Sie kehren nach Ihrem Kreuzbandriss im rechten Knie wieder nach Lienz zurück, wo Sie 2011 im Riesentorlauf Ihren ersten Weltcupsieg gefeiert haben und auch 2013 triumphierten. Hilft so eine Erinnerung für das Rennen?
Anna Veith: Mir auf jeden Fall. Ich bin ob meiner erfolgreichen Vergangenheit mit einem sehr guten Gefühl nach Osttirol angereist. Der Hang auf dem Hochstein liegt mir, ich mag solche Pisten mit Übergängen.
Das heißt, auch bei Ihnen spielt der Kopf eine sehr große Rolle?
Genau, da brauche ich die Sicherheit, um rennfahren zu können. Damit ich diese erreiche, habe ich in den guten Trainingsläufen versucht zu visualisieren, was sich im Ablauf seit meiner Verletzung geändert hat. Was hat sich früher in meinem Kopf abgespielt, wenn ich ganz vorn war, wer bin ich jetzt? Die Erkenntnis war: Nichts hat sich geändert, außer, dass ich in letzter Zeit zu wenig Rennen gefahren bin. Damit sind wir wieder beim Kopf. Der macht viel aus. Es ist für mich sehr wichtig, mit den Gedanken ganz im Rennen zu sein.
Können Sie das näher erklären?
Wenn du gut drauf bist, machst du dir keine Gedanken, was im Rennen passieren wird, du kannst ganz leicht all das Positive aus den vergangenen Bewerben hervorholen. Genau das muss mir wieder gelingen. Bei den Trainingseinheiten in Toblach war es schon sehr gut.
Sehr gut ist ein gutes Stichwort. Sind Sie körperlich fit, lässt das lädierte Knie wieder alles zu?
Körperlich bin ich fit. Um im Riesentorlauf wieder ganz vorn dabei sein zu können, muss ich mich trauen, die nötigen Kniewinkel zu fahren. Die sind gerade hier extrem wichtig, brauchen viel Rotation. Und das kannst du nur beim Skifahren trainieren und nicht simulieren. Die Reaktionen des Körpers auf diese Fahrten waren sehr gering. Wenn es viele Schläge gab, trat schon eine leichte Schwellung im Knie auf. Dann musste ich eben pausieren.
Sie feierten im Riesentorlauf Ihre größten Erfolge, erlitten in Ihrer Lieblingsdisziplin auch Ihre schlimmsten Verletzungen. Trotzdem steht der Riesentorlauf bei Ihnen noch immer über allem anderen?
Ja, der Riesentorlauf ist noch immer meine große Liebe, obwohl es mir nie leichtgefallen ist, hier etwas zu erreichen. Selbst in meiner jungen Karriere nicht. Weil es so ist, nehme ich meine Ergebnisse sehr persönlich. Wenn es mit seiner großen Liebe nicht klappt, tut das bis ins Herz weh. Ich bin aber sicher, ich kann wieder ganz vorn mitfahren. Es muss mir nur klar sein, es dauert seine Zeit, bis ich gewinnen kann.
Hängt das auch damit zusammen, dass Sie die Vorbereitung sehr behutsam angegangen sind?
Ich habe die Vorbereitung mit meinem Trainer Meinhard Tatschl sehr konservativ begonnen, um ganz fit und sicher zu werden. Das Vertrauen zum verletzten Knie ist jetzt da. Auch meine Fitness ist sehr gut. Was noch fehlt, ist der letzte Schritt zum Rennfahren.
Wie man hört, haben Sie im Training schon ordentlich Gas gegeben. Ist die Sicherheit zu hundert Prozent da?
Sie kommt nicht von heute auf morgen zurück. Du musst sie aber haben, denn sonst kannst du nicht an das Limit gehen. Wagst du das nicht, kannst du – bei der Dichte im Riesentorlauf – weder gewinnen noch ganz vorn mitreden.
Mitreden wollen Sie in dieser Saison auch im Super-G. Wo sehen Sie sich in der Disziplin jetzt?
Den Super-G hatte ich immer im Plan für diese Saison und ich denke, ich kann einiges erreichen. Mein Vorteil ist, dass ich in diesem Winter keine Abfahrten bestreiten werde. Daher kann ich im Jänner einen Super-G-Trainingsblock einschieben. Auch da brauche ich – wie im Riesentorlauf – noch viele Rennkilometer. Gerade im Speedbereich sind sie essenziell für Erfolge.
Bedeutet das, Sie werden die Abfahrt und alpine Kombination in Zauchensee Anfang Jänner auslassen?
Richtig, vielleicht starte ich bei den Rennen als Vorläuferin. Aber das muss ich mir noch genau überlegen. Derzeit ist geplant, erst am 18. Jänner mit dem Riesentorlauf in Sestriere wieder in den Weltcupzirkus einzusteigen.
Sie sind direkt aus Toblach in Südtirol nach Lienz angereist. Hatten Sie überhaupt Zeit, die Weihnachtszeit zu genießen?
Die habe ich mir einfach genommen. Ich war bei meiner Mama in Salzburg und habe die Stunden dort sehr genossen. Leider sind sie viel zu schnell vergangen. Aber so ist es, wenn man von Beruf Ski-Rennläuferin ist und bereits am 28. Dezember wieder ein Rennen bestreiten muss.
Joschi Kopp