In Zeiten, in denen die „Wildcard“ des Internationalen Skiverbandes ehemaligen Größen des Skisports die Chance gibt, eine Abkürzung zurück auf die Weltcuppisten zu nehmen, wird jedes sportliche Skifahren mit anderen Augen gesehen. Kein Wunder, wenn man an Marcel Hirscher und dessen Rückkehr oder auch an Lindsey Vonn und ihr geplantes Comeback auf die Abfahrtspisten denkt. Logisch, dass auch die Neugier groß war, als Marlies und Benjamin Raich auf ihren Social-Media-Kanälen wieder in voller Ausrüstung am Start eines ausgeflaggten Slalomkurses standen. Verbunden mit der Hoffnung, dass das Erfolgspaar, das zusammen 69 Weltcupsiege eingefahren hat, die Rückkehr in den Weltcup auch noch einmal juckt.

Doch dazu wird es nicht kommen. Des Rätsels Lösung: Marlies und Benjamin Raich haben die Zusammenarbeit mit ihrem langjährigen Partner beendet, jene mit dem neuen – der BTV, der Bank für Tirol und Vorarlberg – beginnt nicht zuletzt dank der theoretischen Möglichkeit eines Comebacks also mit einem Paukenschlag. Und passend zu den beiden Slaloms in Gurgl, unweit der Heimat der Familie Raich im Pitztal entfernt. Die einstigen „Slalom-Regenten“ nutzten die Chance, um sich tatsächlich wieder auf eine Slalompiste zu begeben. „Und das war bei Marlies seit zehn Jahren und bei mir nach neun Jahren das erste Mal wieder der Fall“, sagt Raich, „und da kann ich sagen: Da ist man nach wie vor nervös.“

Beide Raichs mussten sich für diese Aktion zunächst wieder die gesamte Ausrüstung beschaffen: Schützer, Rennski, echte Slalom-Helme .... um dann im Pitztal wieder zwischen Tore zu gehen. „An sich haben wir damit gerechnet, dass es mit vier, fünf Fahrten erledigt ist, aber letztlich sind es an die 15 Läufe geworden“, sagt Raich der das Weltcup-Comeback aber ausschließt: „Ich war überrascht, wie gut es funktioniert hat. Aber wir sind da von Weltcup-Pisten weit entfernt. Ich bin 46, dazu müsste ich jünger sein und auch voll im Saft, wie Marcel Hirscher. So viel kann ich sagen: Man spürt das schon am nächsten Tag, wenn man wieder zwischen Toren Slalom gefahren ist.“ Sein Fazit: „Marlies und ich sind schon noch fit, aber nicht weltcup-fit. Dort haben wir nichts mehr verloren.“

Was beide ungern tun: Zu sagen, wer denn bei dem Parallelrennen schneller war. „Marlies war wirklich gut“, streute Benni seiner Frau Blumen. Die aber lacht nur: „Wir sind ja parallel gefahren. Auch wenn er danach gesagt hat, dass mein Lauf schneller gesteckt war.“ Auch für sie war vor dem ersten Start der Pulsschlag erhöht: „Freilich hat man Respekt, aus meiner aktiven Zeit weiß ich auch noch, dass die ersten Slalomtage oft die schwierigsten waren. Aber es ist erstaunlich gut gegangen.“ Ob sie es wirklich nicht mehr reizt, zurückzukehren? „Wenn ich richtig informiert bin, gilt die Wildcard nur für Rückkehrwillige, die innerhalb von zehn Jahren nach Karriereende zurückkehren. Das ist bei mir schon vorbei. Wobei: Eventuell bekäme ich ja eine Ausnahmegenehmigung“, lacht Raich. Doch ernsthaft plant die dreifache Mutter keine Rückkehr.

Vielmehr fragen sich beide, wohin die Reise bei Marcel Hirscher und Lindsey Vonn noch geht. „Bei Marcel hat man gesehen, dass ihm in Levi Fehler passiert sind und er weit zurück war. Es ist also alles andere als leicht. Aber so, wie ich ihn kenne, wird er weiterarbeiten und besser werden“, sagt Marlies Raich. Und Lindsey Vonn? „Es ist bei ihr sicher auch ein Thema, was passiert, wenn sie stürzen würde.“ Grundsätzlich aber ist sie Fan dieser Möglichkeit: „Auch bei mir war es so, dass ich nach einer Saison oft sehr ausgelaugt war. Man erholt sich zwar über den Sommer, aber eventuell wäre es gut, wirklich einmal ein Jahr zu pausieren. So kann man sich gezielt auf ein Großereignis vorbereiten. Und nicht vergessen: Jeder schaut derzeit hin, das ist gut für den Sport. Die Frage ist nur, ob es noch so gut wäre, wenn lauter 40-Jährige fahren.“

Und auch Ehemann Benjamin ist bei Vonn nicht nur voll Begeisterung: „Sie ist auch schon 40, fährt mit einem künstlichen Knie und hat immer schon volles Risiko genommen. Rennfahren mit 40 ist eine andere Nummer. Auch, wenn ich denke, dass es in der Abfahrt fast leichter sein wird, zurückzukommen, als im Slalom: Ich weiß nicht, ob ich zuschauen will, wenn sie zu viel Risiko nimmt und stürzt.“ Für ihn selbst und seine Frau ist das Risiko des Rennfahrens jedenfalls zu groß. Aber beide planen, künftig wieder öfter zwischen Slalomtoren zu fahren.