Nach dem Rücktritt von Marcel Hirscher werden die Karten im Ski-Weltcup neu gemischt. Doch eines wird sich laut Vincent Kriechmayr so bald nicht ändern: Abfahrer wie er hätten aufgrund der Unverteilung der Rennen praktisch keine Chance auf die große Kugel. Der Ski-Weltverband (FIS) verschließe bei alternativen Ideen Augen und Ohren - und Solidarität unter den Athleten sei zu wenig ausgeprägt.
Interventionen bei der FIS sind, daraus machte Kriechmayr keinen Hehl, eher aussichtslos. Die Athleten hätten da nämlich "gar nichts zu sagen". Er hält es daher für unwahrscheinlich, dass der kommende Gesamtweltcup-Sieger aus dem Speed-Bereich kommt. "Ich glaube eher, die beiden Techniker, die die letzten Jahre hinter dem Marcel waren, sind wesentlich froher als wir", verwies der Oberösterreicher auf den Franzosen Alexis Pinturault und den Norweger Henrik Kristoffersen. Auch ÖSV-Hoffnung Marco Schwarz habe aber durchaus Chancen.
Matthias Mayer sieht es gleich: "Man braucht sich nur den Kalender ansehen, um die Antwort zu kennen." Der zeigt mit 24 Technik-Rennen (12 Slaloms, 2 Parallelslaloms, 10 RTL) gegenüber 19 Speed-Rennen (10 Abfahrten, 9 Super-G) ein klares Bild. Fast überraschend kam daher eine Ansage von Hannes Reichelt, der zuletzt meinte, dass erstmals seit Carlo Janka 2010 wieder ein Speedfahrer den großen Pokal abräumen könnte. Dazu sei aber eine Serie, wie sie etwa Dominik Paris in der vergangenen Saison hingelegt hat, notwendig. Der Südtiroler hatte nach seinem Kitzbühel-Sieg und 200-Punkte-Wochenenden in Bormio, Kvitfjell und Soldeu letztlich nur 195 Punkte Rückstand auf den Zweiten, Kristoffersen.
Mehr Speed-Rennen statt Kombination
In der lange totgesagte Kombination haben sich die Gewichte zuletzt ein wenig verschoben. Die neue Regelung, wonach die Schnellsten des Speed-Teils mit niedrigen Startnummern im Slalom belohnt werden, sieht Kriechmayr als "wesentlich fairer" an. Er verriet jedoch auch: "Ich war immer ein Fan von der Kombi, aber trotzdem hätte ich mir gewünscht, dass die Kombi einmal verschwindet und dadurch mehr Speed-Rennen in den Kalender kommen."
Diesbezüglich seien sich seine Kollegen aus den schnellen Disziplinen einig. "Das Problem ist, dass wir Athleten bei der FIS gar nichts zu sagen haben, und deswegen ändert sich da nichts." Schon vor zwei Jahren hätten die Abfahrer ihre Anliegen deponiert und zahlreiche Vorschläge gemacht. "Wir sind auf einen gemeinsamen Nenner gekommen. Jeder war der Meinung, dass wir damit unseren Sport erstens sicherer und zweitens interessanter machen können", sagte Kriechmayr. Das Ergebnis: "Es ist so ziemlich alles von der FIS abgeschmettert worden."
Sein Kollege Reichelt war als Athletensprecher auch lange - und vergeblich - als harter Kritiker der Entscheidungsabläufe innerhalb des Skiweltverbands aufgetreten. "Das Verhältnis Speed-Technik, das ich während meiner vier Jahre versucht habe zu ändern, passt nach wie vor nicht", meinte der 39-Jährige. "Ich habe mich relativ forsch dagegen aufgelehnt. Vielleicht muss man das diplomatischer machen."
Ruf nach einer Gewerkschaft
Kriechmayr nahm auch seinesgleichen an der Nase. "Wir haben oft über die Möglichkeit geredet, so wie es das in der Formel 1 gibt oder in anderen Sportarten, einer Fahrerkommission oder Gewerkschaft, oder wie immer man das dann nennt. Dann hätten wir Athleten auch wesentlich mehr Macht." Zustande kam die Skifahrer-Gewerkschaft aber nie.
In einer solchen könnte Kriechmayr seine Pläne deponieren. "Ich bin ein Fan von der Idee, die vier Grunddisziplinen zu lassen und da eine gleiche Rennverteilung zu machen. Dann wären für jeden gleich viele Rennen und man hätte auch nicht so viele im Kalender", meinte Kriechmayr. "Und das jetzige Format könnte man ein wenig aufpimpen - es gibt schon Möglichkeiten, um den ganzen Sport interessanter zu machen."
Reizvoll wäre für ihn etwa eine Klassiker-Serie: "Man könnte ja, genauso wie es die Vierschanzentournee ist, drei Klassiker - Wengen, Kitzbühel, Garmisch - zusammenfassen und bisschen Preisgeld reinschmeißen. In Garmisch gewinnt dann derjenige, der gesamt die schnellste Zeit gefahren ist. Wenn einer alle drei Rennen gewinnt, gibt es noch einmal einen Jackpot." Er sei ein Riesenfan des alpinen Skisports, betonte Kriechmayr trotz aller Kritik. "Ich betreibe ihn leidenschaftlich gern. Aber vielleicht schaffen wir es, dass wir etwas verändern."