Man muss es so offen sagen: Diese Ski-Saison stand unter keinem guten Stern; sie begann schon mit einer Absage. Das erste Rennen der Herren, traditionell auf dem Gletscher in Sölden, musste abgesagt werden. Und das, nachdem es noch vor dem Auftakt wilde Diskussionen gegeben hatte, ob man denn überhaupt noch auf einem Gletscher skifahren darf und wenn schon, ob man dem Gletscher dann nachhelfen darf, für die Weltelite parat zu stehen. Diese Diskussion, die am Sonntag noch durch das erstmalige Auftreten der „Klimakleber“ befeuert wurde, war zwar nicht neu, doch in dieser Intensität wurde – und wird – sie noch nie geführt. Zumal auch das Weltcup-Finale in Saalbach-Hinterglemm, konzipiert als glorreiche Generalprobe für die Weltmeisterschaften im eigenen Land 2025, zumindest optisch nicht werbewirksam sein dürfte: Ein letztes, weißes Schneeband ins Tal zwischen bereits grünen Wiesen. Mit ihrem unermüdlichen Einsatz haben sich die Hinterglemmer in Sachen Pistenkunde aber erneut einen Namen gemacht, die Piste war trotz heftiger Regenfälle mehr als Weltcup-tauglich.
Es bleibt aber dennoch eine Weltcup-Saison, die von Absagen geprägt war und eventuell an diesem Wochenende auch noch ist. Doch auch abseits des durchwachsenen Rennprogramms agiert der alpine Ski-Weltcup scheinbar im Dauerkrisenmodus. Der war und ist durchaus in Zusammenhang mit dem Präsidenten des internationalen Skiverbandes, Johan Eliasch, zu sehen. Der bestand und besteht auf „seinen“ Weltcup-Kalender, den Herren-Renndirektor Markus Waldner in Saalbach selbst so umschrieb: „Man muss sagen, dass der Kalender überladen war, von Anfang an. 13 Abfahrten und 13 Slaloms, ein Wahnsinn“, meinte er. Letztlich wurden es „dank“ des Wetters eine passable Anzahl, aber alles andere als gleich verteilt. Die Abfahrer etwa konnten nach der (erwartbaren) Absage des zweiten Versuchs, vom Matterhorn nach Italien zu düsen und der (nicht erwarteten) in Beaver Creek erst Mitte Dezember in Gröden starten. Die Saison endete – das Finale ausgeklammert – Mitte Februar in Kvitfjell. Kein Wunder, dass Vincent Kriechmayr trotz des klimatischen Warmwetters dafür plädiert, den Start in Sölden zu belassen: „Als Skifahrer ist die Saison eh schon kurz, im Grund Oktober bis März. Sieben Monate trainieren, fünf Monate dauert dann die Saison. Das gibt es in fast keiner anderen Sportart.“
Verletzungsteufel schlug zu
So spät die Saison begann, so früh schockten schwere Verletzungen der Stars, begonnen mit Marco Schwarz, fortgesetzt über Mikaela Shiffrin und ihrem Freund Aleksander Aamodt Kilde, Alexis Pinturault, Sofia Goggia und – leider – vielen anderen. So wurde der Gesamtweltcup bei Damen wie Herren nahezu zum Alleingang für die Schweiz, „Lichtgestalt“ Marco Odermatt dominierte wie kaum ein anderer zuvor, nur die hohe Zahl der Absagen verhinderte einen Punkterekord für die Ewigkeit, die Zahl an Siegen aber reichte für die Geschichtsbücher; trotz des Ausfalls im allerletzten Riesentorlauf, der eine neue Serie verhinderte. Bei den Damen setzte sich Lara Gut-Behrami acht Jahre nach ihrem ersten Erfolg ein weiteres Mal die Krone auf. Und die Tessinerin, lange Zeit als „schwierig“ im Umgang mit Medien und Öffentlichkeit geltend, beeindruckte in Saalbach durch ihre reflektierte Sicht auf die (Ski-)Welt und vor allem sich selbst und ihren Reifeprozess.
In Österreich fehlt diese Lichtgestalt derzeit; da tröstet selbst die überraschend konstante, ja eigentlich überragende Saison von Manuel Feller im Slalom nicht hinweg, der damit auch die einzige Kristallkugel für Österreich einfuhr. Vier Saisonsiege, inklusive des Dreifachsieges zum Auftakt beim „neuen“ Heim-Slalom in Gurgl trösteten auch darüber hinweg, dass er bei den Klassikern in Schladming und Kitzbühel nach zwei Siegen in Adelboden und Wengen nicht gewinnen konnte. Was aber die Schlagzeilen beherrschte war die „Speed-Krise“; nach dem Abgang von Matthias Mayer sowie einigen Verletzungen scheint derzeit nur Kriechmayr in der Lage zu sein, um Siege mitzufahren. Doch auch der Doppelweltmeister von 2021 rutschte Mitte der Saison in ein kleines Tief; selbst seine Siege in Gröden und Kvitfjell sowie die Tatsache, dass er im Super-G bis zuletzt wenigstens mathematisch eine Chance auf Kristall hatte, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass es Nachholbedarf gibt.
Bescheidenes Jahr
In der Eigenanalyse war der 32-Jährige gewohnt streng. „Bescheiden“ sei das Jahr gewesen, die Ziele wurden nicht erreicht. „Und dass nur vier Abfahrer am Start standen bei einem Rennen, das ist schon traurig für Österreich“, weiß er zwei Jahre, nachdem „wir noch sechs in den Top 15 waren“. Und doch: In der Abfahrt rückt nun die Generation näher, die man schon verloren glaubte. Den Anschluss hat man noch nicht gefunden.
Die Ursache: Vermeintliche Versäumnisse in der Nachwuchsarbeit des erfolgreichsten Sportverbandes der Welt. Der Skisport spürt die Alternativen für die Jugend, er spürt die hohe Verletzungsgefahr, die die Drop-out-Rate in die Höhe schnellen lässt. Kaum ein Junger kommt gewissermaßen unverbraucht und unbeschädigt nach oben. Die Zeit, sich auszukurieren und die Grundlagen zu festigen, fehlt. Die Lösungen, den Skisport sicherer zu machen, aber ebenso. Was Abhilfe schaffen soll? Nicht zuletzt eine neue Verbandsstruktur. Eine, mit der sich Präsidentin Roswitha Stadlober gewissermaßen auf die Rolle der Repräsentantin zurückgestuft hat, die Entscheidungsgewalt liegt künftig bei Christian Scherer (Wirtschaft) und dem als neuen Sportdirektor engagierten Mario Stecher. Der ist zwar Olympiasieger, kommt aber aus dem nordischen Lager.
Das wiederum lässt zumindest bei den Alpinen nicht nur Zuneigung erwarten. Dass die Präsidentin aber in einem Interview erklärte, dass Stecher dank seiner Ehe mit Ex-Weltcupfahrerin Carina Raich, Schwester von Olympiasieger Benjamin und damit auch Schwager von Marlies Raich (Schild) selbst auf viel Expertise im Alpinen zurückgreifen könne, befeuert wiederum die Gerüchte, dass Raich selbst das lang ersehnte Comeback im Skizirkus geben könnte: als Vizepräsident von Stadlober etwa. Denn, so brodelt es in der Gerüchteküche: Patrick Ortlieb, derzeit Finanzreferent und auch für die Alpinen zuständig, soll sich auch aufgrund seiner Nähe zu Eliasch nicht überall Freunde gemacht haben und darob nicht zu einem der Vizepräsidenten werden. Variante zwei: Raich übernimmt gleich ganz von Stadlober.
Trainer als Lichtblick
Zumindest in einer Hinsicht aber hat man offenbar ins Schwarze getroffen: Die Cheftrainer Marko Pfeifer (Herren) und Roland Assinger (Damen) erwiesen sich als kompetent und in der Lage, den Abwärtstrend zu stoppen. Bestes Zeichen: Auch wenn im Nationencup gegen die Schweiz kein Kraut gewachsen war, sind die Damen vor den letzten beiden Speedrennen in der Mannschaftswertung in Führung gegangen. Ein Erfolg fürs Prestige, der zwar der Einzelnen am Außenski vorbeigehen wird, dem Team und dessen Betreuern aber Berge verleiht.
Apropos Berge: Die Hoffnung, dass der Österreichische Skiverband bzw. „Ski Austria“ mit der WM im eigenen Land den eigenen Slogan „#skiverrückt“ auch wieder in die Breite tragen kann, sind intakt. Zwar mag die „Durchimpfungsrate“ in puncto Ski-Virus nicht mehr gegeben sein, doch bewegt Skirennsport hierzulande nach wie vor, wie allein die Zuschauerzahlen beim Finale in Woche eins belegten, ebenso die Rekordzahlen in Kitzbühel oder Schladming. Selbst nach einer Krisensaison ist der Weltcup nicht am Ende; wenn er sich nicht selbst im Weg steht.