An sich ist die Schweiz nicht dafür bekannt, dass hier die Uhren anders gehen, denn normal gehen sie richtig. Ausnahmen bestätigten die Regel – und Crans Montana lieferte im Vorjahr beim Weltcup der Damen eine, sagen wir, eindrucksvolle Ausnahme: Denn just bei vier Schweizerinnen streikte die Zeitnehmung. Offiziell, weil durch die warmen Temperaturen die Schneedecke nach unten und damit Lichtschranken nach oben gerutscht waren. So gab es viel Verwirrung, viele Proteste und vor allem kein gültiges Ergebnis. Leidtragende: Nicole Schmidhofer. Dritte war sie zuerst, dann doch Vierte, hieß es. Und letztlich, nachdem alle den Schweizer Skiort schon verlassen hatten, war die Steirerin dann doch Zweite.
„Ich hab’ fast ein Magengeschwür bekommen. Und wenn ich ehrlich bin: Ich will gar nicht mehr drüber reden“, meinte die 30-Jährige auf der Anreise in die Westschweiz. So richtig verliebt hat sie sich noch nicht in den Ort, der mit Saalbach-Hinterglemm (und Garmisch) um die Ski-WM 2025 rittert. Warum? „Viel zu teuer. Ich habe im Vorjahr für eine Pizza, einen Salat und ein Getränk 70 Franken bezahlt. Ein Wahnsinn“, schimpft sie. Und doch: Irgendwie freut sich die Lachtalerin, dass sie hierher zurückkommt. Vielleicht gelingt es ja, die zwischenzeitlich verlorene Form dieser Saison endgültig wiederzufinden.
Was schiefgelaufen war? „Ich war krank, ganz einfach“, sagt sie, „wie das gesamte Team. Ramona (Siebenhofer, Anm.) hat es ja sogar zweimal erwischt.“ Die Folge? „Ich war körperlich nicht auf der Höhe, dann kannst du auch keinen Druck auf den Ski bringen. Und dann verlierst du Selbstvertrauen, kommst ins Zögern – und verlierst auch noch das Gefühl.“ Ergebnistechnisch ist bekannt, was das hieß: Auf der eisigen Zickzackabfahrt in Bansko, in Sotschi und auch auf dem Eis in Garmisch gab es teils herbe Niederlagen für die Österreicherinnen. „Dabei versteht keiner, warum es in Bansko nicht geklappt hat. Denn Skifahren können wir alle. Obwohl: Ich war mit meinem 13. Platz zufrieden – für meine körperliche Befindlichkeit war das sogar sensationell!“
Schmidhofer ortet die Delle nach unten in der Vorstellung der ÖSV-Damen im Untergrund: „Es geht schnell: Du hast drei Wochen in Serie Rennen, aber nie Training. Und den ganzen Herbst versuchst du, die Geschwindigkeit zu halten, den Druck gleichmäßig aufzubauen. Dann auf einmal hast du Eis, wo du fast in die Kurve springen musst, nur mit Kraft. Deshalb waren Technikerinnen so gut – und echte Abfahrerinnen taten sich schwer“, fand sie selbst einen Ansatz für Erklärung.
"Ein wenig wie ein Überraschungsei"
Das Gute: In Garmisch kam ihr ein Geistesblitz, wie das Material abzustimmen sei, damit es auch auf Eis zurückkommt, das Gefühl. „Das hat geholfen. Und zuletzt hatten wir in Saalbach auch gute Trainingstage. Ich bin mir sicher, dass unser Team in Crans Montana wieder alte Stärke zeigt – auch wenn wir alle heuer ein wenig wie ein Überraschungsei sind. Du weißt nie, was drinnen ist“, sagt sie lachend.
Auch in Crans Montana weiß sie nicht, was drinnen ist. Obwohl, da wäre schon eine Sache: „Ich hab’ den Pokal aus dem Vorjahr nie bekommen. Vielleicht geben sie ihn mir heuer ja, ich würde mich freuen.“ Und wer weiß, vielleicht gewinnt sie sogar noch einen zweiten, neuen Pokal dazu. Das Gefühl dafür, das scheint wieder da zu sein.