Angestoßen hatte es kürzlich Hermann Maier, nun ist kurz vor dem Start in eine Alpinski-Saison ohne Titelkämpfe die Diskussion über die enorme Anzahl von Weltcup-Rennen im kommenden Winter voll los gebrochen. So kritisierte Manuel Feller und nun auch Ex-Rennläufer Hans Knauß die "viel zu vielen Rennen" und damit das, was Ex-Größe Maier "inflationär" genannt hatte. In Zahlen: 44 Herren-Einzelrennen, 41 bei den Damen.
Dazu kommt noch ein Alpiner Teambewerb beim Saisonfinale in Cortina d'Ampezzo. Grund ist, dass auch im Alpinbereich alle vier Jahre keine Medaillen-Bewerbe im Februar stattfinden und daher der Weltcup-Kalender aufgebläht wird. 2015/16 waren es sogar noch einen Tick mehr Rennen gewesen. "Es sind zu viele. Es ist ja verrückt, wie wir unterwegs sind. Es ist zu viel, auch für den Zuseher", kritisierte der ehemalige Rennläufer (7 Siege, 3 Medaillen) und nunmehrige Co-Kommentator, Analytiker und ORF-Kamerafahrer Knauß Montagabend in "Sport und Talk aus dem Hangar 7" auf Servus TV.
Ungleichverteilung
Angesprochen wurde dabei auch die zuletzt wieder vom Österreicher Vincent Kriechmayr kritisierte Ungleichverteilung der Speed- und Technikrennen. "Wie soll ein Speedfahrer eine Chance haben den Gesamt-Weltcup zu gewinnen, wenn er viel weniger Rennen hat?", hatte unlängst auch Olympiasieger Maier bei einem Medientermin in Wien gefragt. Dem widersprach nun aber der mittlerweile ebenfalls zurückgetretene Riesentorlauf-Spezialist Philipp Schörghofer. "Ich halte die Diskussion für sinnlos. Als Abfahrer habe ich mit dem Super-G eine komplett geschenkte Disziplin. Als guter Riesentorläufer heißt es noch lange nicht, dass du auch ein guter Slalomfahrer bist. Abfahrt und Super-G sind sich ähnlich, Riesentorlauf und Slalom hingegen komplett konträr."
Der Internationale Skiverband (FIS) sei gefordert, bei Themen wie Fairness und Optimierung des Rennkalenders, meinte Knauß. "Das Hauptproblem ist, dass die FIS aber beratungsresistent in allen Fragen ist. Da platzt mir die Hutschnur, wenn ich mir ansehe, wie die arbeiten. Das muss jetzt einmal raus aus mir", ärgerte sich Knauß im Live-Talk. Der Steirer schloss aber dezitiert das FIS-Personal auf der Piste - wie etwa die Renndirektoren - aus.
Zu wenig Mitsprache
Knauß ist auch der Meinung, dass Fahrer noch immer viel zu wenig Mitspracherecht hätten. "Ich turne jetzt seit 25 Jahren oder länger in diesem Zirkus herum und habe versucht, (...) etwas zu bewegen. Die (FIS- Anm.) Leute auf der Piste machen einen Superjob. Aber dann reißt es für die Athleten total ab. Du weißt als Athlet nicht, wohin du gehen sollst." Dort sei das Problem vergraben. "Und bei der Jahreshauptversammlung zeigt der Brasilianer auf, ob wir 35 Meter Radius fahren oder nicht. Das ist ja total vertrottelt", meinte ein sichtlich emotionaler Knauß.
Mit Hannes Reichelt war jahrelang ein Österreicher Athleten-Vertreter im alpinen Skirennsport gewesen. Der Salzburger hat danach aber nicht mehr kandidiert. Auch, weil fast alle Vorschläge abgeschmettert worden seien, so Reichelt. "Weil man eh nichts bewegen kann". Derzeit hat dieses Amt der Schweizer Slalom-Spezialist Daniel Yule inne.
Not-Aus für manche Rennen
Für Knauß haben die Athleten zu wenig oder gar kein Stimmrecht. "Die FIS hat Nichts geschaffen dafür. Etwa so, wie es in der Formel 1 ist." Auch die Fabrikantenvereinigung SRS hätte Macht und gute Ideen, aber kein Stimmrecht. "Deshalb", so Knauß, "dreht sich das Rad so träge im Kreis. Die meisten Innovationen kommen von den FIS-Leuten auf der Piste, in Kombination mit den Veranstaltern. Da haben wir wirklich sensationelle Rennen in Kitz, Wengen, Adelboden, Schladming und so weiter." Bei Rennen wie in Kvitfjell aber "muss man doch irgendwann den Not-Aus drücken."
Der als ÖSV-Alpindirektor zurückgetretene Hans Pum wies bei der Diskussion darauf hin, dass die FIS eben die Vereinigung der nationalen Verbände sei und daher viele verschiedene Interessen unter einen Hut zu bringen wären. "Es wird aber eh immer mehr und besser. Und man will ja, dass Rennen auch in Kanada, Skandinavien, Japan, China oder Russland gefahren werden. Man hat eben viele Länder im Boot."
Alpine "Champions League"
Dass im alpinen Skirennsport längst eine Art "Champions League" rund um Top-Veranstaltungen wie Wengen oder Kitzbühel (dort gibt es bei der 80. Auflage der Hahnenkammrennen 2020 ein einmaliges Rekord-Preisgeld von 725.000 Euro) eigentlich überfällig ist, sieht auch Schörghofer so. "Wieso kann man das Tennis-Format mit Majors, Tausender und Fünfhunderter-Turnieren nicht auch im Skisport haben? Kitz und Sölden sind Grand Slams, echte Highlights. Kleinere wie Kvitfjell oder Levi müsste man etwas herunterschrauben. Auch von den Punkten her, eben wie im Tennis", schlug der Salzburger vor. Dem entgegnete Pum: "Der Vorteil im alpinen Skirennsport ist, dass bei jedem Rennen die Besten am Start sind."