So eindrucksvoll seine Erfolgsbilanz ist – mit 86 Weltcupsiegen liegt er noch immer deutlich vor Marcel Hirscher –, so wortkarg war der Schwede zeit seiner 16-jährigen Karriere im Skiweltcup: Ingemar Stenmark (61) galt als der große Schweiger unter den Skihelden der 1970er- und 80er-Jahre. Er ließ lieber seine Taten sprechen: zwei Mal Olympiagold, fünf Weltmeistertitel, drei Mal Gesamtweltcupsieger, 155 Podestplätze – davon 14 Riesentorlaufsiege en suite.
Seit seinem Rückzug aus dem Skizirkus ist es noch ruhiger um Stenmark geworden. Am Rande der Outdoormesse ISPO in München gab sich die ansonsten einsilbige „Legende aus Tärnaby“ im Kleine-Zeitung-Gespräch für ihre Verhältnisse dagegen fast redselig.
Marcel Hirscher oder Henrik Kristoffersen: Wer ist Ihr Favorit für den Olympiasieg im Slalom?
Marcel Hirscher. Er ist unglaublich nervenstark. Das hat er bei der Weltmeisterschaft in Schladming bewiesen. Österreich hatte damals noch der große Erfolg gefehlt – und Marcel startete damals als Führender im zweiten Durchgang. Der Druck war enorm. Aber er hat das souverän gemeistert.
Und im Riesentorlauf?
Auch Hirscher.
Wird er Ihren Rekord an Weltcupsiegen einmal brechen?
Ich glaube schon.
Ums schwedische Team ist es eher ruhig geworden. Warum?
Andre Myhrer gehört für mich schon zu den Medaillenkandidaten im Slalom, aber sonst gehen bei uns die Jungen lieber freeriden oder zum Slopestyle. Oder langlaufen.
Was halten Sie von der Regeländerung im Riesentorlauf: dass man nämlich wieder auf tailliertere Ski und damit kürzere Radien zurückgegangen ist? Es bedeutet ja auch wieder mehr Druck auf zum Beispiel die Knie.
Ja, das schon. Aber wenn man längere Radien fährt, werden die Distanzen zwischen den Toren länger und damit die Geschwindigkeit höher. Das ist auch nicht ungefährlicher.
Die Weltcupfahrer und vor allem Hirscher können heute vor jedem Rennen auf ein ganzes Arsenal an Ski zurückgreifen. Wie war das zu Ihrer Zeit?
Ich hatte vier Paar Ski pro Saison.
Und Disziplin.
Nein. Es waren zwei Paar für den Slalom und zwei für den Riesentorlauf. Ersatz gab es nur, wenn eines kaputtgegangen ist.
Ist der Materialfetischismus heute nicht ein bisschen übertrieben?
Zumindest macht er es für den Athleten nicht einfacher. Weil wenn ich mich vor jedem Rennen entscheiden muss, welcher Ski für welche Verhältnisse passt, erzeugt das auch Druck.
Wie oft gehen Sie eigentlich noch Ski fahren?
Drei bis vier Wochen pro Jahr.
Nicht mehr?
Nein. Und meistens dann, wenn meine Tochter Ferien hat.
Klaus Höfler