Es war auf gut tirolerisch ein „Traumtagerl“. Der Himmel über den Ötztaler Alpen strahlte, 17.200 Fans verliehen dem „Gletscherstadion“ nahezu Fußball-Charakter. Der Weltcup hat offenbar doch Saison. Schon am Tag zuvor, als Österreichs Skiverband mit den Tourismusverbänden aus Salzburg und Tirol eine gemeinsame „Basis“ bei der Ski-WM in Saalbach 2025 proklamiert hatte, hatten diese in Einigkeit einmal mehr die Wichtigkeit dieser Veranstaltung herausgehoben. Sölden sei nicht nur der Startschuss für den Weltcup, sondern für den Winter. Und die Bilder, die hier in die Welt gehen, machen Lust auf mehr.

Hirscher: „Besser hier, als auf der Couch“

Die Welt war an diesem Sonntag ein Stück größer, die Zuschauer ein wenig anders. Brasilianische Fahnen hier, niederländische Flaggen dort, mitunter auch Teenie-Gekreische, das an den Auftritt von Boy Bands erinnerte: Die norwegische Bubenbande, die an diesem Tag das Tempo bestimmte, zieht ebenso wie Lucas Pinheiro Braathen, der Brasilien auf die Ski-Landkarte hob. Auch die Rückkehr von Marcel Hirscher nach fünfeinhalb Jahren begeisterte – er fuhr mit Platz 23 solide in die Punkte und brachte sofort wieder den alten Zauber mit, schulterte die Last der Erwartungen mühelos. „Besser hier zu sein, als auf der Couch“, schmunzelte er. „Es war der erste Tag auf der großen Bühne, es ist so viel geredet, kritisiert, hochgelobt worden ... Ich würde sagen, wir haben uns in der Mitte getroffen. Ich habe viel Freude, da sein zu dürfen, weil es um nichts geht.“

Ganz so stimmt das natürlich nicht: Für Hirscher wird es immer darum gehen, schnell zu sein. „Aber wenn es nicht geklappt hätte, wäre ich auch happy gewesen. Wäre ich sechs Sekunden hinten gewesen, hätte man vielleicht sagen müssen, ich bin zu alt.“ Noch ist er es nicht, mit 35 Jahren. Und der Auftakt machte Lust auf mehr: „Ich habe das Gefühl, der Hype um meine Person ist nicht mehr so groß. Ich sage eh nichts, es wird nur viel geschrieben.“ Er wird noch einige Rennen fahren, solange er diesen Spaß verspürt, den man ihm aktuell auch ansieht. Und solange er das Gefühl hat, den Spagat zwischen den vielen Rollen, die er einnimmt, zu meistern.

Lachte vor lauter Freude: Marcel Hirscher
Lachte vor lauter Freude: Marcel Hirscher © APA/Expa/Johann Groder

Auch wenn sein Auftauchen „einige irritierte, andere erfreute. Und manch Junge haben bei der Besichtigung mit mir ein Foto gemacht, um mich dann zu biegen.“ Ganz so stimmt das nicht, denn: Im zweiten Lauf spuckte die Zeitenliste Hirscher schon wieder auf Rang drei aus. Und, wie er selbst sagte: „Es kommen noch einige Rennen.“ Nur wann und wo die kommen, ließ er offen. „Levi? Weiß ich nicht. Aber bitte, es soll nicht so ein Thema werden wie hier. Ich werde es rechtzeitig mitteilen.“

Bei Lucas Pinheiro Braathen besteht kein Zweifel an Levi. Der 24-Jährige schrammte als Vierter nur ganz knapp am Podest vorbei, aber auch so war „sein“ Start in seine neue Welt nicht nur für ihn magisch: „Ich habe das gespürt, ich habe alles gegeben und ich war noch nie so mit dem Schnee verbunden“, meinte er emotional, „ich hoffe, ich kann so eine Inspiration sein.“ Für die Fans war er es ebenso wie Hirscher. Der Ski-Winter ist eröffnet – und er verspricht, unterhaltsam zu werden.

Lucas Pinheiro Braathen gratuliert dem Norweger Atle Lie McGrath
Lucas Pinheiro Braathen gratuliert dem Norweger Atle Lie McGrath © AP / Alessandro Trovati