Der erste Weltcup-Podestplatz der Karriere kann ungewöhnliche Probleme bereiten – das musste Julia Scheib nach ihrem sensationellen dritten Platz im Riesentorlauf von Sölden am eigenen Leib erfahren. Während sie die Trophäe in den Tiroler Himmel hievte, kam ihr kurzerhand ein „die ist ja schwer“ aus, um kurz danach mit der Sektflasche im Rahmen der Siegerehrung zu kämpfen. „Da merkt man einfach, dass ich kaum Alkohol trinke“, sagte die Steirerin zu der schwer zu öffnenden Flasche.
Schließlich gelang es mit etwas Hilfe aber doch. „Ich habe zu Federica (Brignone, Anm.) gesagt, sie muss mir helfen, weil es meine Premiere ist. Jetzt weiß ich aber zum Glück, wie es geht, denn ich hoffe schon, dass ich das noch ein paar Mal machen muss.“ Party steht bei der sympathischen 26-Jährigen aus Frauental, die dem ÖSV den ersten Riesentorlauf-Podestplatz seit Dezember 2019 bescherte, aber so gut wie nie auf dem Programm. „Ich genieße solche Momente mit meiner Familie, der enge Kern ist hier, und werde in Sölden bleiben. Vielleicht gehen wir gemeinsam essen und etwas trinken.“
Ihr Talent hat Scheib trotz zahlreicher Rückschläge und Verletzungen schon oft unter Beweis gestellt, für das Podest reichte es bisher aber noch nie. Auch auf dem Rettenbachferner sah es nach dem ersten Durchgang nicht danach aus. Kurz nach dem Start visierte die Weststeirerin im Flachstück das falsche Tor an und verlor nicht nur den Faden, sondern auch wichtige Zehntelsekunden. Ihr Feuerwerk im zweiten Lauf hatte dann neben ihrer unglaublichen Willensstärke und Angriffslust auch mit zwei steirischen Helfern zu tun.
Mit Hütter und Perner auf Platz drei
Zum einen wäre da Speed-Ass Conny Hütter, die sich Scheib noch in der Pause zur Seite nahm. „Ich habe ihr gesagt: ‚Julie, fahr einfach normal und zeig‘ was du kannst, dann geht das schon. Deshalb freut es mich extrem, dass es sich ausgegangen ist“, erklärte Hütter die Situation. Die beiden sind auch abseits der Strecke befreundet, sagt Hütter: „Als ich verletzt war, haben wir ein halbes Jahr miteinander trainiert und waren unterwegs, da sie damals das Pfeiffersche Drüsenfieber hatte.“ Hütters Worte nahm sich Scheib also zu Herzen: „Conny ist danach auch zu mir gekommen und hat sich richtig gefreut, das war schön“, sagte Scheib.
Neben dem weiß-grünen Speed-Ass hat auch ihr steirischer Coach mit dem ersten Podestplatz zu tun. Generell harmoniere das Duo Christian Perner und Scheib gut, in Sölden auch im Serviceraum. „Er hat mich an der Hand genommen und wir haben beide einmal einen richtigen Schrei losgelassen, das hat geholfen“, schilderte Scheib die kurze „Schreitherapie“ nach dem verpatzten ersten Durchgang. „Die Security-Leute wussten gar nicht, was da jetzt passiert“, scherzte Perner. Ob dies als Dauerlösung taugt? „Hoffentlich nicht, in Zukunft soll der erste Durchgang nicht so sein wie heute. Ich habe es das erste Mal probiert, es hat aber offenbar geholfen.“ Wie viel der Erfolg für das in der Vergangenheit oft gescholtene Riesentorlauf-Team bedeutet, zeigte sich an der Reaktion von Neo-Trainer Perner. „Harte Arbeit zahlt sich eben aus, da kommt noch mehr“, sagte der steirische Coach mit gebrochener Stimme und ein paar Tränen in den Augen.