Nach Formel 1 und MotoGP in Spielberg sowie unmittelbar nach der Mountainbike-WM in Saalfelden geht mit dem Weltcup-Auftakt der Alpinskifahrer dieses Wochenende in Sölden eine weitere internationale Sport-Großveranstaltung in Österreich unter Corona-Bedingungen in Szene. Der Druck ist groß, denn die ganze Wintersportwelt blickt gespannt ins Tiroler Ötztal und hofft auf gutes Gelingen. Die 55. Weltcup-Saison wird jedenfalls eine ganz Besondere.
Denn nach dem vorzeitigen Ende der vergangenen Saison wird die Wiederaufnahme der Rennserie wegen der nach dem Sommer wieder aufgeflammten Epidemie zu einer Nagelprobe. Nicht nur sportlich, sondern wegen ständig steigender Infektionszahlen und Veranstaltungsverboten in Österreich, wo zudem gerade das heikle Thema Ischgl aufgearbeitet wird, auch touristisch. FIS-Renndirektor Markus Waldner hat die erfolgreiche Durchführung des Weltcups 2020/21, in dem Geschlechter- und Disziplinen-Trennung für zusätzliche Sicherheit sorgen soll, schon vor dem Saisonstart zur "Überlebensfrage" erklärt.
Und wie in der Formel 1 hängt wohl viel davon ab, ob vor allem der Auftakt gelingt. In der Motorsport-Königsklasse klappte es im Sommer hervorragend. Mittlerweile verkraftet man dort auch positive Corona-Fälle sogar in Pilotenkreisen.
Auch der Skisport darf sich glücklich schätzen, in Österreich loslegen zu können. Zwar hat der ÖSV im Vergleich zu Formel 1 oder Fußball nur ganz wenige fixe Sportstätten wie Bergisel oder Hochfilzen. Aber Sölden war bereit, praktisch alle Veranstaltungen im Ort selbst abzusagen und bietet mit dem spektakulären Rennhang am abgelegenen und drei Tage lang abgeschotteten Rettenbachgletscher nahezu ideale Voraussetzungen. Zudem ist der Weltcup-Auftakt eine Angelegenheit nationaler Wichtigkeit, was behördliche Erleichterungen bringen kann. Vor allem aber hat der ÖSV ein umfangreiches Covid-19-Präventionskonzept erstellen lassen, das man gemeinsam mit der FIS und dem Weltcup-Ort Sölden umsetzt.
Die Eckpfeiler dieses Konzeptes, das von einer Task Force koordiniert wird, kennt man schon. Alle Beteiligten müssen negative PCR-Tests mitbringen, die nicht älter als 72 Stunden sind. Renntross, Medien, Mitarbeiter und Gäste werden in vier "Blasen" aufgeteilt, die sich möglichst wenig berühren sollen. Gewohnt wird in vorgegebenen Hotels. Sicherheitsabstände, Maskenpflicht und alle sonstige Hygienemaßnahmen gelten natürlich. Appelliert wird aber vor allem an die Eigenverantwortung. Rund 1.500 involvierte Personen sollen so sicher und gesund durch das Wochenende kommen.
Zuschauer sind beim Gletscher-Auftakt freilich nicht zugelassen. Elementar wichtig für das wirtschaftliche Weiterbestehen des Sports ist vor allem die Live-Übertragung der Rennen im TV, kommen von dort doch die meisten Gelder. Hinsichtlich Fans finden am Berg also "Geisterrennen" statt.
Aber auch die Söldener Gastronomie zeigt in der Weltcupwoche Eigenverantwortung. Denn allen ist klar: Fehlverhalten könnte die gesamte Wintersaison gefährden. Sölden stand bekanntlich im Frühjahr wie Ischgl und andere Orte wochenlang - und länger als die übrigen Gemeinden in Tirol - unter Vollquarantäne. Im September infizierten sich einige Aktive der deutschen Box-Olympiamannschaft bei einem Trainingslager im Ötztal.
Erstellt wurde das Konzept vom Sicherheitsunternehmen Wagner, das u.a schon Erfahrung von der nordischen WM in Seelfeld, Biathlon in Hochfilzen, dem Nova Rock oder dem Donauinselfest hat. Für den ÖSV ist Rupert Steger mit seinem Eventmarketing-Team zuständig, für Sölden koordiniert Rennleiter Isidor Grüner die Covid-19-Maßnahmen.
Steger macht seit 24 Jahren Veranstaltungen für den ÖSV und arbeitet seit Juli am Projekt Sölden. Auch der erfahrene Manager sah sich wegen Corona mit einer neuen Situation konfrontiert. "Die größte Herausforderung war und bleibt die Planungs-Unsicherheit", so Steger zur APA. "Was gestern ausgemacht war, kann übermorgen nicht mehr funktionieren. Vieles war schon geplant und niedergeschrieben und wurde wieder über den Haufen geschmissen. Das macht mürbe." Auch die Administration sei gigantisch. "Alleine die vielen Unbekannten haben den Aufwand gegenüber anderen Veranstaltungen praktisch verdoppelt."
Steger ist überzeugt, alles Menschenmögliche getan zu haben. "Uns ist trotzdem bewusst, dass man nichts zu hundert Prozent verhindern kann." Alle Beteiligten würden laufend daran erinnert werden, dass es sich beim Weltcup um deren Berufsbasis handle. Diese könne wegfallen, sollte es Ansteckungen geben.
Der ÖSV veranstaltet mit Lech/Zürs Mitte November auch den zweiten Weltcup-Event dieser nach dem Wegfall der Nordamerika-Rennen zum "Europacup" gestutzten Saison und will das Söldener Präventivkonzept dort - angepasst - erneut anwenden. Auch das abgelegene Levi im finnischen Lappland bietet danach günstige Voraussetzungen. Spätestens im Dezember, wenn es für Damen und Herren in St. Moritz, Courchevel bzw. Val d'Isere inmitten des normalerweise dann einsetzenden Winter-Tourismus voll los geht, braucht der Weltcup aber wohl einen neuen Plan.