In der Vorsaison schien nach dem Auftakt in Gurgl alles fast wie von allein zu gehen. Manuel Feller, wenige Kilometer von Sölden entfernt für manche noch Überraschungssieger im ersten Slalom der Saison, fuhr die beste Saison seiner Laufbahn. Vier Siege, sieben Podestplätze und vor allem die kleine Disziplinen-Weltcupkugel im Slalom standen am Ende zu Buche. Und selbst im Riesentorlauf, wo der Fieberbrunner nach wie vor durch seine körperlichen Einschränkungen, gehandicapt ist, war er als Weltcup-Neunter nach dem Ausfall von Marco Schwarz der beste Österreicher im Weltcup.
Der Riesentorlauf blieb trotz guter Ansätze auch im Vorjahr die technische Achillesferse der Österreicher. Und Feller, in den vergangenen Jahren schon mit Marco Schwarz noch die beste „Bank“, hat den Riesentorlauf noch nicht abgeschrieben. „Stehenbleiben darfst du ohnehin nie, du musst dich immer weiterentwickeln. Vor allem im Riesentorlauf war ich sehr abhängig von den Bedingungen“, erklärt er. Sprich: Sein Rücken, der speziell bei den riesigen Kräften in der Ski-Kerndisziplin oftmals nach Schonung schreit, erlaubte es kaum, während der Saison intensiv am Material zu tüfteln. Der Grundschwung war schnell, passte das Paket zum Untergrund war es auch Feller in den Rennen.
In dieser Saison passte zumindest die Vorbereitung. „Unsere drei Wochen in Chile waren perfekt, wir mussten uns zu Beginn sogar zügeln. Die Höhenlage dort fordert, dass du dich zurücknimmst. Aber die Bedingungen waren perfekt“, erklärte er. Zurück in der Heimat plagte ihn zwar lange eine Verkühlung („Aber die Corona- und Influenza-Tests waren immer negativ, vielleicht liegt es an den Kindern, die gerade in den Kindergarten kommen, da schnappst du immer etwas auf“), abseits dessen war aber auch die anschließende Konditions- und Regenerationsphase und selbst das abschließende Training auf den heuer wieder perfekten heimischen Gletschern programmgemäß.
Und die härtesten Wochen des Jahres hat er nun auch hinter sich, die ersten Oktober-Wochen heißen gerade für die Besten: Ein Termin jagt den nächsten. Dabei hat der zweifache Vater und seit diesem Sommer auch verlobte Tiroler heuer einen kleinen Vorteil: Sein Schritt, sich seine „Löwenmähne“ nach dem Weltcup-Gesamtsieg in Saalbach schneiden zu lassen, bewirkte nahezu Anonymität: „Mit den kurzen Haaren haben mich bei weitem nicht so viele erkannt“, meinte er lachend.
Auf den Pisten ist das naturgemäß anders. Da hofft Feller, dank seines kongenialen Servicemanns Richard Weißenbacher nun in Riesentorlauf und Slalom für alle Eventualitäten aufgestellt zu sein. „Dabei hätte ich im Slalom vergangene Saison in jedem Rennen gewinnen können, wenn es ums Material geht. Nur in Kitzbühel haben wir uns leider vergriffen“, sagt er seufzend. Just in dem Rennen, das ihm mehr bedeutet als jedes andere. Heuer kommt ein weiteres dazu. Die Heim-WM in Saalbach-Hinterglemm, nur einen Gipfel von seiner Heimat entfernt. Feller weiß, dass laut Papierform ein Gutteil des Drucks auf Österreich auch auf seinen Schultern lasten wird. „Aber Erfolg macht süchtig. Ich fahre zu einem Großereignis, um Edelmetall mit nach Hause zu nehmen. In diesem Fall soll es daheim bleiben.“
Den Rummel, der um ihn und das Team herrschen wird, ist ihm bewusst. „Aber bitte: Was ist das für ein Privileg, in einem Nationalsport daheim eine WM bestreiten zu dürfen? In Rennen, bei denen eine ganze Nation zuschaut. Das hat keiner außer uns. In den USA ist es auch eine WM. aber trotzdem nicht dasselbe. Daher ist Druck auch, keine Frage - aber zugleich ist es auch eine große Ehre.“
Bewusst ist Feller auch, dass sein „Lieblingsthema“ heuer allumfassend ist: Marcel Hirscher. Einst musste er als Aktiver sehr viel über den Salzburger reden, nach dessen Rücktritt die (noch) fehlenden Erfolge erklären, jetzt ist er wieder in aller Munde. „Aber damit habe ich mich arrangiert. Mir ist klar: Er kommt nicht zurück, um mitzufahren. Ich habe keine Sportart erlebt, die ich mit ihm gemacht habe, wo er nicht gewinnen wollte.“ Doch hat Feller in der Zwischenzeit so viel Selbstvertrauen, dass auch Hirscher „nur“ ein Gegner von vielen ist - und er selbst in diesem Fall der, den es zu schlagen gilt. „Ich fühle mich trotzdem nicht als Gejagter. Es war weiß Gott genug Arbeit vergangenes Jahr, gefühlt ist da gar nichts von allein gegangen. Und am Ende war auch Krampf dabei, weil die Kugel greifbar war. Aber ich habe es durchgezogen.“
Noch nicht klar ist, ob auch Hirscher durchzieht: Noch hat der 35-Jährige offiziell nicht entschieden, ob er am Wochenende dabei sein wird. Der niederländische Verband, der auf seiner Website bereits „Historisches“ kundgetan hatte, war noch am Dienstag zurückgerudert. Hirscher, so hört man aus seinem Umfeld, will eventuell gar erst am Freitag entscheiden, ob er sich nun wirklich bereit fühlt für die Rückkehr. Der Nachfrage nach den Rennen in Sölden scheint das alles nicht zu schaden. „Wir haben bis Mittwoch um 30 Prozent mehr Karten verkauft als im Vorjahr“, sagt ÖSV-Generalsekretär Christian Scherer, „dabei momentan sogar noch mehr Karten für die Damen. Und auch der TV-Deal mit Brasilien ist abgeschlossen, das gibt ein Land mehr, das die Bilder aus Sölden überträgt.“