„Ich verstehe, dass diese Frage so häufig gestellt wird“, meint Julia Scheib, angesprochen auf die Durststrecke der österreichischen Riesentorläuferinnen im Weltcup. Seit 7. März 2016, als Eva-Maria Brem in Jasna gewann, wartet die ÖSV-Equipe auf einen Sieg in der prestigeträchtigen Disziplin. „Es stört mich nicht, wenn dieses Thema immer wieder aufkommt. Wir wollen das ändern und arbeiten Tag für Tag daran. Leider kann man nicht zaubern, aber ich bin zuversichtlich, dass sich das heuer ändert“, sagt Scheib, die nicht nur mit dieser Aussage beweist, dass Tiefstapeln nicht ihre Paradedisziplin ist. „Heuer soll es für mich im Riesentorlauf konstant in die Top fünf gehen, dann bin ich zufrieden. Auch wenn die Konkurrenz stark ist, wäre ich mit anderen Ergebnissen nicht mehr zufrieden.“

Dieser Mut tut dem rot-weiß-roten Team gut und spricht auch für die Philosophie von Neo-Trainer Christian Perner. „Meine Devise ist: Der Zweite ist der erste Verlierer. Ich weiß, das klingt überheblich, aber unser langfristiges Ziel muss es sein, wieder Siegläuferinnen hervorzubringen“, sagte der neue WC3-Coach bei seiner Bestellung im Frühjahr. Die ersten Eindrücke vom neuen Coach seien jedenfalls „sehr, sehr gut“, wie die 26-Jährige erklärt. „Es ist sicher nicht schlecht, dass er davor mit den Männern zusammengearbeitet hat. Somit bringt er ein paar neue Sachen mit und hat schon viel gesehen.“

Scheib will ganz nach vorne

Viel gesehen und erlebt hat auch Scheib in den vergangenen Jahren. Zahlreiche Verletzungen, teilweise mit schwerwiegenden Folgen, machten ihr zu schaffen – körperlich wie mental. „Du brauchst einfach Geduld, wenn du einmal so schwere Verletzungen gehabt hast. Je mehr Zeit vergeht, desto mehr Aha-Momente kommen aber, die dir Schritt für Schritt das Vertrauen zurückbringen.“ Mittlerweile stimmt das Vertrauen in den eigenen Körper wieder voll und ganz. Zum ersten Mal seit langer Zeit absolvierte die Weststeirerin im vergangenen Winter eine komplette Saison ohne Wehwehchen. Auch in der diesjährigen Vorbereitung blieb sie von Verletzungen verschont. „Es ist sehr angenehm, wenn du keine Rücksicht nehmen musst und einfach an deinem Skifahren arbeiten kannst. Schon die Vorsaison war diesbezüglich super und ich klopfe auf Holz, dass es so weitergeht.“

Im abgelaufenen Weltcup-Winter etablierte sich Scheib als stärkste ÖSV-Riesentorläuferin in der Weltspitze, begeisterte teilweise mit ihrem draufgängerischen Stil. Deshalb hat sie kaum etwas an ihrem Set-up verändert. In der Vorwoche standen einige Trainingstage auf dem Rennhang in Sölden an, ehe es zum Durchschnaufen für ein paar Tage in die weststeirische Heimat ging. Bisher hatte Scheib auf dem Rettenbachferner wenig Glück, schied bei zwei Antritten genauso oft aus. „Ich muss heuer aber erneut ein gewisses Risiko suchen, um schnell zu sein. Wenn ich alles abrufe, was ich im Kopf habe, schaut es gut aus.“ Im Kopf spielt die nahende Ski-Weltmeisterschaft im eigenen Land noch keine Rolle. Für Scheib ist nur klar: „Ich will nicht als Außenseiterin zur WM fahren, sondern mit starken Ergebnissen im Gepäck.“