Knapp zwei Wochen vor dem Ski-Saisonstart hat Marcel Hirscher mit einem Überraschungs-Auftritt bei einem Medientermin seines Ausrüsters Atomic überrascht. Der Salzburger nützte die Gelegenheit zu einer Danksagung und lüftete sein größtes Geheimnis. US-Superstar Mikaela Shiffrin stand auf der Bühne, da verschlug es der sonst so redegewandten Athletin kurz die Sprache. "Ich bin überrascht", sagte sie und grinste. Ihr früherer Markenkollege Hirscher war wider Erwarten am Firmen-Stützpunkt in Altenmarkt aufgetaucht. Gerade hatte Shiffrin, die ab 26. Oktober beim Riesentorlauf in Sölden auf ihren vierten Weltcup-Gesamtsieg in Serie losgeht, über die nähere Zukunft des Pistensports gesprochen, der deutlich "anders" werden würde.
Auch aus dem Privatelben der US-Amerikanerin wurde ein Detail bekannt: Sie ist wieder solo. Die Weltcup-Gesamtsiegerin aus den USA war zuletzt mit dem französischen Skirennläufer Mathieu Faivre liiert gewesen, diese Beziehung ging im Sommer zu Ende.
"Wir hatten eine wirklich großartige Zeit und ich wünsche ihm nur das Beste. Es war extrem schwierig, unsere Termine zu koordinieren und dann kommt man an den Punkt, an dem es keinen wirklichen Sinn mehr macht", sagte Shiffrin
"Als ich in den Weltcup einstieg, hat Marcel seine erste große Kugel gewonnen. Das ist verrückt, alleine deshalb wird diese Saison ohne ihn anders werden." Neben Hirscher hat der Ski-Zirkus auch Publikumslieblinge wie Aksel Lund Svindal, Felix Neureuther und Erik Guay oder Shiffrins Landsfrau Lindsey Vonn an den Ruhestand verloren. "Wir haben noch viele großartige Persönlichkeiten", sagte Shiffrin. "Und es gibt jetzt Raum, um hochzukommen. Auch wenn es keinen Ersatz für Marcel geben wird."
Sie selbst werde in einem Übergangsjahr, in dem kein Großereignis ansteht, mit Sicherheit nicht jedes einzelne Rennen fahren, verriet Shiffrin. Vergangenen Winter heimste die einstige Slalom-Spezialistin in einer Rekord-Saison (17 Saisonsiege, 4 Kristallkugeln) auf dem Weg zum dritten Weltcup-Gesamtsieg auch noch ihren ersten Sieg im Super-G sowie die WM-Goldmedaillen vier und fünf ein. "Letzte Saison war groß, es ist war fast zu viel. Ich muss realistisch sein."
Ski-Pensionist Hirscher "crashte" zwar eine Veranstaltung, die Shiffrin als für sie gefühlten Saisonauftakt bezeichnete. Doch der achtfache Gesamtweltcupsieger, der Medienauftritte während seiner Karriere so gut es ging mied, wollte sich für die langjährige Partnerschaft bedanken. Es wurde eine Laudatio auf ein Erfolgsprojekt, das Hirscher als Teamerfolg begriff. "Ich bin heute da, um Danke zu sagen für jeden einzelnen Weltcupsieg. Es waren 67, mehr sind es nicht geworden, aber ich bin sehr glücklich und froh, dass ich den ganzen Weg mit Atomic habe bestreiten dürfen."
Eine Anekdote erzählte Hirscher stellvertretend für seine Erfolgssymbiose mit dem Hersteller. Es war ein Rennwochenende im französischen Val d'Isere, als im Salzburger Pongau am späten Samstagabend ein kurzfristig bestellter Ski fertig wurde. "Der ist nachgeliefert worden, das heißt, es ist jemand die ganze Nacht durchgefahren. Das hört sich natürlich wahnsinnig an, aber ich habe am nächsten Tag mit diesem Ski gewonnen, also war es das wert", sagte Hirscher. Im besten Falle habe er durch Material-Tüftelei eine halbe Sekunde bis Sekunde wettgemacht. "Ich glaube, dass das mein großes Geheimnis war."
Feller und Co. nun mit mehr Verantwortung
Manuel Feller ist nach dem Hirscher-Rücktritt auf dem Papier nun Österreichs Nummer 1 im Riesentorlauf. Als allzu große Last will das der Tiroler aber nicht sehen. "Natürlich ist das jetzt eine andere Situation. Du bist jetzt für gewisse Sachen verantwortlich. Aber vom Starthaus bis ins Ziel ändert sich für mich nichts."
Das gelte nicht nur für ihn, sondern alle Kollegen, betonte Feller. Und zwar schon in knapp einer Woche beim Weltcup-Auftakt in Sölden. "Dann werden wir den österreichischen Fans dort auch einen tollen Weltcup-Auftakt bescheren." Der bald 27-Jährige wird Anfang November erstmals Vater. Sollte sich der Geburtstermin unerwartet nach vorne verschieben, werde er aber "definitiv im Kreissaal" und nicht beim Rennen sein, bekräftigte Feller am Donnerstag in Altenmarkt.
Marco Schwarz wird auch als möglicher Nachfolger Hirschers im Kampf um die große Kristallkugel gesehen. Doch der Kärntner kommt von einer schweren Verletzung zurück und will es Schritt für Schritt angehen. "Wir sind auch in den vergangenen Jahren ständig auf Marcel angesprochen worden, können also damit umgehen", geht Schwarz mit dem Thema gelassen um, "obwohl es jetzt natürlich noch mehr geworden ist". Er habe damit gerechnet. "Jeder sucht jetzt den nächsten Gesamtweltcupsieger und der muss laut Vielen eben aus Österreich kommen", weiß Schwarz. "Aber so einfach ist das nicht. Es sind viele wie Alexis Pinturault oder Henrik Kristoffersen, die nun noch mehr Druck machen. Aber so einen Weg wie Marcel wird so schnell keiner mehr gehen."