Die vor sieben Jahren verstorbene Skilegende Toni Sailer wurde im Jahr 1974 im März in Zakopane in Polen vor einem Weltcup-Rennen festgenommen. Es stand der Verdacht einer Vergewaltigung im Raum.
Ein Akt des Justizministeriums zeigt erstmals, wie die Regierung Kreisky intervenierte, um den Volkshelden zu rehabilitieren. Eine Rechercheplattform von "Der Standard", "Ö1" und "Dossier" hat den Akt nun durchforstet. Der Justizakt zeigt die Korrespondenz mit der Botschaft und dem Außenministerium über die heikle Angelegenheit.
Ausgelöst wurde die Recherche durch die aktuelle Debatte über Missbrauch im Sport - nicht zuletzt durch den Fall Nicola Werdenigg. Sie hat ihre Vergewaltigung durch einen ÖSV-Kollegen im Standard öffentlich gemacht.
Der Vorwurf: "Notzucht"
Wie "Der Standard" in seinem Dossier schreibt, lässt der Justizakt ahnen, was sich damals in Zakopane abgespielt hat und wie sich die Regierung Österreichs, die Diplomatie und auch die Medien bemühten, den Volkshelden reinzuwaschen.
Der Zeitzeuge Janusz Szymonski war Polizist in Zakopane und hatte Dienst, als Sailer festgenommen wurde. Er sagte aus: "Eine Prostituierte beschuldigte ihn, sie vergewaltigt zu haben. Sailer wurde nur kurz angehalten und wieder freigelassen." Die Regierung hatte interveniert, die Kautions-Forderung wurde von 15.000 auf 5.000 US-Dollar gesenkt und Toni Sailer bekam seinen Pass wieder und konnte am 7. März Polen verlassen.
Danach wurde die Justiz in Polen und in Österrech tätig. Toni Sailer wies die Vorwürfe stets zurück und behauptete, ihm sei damals im Hotel Sport eine Falle gestellt worden - darauf finden sich im Akt keine Hinweise. Jedoch wurde von der Regierung Kreiskys interveniert: Im Dezember 1974 schreibt die Botschaft, die Staatsanwaltschaft der Wojwodschaft habe das Verfahren "aus Rücksicht auf Mangel an gesellschaftlichem Interesse" eingestellt. Der Kunstgriff war, den Vorwurf von "Notzucht" (§ 168) auf "Körperverletzung" (§ 156) herunterzustufen. Außerdem brachte die Polin nie Privatklage ein - sie konnte zu dem Fall nicht befragt werden, es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie bereits verstorben ist. Dadurch kam es zu keiner Strafverfolgung - weder in Polen, noch in Österreich.
Fall in den Medien
Im März 1975 berichtet der Journalist Bernd Dörler im Magazin Stern von einer "Vergewaltigung" und Sailers Rettung durch Österreichs Regierung. Die Recherche hatte keine Auswirkungen.
Mit seinen drei Olympischen Goldmedaillen und sieben Weltmeistertiteln zählt Toni Sailer zu den erfolgreichsten Skirennläufern. Von 1972 bis 1976 wirkte Sailer als Cheftrainer und technischer Direktor des ÖSV, 1999 wurde Sailer als Österreichs Sportler des Jahrhunderts ausgezeichnet.