Dass Lindsey Vonn nach 21 Monaten wieder bei einem Riesentorlauf antritt, ist eine der Überraschungen des Söldener Weltcup-Auftakts 2017/18 in Tirol. Die so oft verletzt gewesene Amerikanerin ist aktuell gut genug in Schuss, um ihre Olympia-Vorbereitung schon früher als geplant zu beginnen. Denn die beste Abfahrerin der Ski-Geschichte geht in Südkorea auch im Riesentorlauf auf eine Medaille los.

"Es war für mich selbst ein bisschen eine Überraschung", sagte Vonn über ihren unerwartet frühen Auftritt in diesem Winter. Nach ihrem Überraschungssieg am Rettenbachferner 2011 hat die Amerikanerin in den vergangenen fünf Jahren Sölden stets ausgelassen und seit Jahren verletzungsbedingt eigentlich nur noch Speedrennen und Kombis im Visier gehabt.

Es sei auch diesmal nicht geplant gewesen, in Sölden zu starten, bestätigte Vonn, dass der Riesentorlauf in ihrer Rennplanung eigentlich kein Thema mehr war. "Meine Coaches haben mir aber erklärt, dass diesmal in Sölden so viele Verletzte fehlen, dass das eine Super-Chance ist, Punkte zu holen", erklärte die 33-Jährige, warum sie sich nach der Entscheidung vergangenen Samstag schon am nächsten Tag in den Flieger gesetzt hatte, um doch nach Sölden zu kommen.

Trotz ihres Trainingsrückstandes - "Ich habe nur zwei Tage geübt" - ist Ausnahmerennfahrerin Vonn überzeugt, am Samstag schnell sein zu können. "Dass ich hier schon gewonnen habe, gibt sicher mehr Selbstvertrauen als normal. Umgekehrt ist das Gefühl, in einer Disziplin so wenig trainiert zu haben, schon ein bisschen neu für mich", gestand Vonn. "In Abfahrt und Super-G hatte ich die beste Vorbereitung seit langem. Aber im Riesentorlauf gilt das natürlich nicht so."

Sie werde deshalb am Gletscher nichts Besonderes riskieren. "Ich will zwei solide Läufe fahren, punkten und damit den ersten Schritt zu einer besseren Startnummer im Riesentorlauf machen. Denn mit Nummer 31 bin ich bei Olympia chancenlos. Mein Ziel ist aber, mich auf Olympia so perfekt wie nur möglich vorzubereiten."

Es wäre nicht Vonn, würde sie sich am Samstag nicht trotzdem eine gute Platzierung ausrechnen. "Ich hoffe auf ein Top-Ten-Ergebnis, vielleicht sogar Top Fünf", gab sie sich unbescheiden. "Ein Podest wird sich aber eher nicht ausgehen", glaubt die Siegerin von 77 Weltcuprennen, davon vier im Riesentorlauf. "Es kann natürlich sein, dass ich schneller aber auch langsamer bin, als ich denke. Auf jeden Fall ist es schön, in Sölden wieder dabei zu sein."

Dass ihr Plan, 2018 in Lake Louise mit einer Ausnahmeregelung einmalig an der Herrenabfahrt teilzunehmen, fast durchwegs auf Ablehnung stößt, kann Vonn nicht nachvollziehen. "Das ist ganz sicher kein Medientheater von mir. Das brauche ich nicht, davon habe ich wirklich genug", beteuerte sie in Tirol.

Vonn betrachtet ihr Ansinnen vielmehr sogar als "Kompliment". "Die Männer sind das nächste Niveau. Dort will ich fahren. Ich mache ganz sicher keine Show. Wenn ich das wollte, würde ich eine Exhibition machen. Ich denke, sie verstehen einfach nicht, worum es mir geht."

Zumindest einige Norweger stehen dem Vorhaben aber doch positiv gegenüber. "Aksel Lund Svindal und Kjetil Jansrud finden die Idee super", erzählte Vonn und Svindal bestätigte das prompt. "Ich bin da ganz relaxt. Von mir aus kann sie gerne in Lake Louise mitfahren", sagte der Norweger.

Svindal weiß auch schon, welches das beste Format wäre. "Wenn sie mit Nummer 31 startet, dann haben die Fernsehzuschauer etwas länger als normal etwas davon, das wäre ein Vorteil für den Sport."

Man müsse bei dem Thema einfach positiv denken, so Svindal. "Es wäre für den Sport etwas, das weltweit jede Frau und jeder Mann verstehen kann: Eine Frau, die gegen Männer fährt. Man muss es nicht jeder Frau erlauben, aber wenn man sieht, was sie gewonnen hat, mit dieser Karriere kann man schon eine Ausnahme machen. Richtig gemacht, wäre es für den Sport gut."