Was haben Tina Maze, Anna Veith und Lara Gut-Behrami gemeinsam? Richtig: Siege im Gesamtweltcup, Olympia-Goldene und viele Erfolge. Zusammen haben sie fünf Gesamt- und 86 Einzelsiege im Weltcup. Und damit noch immer 13 weniger als die alles überstrahlende Lichtgestalt des alpinen Skisports: Mikaela Shiffrin. Die aber ist trotz dieser Alleinstellung nach wie vor bescheiden. Vor ihrem 100. Weltcupsieg, den die 29-Jährige ausgerechnet dieses Wochenende beim Technik-Doppel in Killington in ihrer Heimat feiern könnte, gibt sich die US-Amerikanerin gewohnt bescheiden. „Es ist natürlich nicht unmöglich. Wenn es passiert, ist es wunderbar. Aber ich versuche es so gut wie möglich zu ignorieren.“

Nicht der einzige Meilenstein, der in Vermont fallen könnte. Fährt Shiffrin am Wochenende auf das Podest, würde sie die Bestmarke von Ingemar Stenmark von 155 Podiumsplatzierungen einstellen. Bisher hat sie für ihre 154 Top-Drei-Plätze 273 Weltcup-Starts benötigt – in mehr als jedem zweiten Rennen stand die Verlobte von Aleksander Aamodt Kilde also auf dem Stockerl. Zahlen und Rekorde, die für die fünffache Gesamtweltcupsiegerin aber nur eine untergeordnete Rolle spielen, wie sie vor dem Auftakt erklärte. „Mein Ziel, oder besser gesagt mein Antrieb, war es, neben dem Gesamtweltcup auch genauso weiterzumachen, wie ich bin und hart an mir zu arbeiten.“

Mentale Herausforderungen

Arbeiten musste Shiffrin in den vergangenen Saisonen oftmals mehr als gewohnt, die Konkurrenz, allen voran Petra Vlhova und Lara Gut-Behrami schenkten ihr nichts. Deshalb sind die jüngsten Erfolge umso erstaunlicher. Nach völlig verpatzten Winterspielen in Peking 2022, wo sie als große Favoritin in den Technik-Bewerben ohne Medaille blieb, kämpfte sie sich zurück, holte am Ende der Saison ihre vierte große Kristallkugel. Nicht nur sportlich, sondern auch mental eine Monsterleistung. „Mental fokussiere ich mich mittlerweile auf mich und meine Standards. Was kann ich leisten? Wie will ich mich auf der Strecke fühlen? Wenn ich bei mir bleibe, kann ich es genießen und fühle mich wohl“, erklärte sie zu Beginn der aktuellen Saison.

Bisher schreibt die US-Amerikanerin in diesem Winter auch munter weiter an ihrer Erfolgsgeschichte – und das trotz eines schwerwiegenden Sturzes in Cortina im Jänner, der sie etwas zurückwarf. Halbzeitführung in Sölden und Slalomsiege in Gurgl und Levi beweisen einmal mehr die Übermacht Shiffrins, der 100er ist nur noch eine Frage der Zeit. Der ideale Zeitpunkt wäre jedenfalls in der US-amerikanischen Heimat. Während sie im Riesentorlauf nicht die ganz große Favoritin ist, führt im Slalom am Sonntag wohl kein Weg an ihr vorbei.

Shiffrin auch „uncool“

Nur einer Handvoll Athletinnen ist es zuzutrauen, die „100er-Party“ zu crashen. Neben der Deutschen Lena Dürr oder Eidgenossin Wendy Holdener befindet sich mit Katharina Liensberger auch eine Österreicherin im erlesenen Kreis der größten Shiffrin-Jägerinnen. Beim Auftakt in Levi fehlten der Vorarlbergerin „nur“ 0,79 Sekunden auf die Siegerin, in Gurgl lag sie auf Platz sieben etwas mehr als eine Sekunde zurück. Vor Shiffrins Leistungen könne man nur den Hut ziehen, meint Liensberger: „Einfach exzellent, wie sie es schafft, es bei jedem Rennen auf den Punkt zu bringen. Größten Respekt und schön, dass wir mit ihr auf einem hohen Level fahren können.“ ÖSV- und Namenskollegin Katharina Truppe ist nicht nur voll des Lobes – mit einem Zwinkern versteht sich. „Sie ist eine Macht. Es ist cool, aber auch uncool mit ihr zu fahren, weil sie die ganze Zeit gewinnt.“