolge von Marcel Hirscher als Sieger im Gesamtweltcup hätten antreten sollen. Ihn, den tatsächlichen Nachfolger, hatten die wenigsten darauf: Aleksander Aamodt Kilde war durchaus eine Überraschung, profitierte bei seinem ersten Sieg im Gesamtweltcup von seiner Konstanz auf hohem Niveau und den Fehlern der Konkurrenz. Und er profitierte wohl auch vom plötzlichen Ende der Saison nach den Rennen in Kvitfjell, bei denen er sich die Führung im Gesamtweltcup geholt hatte – trotz allen Ärgers darüber, dass die Abfahrt abgesagt werden musste.
Und: Kilde reichte ein Saisonsieg zum ganz großen Wurf, der gelang in Saalbach-Hinterglemm. Alexis Pinturault hingegen musste trotz sechs voller Erfolge mit Platz zwei vorliebnehmen. „Ja“, sagte Kilde auch, „ich habe nach der Saison schon mitunter gehört, dass es ein glücklicher Sieg war. Und ja, das hätte alles auch anders ausgehen können. Alexis und Henrik (Kristoffersen, Anm.) sind wirklich gute Skifahrer, aber sie haben Fehler gemacht. Deshalb ist das alles eine Art ,Was wäre, wenn ...?‘. Ich bin glücklich mit dem, was ich erreicht habe. Und ich habe mich ziemlich gut damit gefühlt“, sagte er und lächelt breit.
2020/2021 haben Techniker einen Vorteil
Ein Geheimnis des Erfolges waren die guten Ergebnisse im Riesentorlauf, in dessen Endwertung der Norweger auf Rang sieben aufscheint – Platz vier im Abfahrts- und Rang drei im Super-G-Weltcup reichten für den Gesamtsieg; der 28-Jährige ist eben seit der Rückkehr auf seine „alte“ Skimarke Atomic ein echter Allrounder. Das soll sich nicht ändern. Und darf es auch nicht, denn der „Corona-Kalender“ weist ein eklatantes Technikrennen-Übergewicht auf. Darüber will sich Kilde aber den Kopf nicht zerbrechen. „Ich will dafür nicht zu viel Energie verschwenden. Wichtig ist, dass es Rennen gibt, dass gefahren wird. Und noch wichtiger wird es sein, gesund zu bleiben, sicher zu bleiben. Aber im Normalfall wird ein Techniker vorne sein.“
Auf die andere Komponente, die der Gesundheit, legen die Norweger besonders viel Wert. „Wir handhaben alles sehr streng. Wir Läufer dürfen abseits des Trainings nicht einmal unsere Appartements verlassen, nicht einkaufen – und haben nur zu den Teamkollegen im Appartement Kontakt. Es fühlt sich fast ein wenig an wie eingesperrt sein. Wir haben auch einen eigenen Koch dabei. Sagen wir so: Es wird eine Saison, wo wir uns innerhalb des Appartements alle sehr, sehr gut kennenlernen werden.“ Das liegt auch daran, dass die Norweger praktisch nicht zurück nach Hause können. Denn dort wartet eine lange Quarantäne. „Wir sind schon Ende August nach Mitteleuropa gekommen, der Plan ist, nach Sölden heimzufahren und die Quarantäne in Kauf zu nehmen. Denn im Idealfall dürften wir trotzdem trainieren – aber die Planung, wie wir diese Saison meistern, das wird eine der schwierigsten Dinge des ganzen Winters“, sagt er mit einem Seufzer.
An die Maske als dauernden Begleiter hat sich Kilde schon gewöhnt, auf eine „personalisierte“ hat er verzichtet – noch. „Aber an sich ist es eine gute Idee, vielleicht lasse ich mir eine Maske mit der Weltcupkugel machen!“ Wichtiger ist ihm aber anderes: „Ich will auch diese Saison konstant sein. Und, hoffentlich, öfter gewinnen! Das wär ein Anliegen.“
Auch bei den Damen hätten vor Saisonbeginn wohl nur wenige auf Federica Brignone gesetzt; und lange sah es auch nach dem nächsten Rekordlauf von Mikaela Shiffrin aus, bis diese nach dem Tod ihres Vaters den Weltcup unterbrach. Die Italienerin nützte die Chance, zog an der US-Amerikanerin vorbei, feierte fünf Saisonsiege. Und sagt vor der Titelverteidigung: „Auch im Vorjahr hat niemand gedacht, dass es geht. Und es ist trotzdem passiert.“