Landung bei 23 Grad in Denver, ein paar Stunden Schlaf und dann hellwach auf die Skipiste. Was sich in Vail derzeit rund um Marcel Hirschers Training abspielt, ist nicht weit weg von Formel-1-Testfahrten. Ein halbes Dutzend rot gekleideter Servicemänner kümmert sich um den Salzburger, der wegen seiner Knöchelverletzung und den neuen Riesentorlauf-Ski enormen Aufholbedarf hat.

"Man sagt ja, Skifahren ist die Formel 1 des Winters", fand Hirscher den Vergleich mit der Motorsport-Königsklasse durchaus passend. Nach einem Testlauf (Installationsrunde) auf dem Riesentorlauf-Hang kehrt der Serien-Weltcupsieger zurück an die "Box", wo gut acht Paar Ski und auch einige Skischuhe zum Wechseln auf ihn warten. Nach jeweils kurzen Beratungen mit der Servicecrew und Coaches schnallt Hirscher wieder an, fährt mit dem Sessellift zum Start und absolviert einen weiteren Run. Insgesamt kommt er so im Schnitt auf sechs bis sieben Läufe pro Trainings-Einheit.

"Man nähert sich schrittweise", erklärt Atomic-Rennsportchef Christian Höflehner das Prinzip der Testläufe. "Zuerst testet man die Ski. Wenn man da einen Schritt weiter gekommen ist, wechselt man den Schuh", so Höflehner. Hirscher hat dabei Riesenglück, denn sein Servicemann Thomas hat viel Kraft. "Er spannt mir den Schuh weit auf und schwuppdiwupp, bin ich wieder drin", beschreibt Hirscher den Moment, wenn er mit seinem verletzten Fuß in die Hartplastikschale schlüpfen muss.

Viel Zeit verloren

Der aktuelle Slalom- und Riesentorlauf-Weltmeister aus Annaberg hat wegen seiner Mitte August erlittenen Knöchelverletzung viel Training und vor allem Testmöglichkeit verloren. Und das vor einem Winter, in dem im RTL mit neuem Radius gefahren wird. Der Knöchel ist mittlerweile heil und schmerzt auch nicht mehr. Jetzt geht es für den Perfektionisten Hirscher darum, die beste Abstimmung zwischen den neuen Ski, dem Schuh und dem Läufer herauszutüfteln. "Im Moment sind wir noch bei den Hardware-Einstellungen. Das Feintuning folgt hoffentlich bald", machte Hirscher klar, dass speziell im Riesentorlauf viel Arbeit auf ihn wartet.

"Marcel muss in wenigen Tagen oder Wochen aufholen, was die anderen seit dem Weltcupfinale im März am Herausfinden sind", erklärt Höflehner das Problem. Dass Hirscher Anfangs in Colorado zweieinhalb Sekunden Rückstand auf die Bestzeit seines Teamkollegen, Vizeweltmeister Roland Leitinger hatte, war sowohl dem Trainingsrückstand als auch dem Jetlag sowie dem amerikanischen Schnee geschuldet.

"Normalerweise sind zwei Sekunden eine Tragödie", sagte Hirscher. Ihm sei aber bewusst, dass es dafür Gründe gebe. "Trotzdem ist das natürlich ernüchternd. Aber, no na net, wo soll man auch stehen, wenn man noch keine zehn Riesentorlauf-Trainingstage hat?" Diese zwei Sekunden heiße es nun im Laufe der nächsten Wochen und Monate zu dezimieren, betont der Salzburger. Wenn möglich, im Formel-1-Tempo und damit so viel wie möglich davon schon bis zum Sonntag.

Ein frühes Aus?

Denn sonst droht dem Weltmeister im nahen Beaver Creek sogar das Out im ersten Lauf. In der 2.500 m hoch liegenden Luxus-Skistation findet zum Abschluss der üblichen drei Herren-Weltcuprennen auf der "Raubvogelpiste" ein Riesentorlauf statt. Hirscher hat diesen vor zwei Jahren ebenso gewonnen wie sensationell mit dem Super-G auch sein erstes Speedrennen.

Den Plan, diesmal am Freitag trotz des Trainingsrückstandes auch schon im Super-G zu starten - da ist der Salzburger wegen der Absage im Vorjahr quasi "Titelverteidiger" - , hat Österreichs vierfacher Sportler des Jahres wieder aufgegeben. "Keine Chance, es ist sauviel Material zu testen. Zu viel Arbeit steht auf dem Plan", erklärte er. Hirscher ist bewusst: "Bis ich wieder ganz vorne mitfahren kann, wird es mit Sicherheit noch einige Zeit dauern."