Nicole Schmidhofer hat mit dem Erfolg in Lake Louise ihren Gesamtsieg im Abfahrts-Weltcup bestätigt. Das Gefühl, etwas "verteidigen" zu müssen, hat die ÖSV-Rennläuferin vor dem Europa-Speed-Auftakt am Samstag in St.Moritz aber nicht. Dass Ester Ledecka im Abfahrts-Weltcup vor ihr führt, ist für die Steirerin keine Überraschung. "Für mich ist sie längst eine Skifahrerin, die auch Snowboarden kann."
Schmidhofer bezog sich dabei darauf, dass die Snowboard- und Super-G Olympiasiegerin aus Prag in den vergangenen Jahren stark in Ski investiert hat. "Sie ist in der Saisonvorbereitung sicher drei Mal so viel Ski gefahren wie ich", verweist Schmidhofer darauf, dass die Tschechin im Sommer zwei Mal in Südamerika war und vor dem Saisonstart einen Monat in Kanada trainiert hat. Mit Ledecka sei auch weiter zu rechnen. "Weil die ersten zehn der Weltrangliste gut sind für Siege."
Schmidhofer selbst war in der Vorbereitung durch Hüftprobleme gehandicapt. Erst eine mehrwöchige Intensivtherapie rückte die Hüfte wieder gerade, seitdem passt auch der Schwung auf der Piste wieder. "Die größte Leistung ist, dass es mit der Hüfte wieder passt. Das hat mich zuletzt viel mehr beschäftigt, als ob ich die Leistung aus dem Vorjahr bestätige", gestand die 30-jährige Schmidhofer im Gespräch mit der APA.
Schmidhofer hat ihren Zugang gefunden
Sie sei immer schon mit einer Riesenfreude nach Kanada gefahren. "Diesmal halt mit dem Wissen, dass ich Rennen gewinnen kann." An eine "Bestätigung" ihres Kugelgewinnes denke sie aber weiter nicht. "Es fängt alles wieder bei Null an, alle sind gleich weit. Also habe ich nichts zu verteidigen. Ich finde, das ist der richtige Zugang."
Schmidhofer muss freilich täglich daran arbeiten, dass die Hüftprobleme nicht wiederkehren. In Kanada fuhr die Super-G-Weltmeisterin von 2017 bestechend und auf einem Niveau, mit dem sie derzeit immer gut ist für ein Podium. "Eigentlich wäre ich schon 2016 so weit gewesen, dann habe ich mich leider verletzt." Heute gehört die nur 1,57 große Speed-Spezialistin fix der Weltklasse an. "Wir haben auch auf dem Materialsektor einen Schritt gemacht, seitdem gehen einige Dinge leichter."
Sie sei aber auch sensibel für das Mannschafts-Umfeld, betont die 30-Jährige. Gut, dass das trotz der immer größer werdenden, internen Konkurrenz derzeit ebenfalls passt. "Wir sind seit einigen Jahren eine Partie, haben viele Schritte gemeinsam gemacht. Wir wären blöd, damit aufzuhören und uns nur selbst ins Knie schießen. Wir sind ja 250 Tage im Jahr zusammen."
Großer Konkurrenzkampf im Damen-Team
Natürlich werde der Konkurrenzkampf aber immer größer. "Früher warst du als Zehnte zweitbeste Österreicherin, heute bist du als Achte viertbeste." Die sieben verschiedenen Charaktere im Team würden sich aber erstaunlich gut ergänzen. Zickenkriege gibt es offenbar wenig bis keine. "Bei uns herrscht eine relativ gerade Linie", so Schmidhofer. "Wenn du deppert bist, wird das gesagt. Wahrheit und Ehrlichkeit ist bei uns ein Mannschaftsprinzip."
Dass man im Abfahrtssport mit einer größeren Statur leichter zurechtkomme, liegt auf der Hand. Zwar kann Schmidhofer als Leichtgewicht direktere Linien fahren, die Nachteile überwiegen aber. "Natürlich haben die Großen in der Abfahrt Vorteile, das sagt die einfache Physik. Beim flachen Start, beim Gewicht, in Wellen, die sie drücken können und ich mit meinen kurzen Füßen nicht ins Wellental komme."
Auch nach St. Moritz, wo sie mit Super-G-WM-Gold ihren vor dem Abfahrts-Kristall größten Erfolg gefeiert hat, kehrt Schmidhofer grundsätzlich gerne zurück. Auch wenn es in den vergangen zwei Jahren für sie dort nicht optimal gelaufen ist. Womöglich auch wegen des Jetlags nach den Nordamerika-Rennen, den sie diesmal mit Schlaf-Tees zu bekämpfen versuchte.
Gefahren wird Samstag in der Schweiz zudem nicht auf der WM-Strecke. "Ich muss es besser machen als zuletzt, dann wird es am Ende schon passen", hofft Schmidhofer. A propos Saisonende: Schmidhofer wird bis auf weiteres keine Speedski-Bewerbe mehr bestreiten, obwohl sie da vergangenes Frühjahr bei der WM mit einem Ö-Rekord von über 217 km/h brilliert hat.
So bleibe - als Vergleich zu Ledecka - "Reden" ihr zweitgrößtes Talent, wie Schmidhofer lachend zugibt. Andere sportliche Wettkämpfe will "Schmidi" bis auf weiteres nicht suchen. "Ich bin eine schlechte Verliererin. Ich gehe lieber auf die Berge, da brauche ich mich mit niemandem zu messen."