Christian Fink, der Fachmann für Knieoperationen für Österreichs Ski-Elite, war ohnehin in der Klinik in Hochrum. Die Operation von Stephanie Brunner, die sich am Freitag im Training das Kreuzband gerissen hatte, stand an. Und ein wenig makaber ist es schon, dass er an diesem Samstag gleich ein zweites Mal zum Skalpell greifen musste. Anna Veith war kurz zuvor ins Klinikum gekommen, um ihre Knieschmerzen untersuchen zu lassen.
Die 29-Jährige war zuvor im Training in Südtirol in Pozza di Fassa nicht einmal zu Sturz gekommen. „Es war eine schnelle Fahrt, weil du auch im Training schnell fahren musst“, berichtete ihr Trainer Meinhard Tatschl, „aber sie war nicht einmal annähernd am Limit.“ Doch schnell genug, um einen Schlag zu einem zu großen Hindernis zu machen. Der Oberschenkel wurde über das Knie gedrückt, das Kreuzband riss, wie sich in Innsbruck bestätigte. Und Veith wurde sogleich operiert.
Logisch, dass es da von der Wahl-Steirerin kein Statement gab. Zu groß der Schock, zu kurz die Zeit, zu ungeordnet die Gedanken, die sich im Kopf der großen Kämpferin wohl derzeit breitmachen. „Zur Zukunft“, meinte Tatschl, „kann man jetzt nichts sagen. Jetzt ist einmal die OP und dann muss sie selbst entscheiden, wie und was sie tun will. Fix ist nur: Sechs Monate geht einmal gar nichts.“
Die schwarze Serie
Die schwarze Serie, die derzeit nicht nur die Österreicherinnen heimsucht, ist beängstigend. In den vergangenen zwei Wochen erwischte es neben Brunner und Veith auch Adeline Mugnier, Nina Haver-Löseth und Ana Drev. Neben denen, die sich schon davor verletzt hatten. „Im Skisport“, sagt Tatschl, „musst du als Trainer leider immer mit so etwas rechnen. Du kannst und darfst da gar nicht nachdenken, warum und weshalb.“
Anna Veith wird sehr wohl nachdenken, warum schon wieder sie das Opfer ist. Es ist die dritte schwere Verletzung in vier Jahren, die zweite am rechten Knie, das sie sich 2015 im Oktober bei einem Sturz nahezu komplett zerstört hatte, als Innenband, Kreuzband, Meniskus und Patellasehne gerissen waren. Gefolgt von der Operation ihrer chronisch Probleme machenden Patellasehne am linken Knie. Jedes Mal kämpfte sich Veith bisher zurück, jedes Mal fand sie die Motivation, es wieder ganz nach oben zu schaffen. Ob sie es nun auch wieder durchziehen kann und will, bleibt (noch) offen.
Denkzettel: Man könnte verstehen, wenn es Anna reicht
Auch ÖSV-Damenchef Jürgen Kriechbaum kann ob der Verletzungen nur den Kopf schütteln. „Das macht natürlich schon sehr nachdenklich. Die vielen Verletzungen trüben die Laune deutlich“, meinte der Tiroler zur APA. Und natürlich sei klar, dass bei Verletzungen nach „Bagatell-Stürzen“ Diskussionen aufkämen, ob das Material zu ändern ist, weil offenbar immer öfter der Mensch das schwache Glied in der Kette ist. „Aber der Skiradius ist nur ein Teil, man muss ich auch die Kraftübertragung und den Dämpfungsmechanismus ansehen“, sagte Kriechbaum.
Faktum bleibt, dass der Skirennsport zu den gefährlichsten Sportarten zählt. Und dass sich die Sportlerinnen selbst nicht mit den möglichen Folgen befassen sollten: „Sonst bremst du runter.“ Das Bremsen, das war nie die Sache von Anna Veith, die sich immer als große Kämpferin erwies. Auch diesmal?