Es ist die Frage, die er seit Wochen bei jedem Pressetermin gestellt bekommt, und die Ski-Star Marcel Hirscher auch am Sonntag in Soldeu nicht beantworten konnte. Aufhören oder weitermachen? "Ich möchte das aber so schnell wie möglich entscheiden", sagte Hirscher zum Saisonende. Der achtfache Gesamt-Weltcup-Sieger freut sich jetzt erst einmal auf seine Familie und aufs private Skifahren.
Diese Saison sei unter dem Zeichen "Plus-Saison" gestanden. "Grundsätzlich wäre letztes Jahr der perfekte Zeitpunkt zum Aufhören gewesen. Die Extrasaison hat noch einmal so gut funktioniert", erinnerte Hirscher an u.a. neun Siege im Weltcup und den WM-Titel im Slalom. Der Zeitpunkt zum Aufhören sei schon so oft perfekt gewesen, er hoffe, er verpasse ihn nicht. "Aber da ist die Freude am Rennfahren, ich mache das gern. Aber der ganze Wahnsinn drumherum, den mache ich nicht gern. Und es wird immer mehr."
Wenn er die Geschehnisse der jüngsten beiden Wochen ausblende, dann sei er sehr, sehr happy und überglücklich. "Am meisten freue ich mich auf meine Familie, dass ich Zeit für daheim habe und nicht immer gleich wieder auf Achse bin und von A nach B springen muss."
Zeit zu gehen oder Zusatzmotivation
Die Tage in Soldeu mit den Rängen sechs im Riesentorlauf und 14 im Slalom hätten die Entscheidungsfindung nicht beeinflusst. "Man kann es auslegen, wie man will. Man kann sagen, jetzt wird es Zeit, dass ich aufhöre, weil jetzt merkt man, wie sie mich herbrennen, die Jungen. Auf der anderen Seite kann man sagen, daraus schöpft Hirscher neue Motivation. Man findet viele Headlines. Sucht euch eine aus."
Die Saison war lang und die Erkrankung zum ungünstigen Zeitpunkt rund um die WM raubte viel Energie. "Das hat mich wahnsinnig viel Kraft gekostet. Normal bleibst im Bett, wenn es keine WM ist. Wenn du mit so einer Grippe da drüber gehst, kostet das sehr viel Kraft und Substanz. Das ist Teil der Rechnung, die ich zu zahlen habe. Solange das keine größere ist, ist das völlig okay", meinte der 30-Jährige.
In mehreren der vielen Kugelzeremonien am Sonntag nach den letzten zwei Saisonrennen von Damen und Herren war Hirscher auf dem Bild zu sehen, er hielt das große Kristall für den Gesamtweltcup in die Höhe, das kleine für die Slalomwertung sowie hatte maßgeblichen Anteil am Gewinn des Nationencups und der Herrenwertung für Österreich. Als Wertungssieger für den Riesentorlauf war er bereits am Samstag ausgezeichnet worden.
"Das ist alles eine riesengroße Erleichterung. Ich bin sehr dankbar und sehr froh darüber, dass es jetzt vorbei ist. Die letzten paar Rennen waren wirklich nicht mehr das Gelbe vom Ei. Auch wenn ich sehr bemüht und alles probiert habe, das ist schon der einzige kleine Punkt, der mir zu denken gibt", betonte Hirscher. Platz 14 zum Saisonausklang will Hirscher nicht so einfach hinnehmen. "Wenn es (für mich/Anm.) weitergeht, muss man das schon sehr ernst nehmen." Gewonnen hatte der 21-jährige Franzose Clement Noel.
"Ich will mich mit Champions messen, mit den Besten, und Marcel ist der Beste. Es ist eine Freude, mit ihm Rennen zu fahren. Das wäre wirklich traurig für den alpinen Skisport, wenn er aufhört", sagte Noel. "Es will mich ja nur jeder schlagen, das ist die Wahrheit, und sie sehen, dass es einfacher wird in Zukunft", meinte Hirscher lachend. Die Jungen würden brillant und technisch sauber fahren, das sei eindrucksvoll.
Baby herumtragen und kochen
Tritt der Athlet mit dem Kugel-Abonnement ab, gibt er den Weg für andere frei. "Alexis ist mehr als bereit für den Gesamtweltcup. Ich denke, es wird ein harter Fight zwischen Alexis und Henrik. Vielleicht auch mit Paris, wenn er etwas mehr Riesentorlauf trainiert in Zukunft, das könnte wirklich interessant werden." Hirscher holte sich die Gesamtwertung mit 1.546 Punkten vor dem Franzosen Alexis Pinturault (1.145), dem Norweger Henrik Kristoffersen (1.047) und dem Südtiroler Dominik Paris (950).
Hirscher hat ein großes Team um sich, auch deshalb will er möglichst zeitnah festlegen, ob er die Karriere fortsetzt. "Ich bin nur so gut wie mein Team, wenn ich sagen würde, wir trainieren um Mitternacht, würden sie es tun. Großartig, diese Leute an meiner Seite zu haben", sprach der 30-Jährige einen großen Dank aus.
Fix ist, dass er einen neuen Pressebetreuer braucht, denn Stefan Illek gibt diesen Job ab. "Ich verstehe seine Entscheidung, er hat zwei Kinder daheim, so viel reisen macht da keinen Spaß, er soll es genießen." Und wenn er selbst, Vater eines Sohnes, aufhört? "Dann trage ich im ersten Jahr das Baby herum und koche. Kaiserschmarren kann ich gut."