Sie sind nach den Rücktritten von Marcel Hirscher, Lindsey Vonn, Aksel Lund Svindal sozusagen der einzige „Superstar“, den der alpine Skisport noch hat. Und doch waren Sie es, die eine Lobeshymne auf Marcel Hirscher abfeuerte, als Sie bei Atomic zu Gast waren.
MIKAELA SHIFFRIN:Na ja, es wäre mir lieber gewesen, wenn er nicht danebengestanden wäre, wenn ich lobe. Man darf eines nicht vergessen: Seit ich dabei bin, hat bei den Herren nur Marcel Hirscher den Gesamtweltcup gewonnen. Es wird komisch sein, ganz ohne ihn. Er war Inspiration, Motivation – er wird mir fehlen. Aber Rücktritte waren immer Teil des Sports, von Anfang an. Seine Lücke wird schwer zu füllen sein, aber es schafft Raum für andere, die seine Rolle übernehmen können.
Die anderen müssen sich den Platz an der Spitze erst erkämpfen – Sie sind schon da.
Na ja, die Wahrheit ist schon, dass auch ich kämpfe – immer. Es gibt am Start keine Sicherheit, dass du gewinnen wirst. Ich habe ein großartiges Team, das mir alles ermöglicht. Aber es ist immer ein Kampf, auch wenn es die Leute nicht so sehen. Klar, danach sagen sie immer: Oh, Marcel hat gewonnen, schon wieder. Oder Mikaela hat gewonnen, war ja klar. Aber so einfach fühlte sich das nie an.
Ich meinte auch, dass Sie schon im Rampenlicht stehen. Haben Sie Sorge, dass die Aufmerksamkeit jetzt noch weiter steigt?
Nein, noch fühle ich nicht mehr Scheinwerferlicht. Auch nicht, wenn Marcel nicht mehr da ist. Wenn, dann liegt es daran, dass die letzte Saison so gut war. Ja, deswegen gibt es mehr Interesse. Der größte Unterschied sind aber schon die USA, wo es mehr Aufmerksamkeit gab, das ist aber auch für mich aufregend. Es ist immer ein Kampf, Skifahren zum Teil der US-Alltagsgespräche zu machen. Hier in Europa bin ich es ja gewöhnt, spüre die Achtung und den Respekt der Medien. Aber vielleicht sollte man mich zur Saisonhälfte fragen, wie es wirklich ist.
Fühlen Sie sich auch mehr in der Verantwortung? Sie betonten oft, dass gerade Stars ihre Rolle als Botschafter sehen müssen.
Sagen wir so: Ich liebe das Rampenlicht nicht. Aber ich schätze, was ihr Medien für uns macht. Ihr macht den Sport für viele erlebbar, ihr seid das Bindeglied zu den Fans. Und das erlaubt uns allen, unseren Sport zum Beruf zu machen. Das habe ich verstanden. Ich weiß, wie wichtig die Zusammenarbeit ist. Das macht es leichter. So gesehen bin ich sogar froh, Verantwortung zu tragen.
Aber nicht alle denken so, oder?
Das ist mir klar. An sich sehe ich es ja auch nur so, dass ich einfach schnell Ski fahren will, meine Ergebnisse sollen für sich sprechen. Ich denke, viele Mädels – wie Goggia oder Holdener – denken ähnlich. Nach den Rücktritten ist die Chance für andere da, ins Rampenlicht zu treten. Ich hoffe, dass jeder die Wichtigkeit sieht, den Sport zu fördern. Das ist der einzige Weg, wie wir selbst eine Zukunft haben.
Apropos Zukunft. Sie sagten, vergangene Saison fast zu viel Erfolg gehabt zu haben. Wie ist das gemeint?
Wenn ich gewinne und Siege einfahre, erwarten alle noch mehr Siege im Jahr darauf. Ich hatte oft Probleme, diese Erwartungen zu erfüllen. Jetzt habe ich es geschafft, dass ich am Start keine Erwartungen mehr habe, ich will nur gut fahren. Das hilft. Aber dann kommt die Frage, wie ich die vergangene Saison übertreffen werde. Ganz ehrlich: Wie soll das gehen, bitte? Ich bezweifle, dass ich 17 Rennen gewinnen werde, man darf das nicht erwarten. Andererseits: Jetzt, wo ich es einmal getan habe, ist es ja möglich.
Sie sind die Beste – werden Sie trotzdem noch besser? Fällt es schwer, besser zu werden?
Gar nicht, man kann immer besser werden. Nur: Besser zu werden, ist keine Garantie für Siege. Beides ist schwierig. Man kann aber immer etwas finden, was man verbessern kann. Ich denke mir jeden Tag: Mach einfach mehr von den guten Schwüngen und weniger von den schlechten. Fokussiere dich auf Details. Das ist es, was die Faszination ausmacht – und auch zur Sucht wird.
Sind Sie besser als im Vorjahr?
Ja, ich denke schon. Speziell im Riesentorlauf bin ich konstanter. Slalom habe ich noch zu wenig trainiert, bei Abfahrt und Super-G wartet noch Arbeit.
Noch besser ... Das ist eine Drohung an die Konkurrenz, oder?
Wie gesagt: Besser heißt nicht, dass man alles gewinnt. Theoretisch bin ich schneller, aber das sind 50 andere Mädchen auch. Nehmen wir Petra Vlhova. Auf Instagram sieht man sie fast nur trainieren. Sie ist sicher besser geworden. Und da denke ich mir: Ich muss besser werden, sonst bin ich hinten. Im Slalom war es ja schon knapp am Ende der Saison.
Sehen Sie ernsthafte Konkurrentinnen im Kampf um den Gesamtweltcup?
Petra fällt mir da sofort ein. Auch Wendy Holdener, weil sie im Speedbereich wirklich gut geworden ist. Die Wahrheit aber ist: Unterschätze niemanden! Weil wenn dir eine einfällt, denkst du schon an die Nächste. Es gibt viele, die gut und schnell sind.
Glauben Sie, dass Anna Veith wieder siegen wird?
Ich würde es hoffen. Sie fährt wirklich schön – und ist dabei schnell. Und das ist eine Besonderheit. Seien wir ehrlich: Viele, die schnell sind, schauen nicht so schön aus. Aber Anna, die wirkt wie eine Tänzerin. Was sie finden muss, ist das Vertrauen in sich.
Ich darf anmerken: Auch Sie sehen an sich gut aus, obwohl Sie schnell sind.
Danke, aber ich habe auch gehört, dass ich an einen Roboter erinnere, weil es immer kontrolliert aussieht. Das würde ich nicht als schön ansehen.
Vergangene Saison wirkten Sie erstmals richtig müde. Manchmal hatte man den Eindruck, Sie wollen nur müde aussehen ...
Ist das so? Es wäre aber nicht so, dass ich mir im Ziel gedacht hätte: Den Sieg hast du, jetzt solltest du einmal müde aussehen, angestrengt wirken.
Vergangenes Jahr waren Sie spürbar müde. Haben Sie Ihr Programm heuer schon im Kopf?
Die Taktik wird sein: Höre auf deinen Körper und fahre, was geht. Lake Louise habe ich im Plan, St. Moritz auch. Aber diese Saison ist eine Saison ohne WM – da kann man spielen, versuchen. Es wird eine Prüfung.
Die größte Änderung: Sie sind Single, haben sich von Mathieu Faivre getrennt. Stimmt das?
Ja. Wir hatten eine wirklich großartige Zeit und ich wünsche ihm nur das Beste. Es war extrem schwierig, unsere Termine zu koordinieren. Dann kommt man an den Punkt, an dem es keinen Sinn mehr hat.