In diesem Jahr fand Vincent Kriechmayr erst beim vorletzten Speed-Halt im Weltcup den Flow wieder und heimste in Kvitfjell einen Super-G-Sieg und den zweiten Platz in der Abfahrt ein. „Ich war so verbissen in der Saison“, sagte der 32-Jährige. „Ich war oft zu aggressiv, und es ist einfach nichts schön von der Hand gegangen.“ Erfolg habe ein nach den Garmisch-Rennen geänderter Zugang gebracht, verriet Kriechmayr.

Bei den zwei Super-G in Bayern hatten immerhin ein fünfter und ein vierter Platz herausgeschaut. Für Kriechmayrs Ansprüche war das nicht gut genug. Davor hatte es vor allem in der Abfahrt nicht geklappt. Besser als Fünfter war er in diesem Winter nie gewesen. „Wenn man das ganze Jahr trainiert und dann um eine Kugel mitkämpfen will und dann fährt man so eine Saison, dann ist das natürlich enttäuschend“, erklärte er. „Wenn ich dann nicht grantig oder angefressen wäre, dann hätte ich, glaube ich, die falsche Einstellung.“

Mindset geändert

Während der längeren Wettkampfpause – die Abfahrten in Chamonix wurden abgesagt – habe er sich im Kopf eine andere Devise zurechtgelegt. „Stell‘ dich an den Start und versuch‘, bedingungslos zu attackieren. Die Konsequenzen sind dann nicht so entscheidend“, habe er zu sich selbst gesagt. „Das ganze Jahr hinterhergefahren, da hab ich es halt ein bisschen anders versuchen müssen vom Mindset.“

Nach Kvitfjell hält der Oberösterreicher nun bei zwei Saisonsiegen im Super-G und hat bei 81 Punkten Rückstand noch die hauchzarte Chance, Marco Odermatt die fast schon sichere kleine Kugel abzunehmen. Dem Schweizer reicht beim Finale in Saalbach allerdings bereits ein 13. Platz, Kriechmayr muss gewinnen. „Die Kugel ist nur theoretisch. Aber in Wirklichkeit ist keine Chance mehr da“, hielt er fest. „Dafür habe ich bei anderen Rennen einfach zu viel liegengelassen.“

„Angefressen auf mich selbst“

In der Abfahrt sind Odermatt und der französische Kitzbühel-Dominator Cyprien Sarrazin noch weiter voraus und matchen sich alleine um die Kugel. „Natürlich sind sie herausragend gefahren, aber vor allem in meinem Fall bin ich doch sehr lange meiner Form hinterhergefahren. Ob ich sie schlagen hätte können? Schwierig zu sagen. Bei manchen Rennen sicher nicht“, sagte Kriechmayr. Er sei jedenfalls bei den Leistungen des Duos nicht eingeschüchtert gewesen, „eher angefressen auf mich selber, was ich da gezeigt habe“.

Nun könne er wieder voll ans Limit gehen. „Es ist ganz einfach: Wenn ich mich wohlfühle am Ski, dann kann ich auch riskieren, weil dann weiß ich, ich habe alles im Griff. Aber wenn ich mich nicht wohlfühle und meine Technik gerade nicht funktioniert oder die Abstimmung, wenn ich mir da schwer tue, dann ist es nicht so einfach, voll am Limit zu sein“, erklärte er. „Weil dann komme ich in einen Bereich, wo es gefährlich wird. Ich bin 32 Jahre alt, ich brauche mich jetzt nicht mehr ins Krankenhaus hauen.“

WM auch schon im Visier

In den viereinhalb Wochen bis zum ersten Training in Saalbach-Hinterglemm („Die Kalenderplanung ist wirklich sehr bescheiden“) werde er viel trainieren, neues Material testen und tüfteln, um in der Abfahrt die Lücke zu schließen. „Wir werden wahrscheinlich die Möglichkeit haben, dass wir in Saalbach trainieren, schon in Hinblick auf die WM“, sagte Kriechmayr. Gelänge ihm beim Finale der ersehnte Sieg in der Abfahrt, könnte er auch in der Königsdisziplin ein Hakerl unter die Saison machen.