Ein Jahr ist vergangen, seitdem Nici Schmidhofer in Lake Louise die Basis gelegt hat für den wohl größten Erfolg ihrer sportlichen Laufbahn. Innerhalb von 24 Stunden gewann sie beide Abfahrten im malerischen Lake Louise – es waren die ersten Weltcupsiege der mittlerweile 30-jährigen Murtalerin. Und sie waren der Auftakt einer konstant starken Saison, die sozusagen im größten Ziel jeder Skifahrerin gipfelte: Schmidhofer gewann die kleine Kristallkugel für den Sieg in der Abfahrtswertung, noch dazu vor ihren Teamkolleginnen Stephanie Venier und Ramona Siebenhofer.
Klar, dass man da vor dem heurigen Speed-Auftakt von Freitag bis Sonntag mit Schmidhofer über das Jahr 2018 spricht – und die Erwartungen, die als logische Folge aus den Siegen am 30. November und 1. Dezember von allen Seiten kommen. „Ich glaube“, sagt sie da, „dass ich mittlerweile damit umgehen kann. Mit der eigenen Erwartungshaltung, mit der von außen. Und auch mit dem ganzen Drumherum.“ Was damit gemeint ist? Als „Kugelbesitzerin“ rückt man in den Fokus, auch medial. „Natürlich gibt es viel mehr Anfragen, aber wir haben ganz gut gelernt, das einzuteilen. So, dass es mich beim Skifahren nicht stört.“
Das Skifahren, das müsse nämlich schon das Wesentliche bleiben. Zumindest kann sie das auch wieder schmerzfrei tun. Nach dem Übersee-Trip nach Chile machte nämlich die Hüfte Probleme – zunächst hatte alles mit Adduktorenproblemen begonnen, die sich immer mehr ausweiteten. „Es hat so wehgetan, dass ich nicht mehr Ski fahren konnte, weil ich nicht mit Schmerztabletten vollgepumpt auf Ski steigen will“, erzählt Schmidhofer. Mit langer Trainingspause und im Anschluss viel Therapie mit einem Osteopathen („Dass wir auch in Copper Mountain einen mit dabei hatten, war sehr wichtig“) bekam Schmidhofer alles wieder in den Griff, auch wenn die Ursache der Schmerzen noch immer nicht klar ist. „Wahrscheinlich ist es vom Kreuzbein ausgegangen“, sagt sie.
Vielleicht war die Zwangspause gar nicht schlecht, es dämpft die (eigenen) Erwartungen. Dabei hat sich Schmidhofer schon einen Plan zurechtgelegt. „Eine Kugel kann man nicht mit einer Titelverteidigung bei einer WM vergleichen. Das eine ist wirklich ein Rennen an einem Tag X, das andere kann man gar nicht planen. Für eine Kugel muss einfach so viel zusammenpassen. Aber schön wäre es, wenn die eine nicht allein bleibt daheim.“
Was ist am wichtigsten? „Locker bleiben. Wir wissen in der Mannschaft, dass wir alle gewinnen können.“ Und, schiebt Schmidhofer nach, man dürfe eben nicht an die Kugel denken: „Dass das nicht funktioniert, habe ich schon vergangenen Dezember selbst erkennen dürfen.“ Deswegen impft sich die Lachtalerin sozusagen täglich ihre Dosis „Herangehensweise“ ein: „Auf das konzentrieren, worauf es ankommt. Nicht an die Platzierung denken, sondern daran, viel in Position zu fahren, die Sprünge zu attackieren, speziell hier in Lake Louise.“ Und dann? „Wenn dann ein Sieg herausschaut, ist es megageil. Wenn nicht, kommt es eben darauf an, ob ich meine beste Leistung abgerufen habe. Es kann ja vorkommen, dass man gut war und trotzdem nur Fünfter wird – dann war nicht mehr drin. Das muss meine Herangehensweise sein!“
Traditioneller Trip in die USA
Um den Kopf noch einmal „auszulüften“, hat Schmidhofer vor dem letzten Trainingscamp in Copper Mountain ihren schon fast traditionellen Solotrip in die USA gestartet. „Ich mag das Land, ich liebe American Football“, begründete sie das. Diesmal führte sie die Reise nach Los Angeles, ins berühmte Coliseum. Aber natürlich auch an den Strand und zum Basketball. „Zu meiner Enttäuschung als Football-Fanatikerin muss ich sagen, dass das aber fast das größere Erlebnis war. LeBron James einmal live zu sehen, die Stimmung mitzubekommen, wenn er nur den Ball bekommt, das war im Staples Center einfach einzigartig“, schwärmt Schmidhofer, die nach dem Ende des Trainingscamps in Copper Mountain auch schnell eine Eishockeypartie der Colorado Avalanche in Denver „mitgenommen“ hat: „Ich liebe halt Sport und schau mir an, was ich nur kann“, sagt sie fast entschuldigend.
Jetzt ist sie in Lake Louise – aber nicht im „Erfolgszimmer“ des Vorjahres. „Hätte ich noch gewusst, welche Nummer ich 2018 gehabt hätte, ich hätte wohl danach gefragt“, sagt Schmidhofer lachend, „aber es passt schon so auch.“ Passen tut es auch nach wie vor mit dem Zusammenhalt im Team – obwohl mittlerweile alle gewonnen haben. „Aber nach wie vor reden wir über alles, tauschen uns aus, sprechen über Linien und Sprünge. Ich denke, das ist eines unserer Geheimnisse“, sagt Schmidhofer.
Der Grund ist klar: „Bei uns hat jede einen guten Charakter.“ Bleibt die Frage, wie die Form nun wirklich ist vor dem Auftakt. „Uns fehlte der internationale Vergleich. Aber am letzten Tag, da war ich gut dabei“, sagt Schmidhofer und schmunzelt. Ein gutes Zeichen. Das Selbstvertrauen, das passt bei Schmidhofer.