Am Sonntag beginnt im alpinen Skisport eine neue Zeitrechnung: Es ist das Jahr eins nach Marcel Hirscher und damit sind alle Karten neu gemischt. Einen Seriensieger wie ihn wird es vielleicht nie mehr wieder geben. Jedenfalls nicht mehr so schnell, da bin ich mir sicher. Und mit einer Hoffnung möchte ich auch gleich aufräumen: Ein Comeback von Marcel Hirscher halte ich für ausgeschlossen. Er hat mit dem Thema abgeschlossen - und das macht er ebenso gründlich, wie er zuvor seinen Sport betrieben hat. Was jetzt kommt?
Mit Sicherheit ein großer, neuer Gesamt-Weltcupsieger. Ich halte nichts von den Unkenrufen, die jetzt schon anmerken, dass der Sieger im Jahr eins nach Hirscher nur gewonnen habe, weil eben dieser Marcel Hirscher nicht mehr im Starthaus gestanden sei. Das ist Blödsinn! Faktum ist: Wer am Ende des Jahres die große Kugel gewinnt, der ist der beste Skifahrer der Saison. Ohne Wenn und Aber.
Wobei sich an der Stelle schon einmal ein paar Überlegungen zum Gesamtweltcup lohnen: Ist er in der Form etwa wirklich überschätzt? Ist nicht der Gewinn einer Gesamtwertung in einer Spezialdisziplin wie Abfahrt oder Slalom ein höherwertiges Ziel? Bei allem Respekt für den Gesamtsieger: Ich glaube, dass seine Wertigkeit überschätzt wird. Wenn es nach der Papierform geht, dann werden wir Österreicher uns ohnedies länger von diesem „deppaten Glasbecher“ verabschieden müssen. Ich sehe im kommenden Winter keinen, der da mitkämpfen kann. Vielleicht wird es Marco Schwarz in ein paar Jahren schaffen. Oder das junge Talent, das wir derzeit alle noch nicht auf dem Radar haben.
Eine spannende Frage wird sein, was Hirschers Rücktritt mit dem ÖSV-Team macht. Klar, jeder Läufer fährt für sich und nicht für das Team, daher hat sich jeder Einzelne auch bisher nichts von Hirschers Erfolgen kaufen können. Aber: Seine Siege haben viel Druck vom Team genommen. Wenn es nicht läuft, wird nun die Kritik auf Trainer und Betreuer recht schnell hereinprasseln. Und das ist doch ein großer Unterschied zu den Hirscher-Jahren.
Auf der anderen Seite löst ein Rücktritt eines Stars immer etwas aus in einer Mannschaft. Vielleicht fährt der eine oder andere jetzt befreiter auf, vielleicht will der eine oder andere zeigen, dass doch mehr in ihm steckt. Aber für die, die sich bislang im Windschatten eingerichtet oder gar versteckt haben, wird es jetzt ungemütlicher.
Es gibt also viele offene Fragen vor dem Start am Wochenende - bei dem wir Österreicher, noch dazu ohne Marco Schwarz und Anna Veith, geringe Erwartungen haben sollten. Aber genau das ist der Boden für Überraschungssieger - und warum soll der nicht aus dem ÖSV kommen?