So richtig ruhig und gelassen war keiner im Zielraum von Gröden. Dass Vincent Kriechmayr aber gegen Ende des Rennens schon bibberte, hatte nur bedingt damit zu tun, dass er noch um seinen Sieg zittern musste, auch wenn Cameron Alexander mit Nummer 63 ihm noch bis auf 28/100 nahekam. Das lag am kalten Zielraum der Saslong. Letztlich wurde es den Österreichern aber doch warm ums Herz: Denn nach dem, abgesehen vom sechsten Platz von Stefan Babinsky, Debakel in der Abfahrt gab es die beste Antwort, die es geben kann: Kriechmayr feierte seinen 17. Sieg im Weltcup, nur 0,02 Sekunden vor seinem Teamkollegen Daniel Hemetsberger, der seinerseits Gesamtweltcup-Sieger Marco Odermatt um eine weitere Hundertstelsekunde auf Platz drei verwies.
Es war ein historische Doppelsieg, denn noch nie zuvor waren zwei Oberösterreicher ganz vorne. „Auch, wenn wir Flachländer sind: Wir haben in jungen Jahren super Trainer gehabt und eine super Unterstützung bekommen. Das bedeutet mir schon was“, meinte der 32-Jährige. Und dass er seinem Freund Hemetsberger den ersten Weltcupsieg entriss, nahmen beide mit Humor: „Ich hätte es ihm vergönnt, auch wenn ich mir den Sieg auch vergönne. Und er ist, obwohl er mein Alter hat, ja erst jung an der Weltspitze nach den vielen Verletzungen. Aber er hat so großes Potenzial, die Siege werden bei ihm auch noch purzeln.“
Kriechmayr legte sich aber fest: Seine Leistung war diesmal ein wenig von der Wut im Bauch angetrieben. „Heute habe ich 100 Prozent gegeben, viel schneller schaffe ich es da runter wirklich nicht. Aber in der ersten Abfahrt habe ich mich angeschwitzt“, meinte der 32-Jährige mit einem erleichterten Lächeln im Gesicht. In der Abfahrt hatte er zwar einen Plan, verfolgte diesen aber zu krampfhaft. „Und manchmal musst du speziell hier auch instinktiv fahren, nicht so auf die Linie achten. Und ich hab einfach versucht, voll zu riskieren.“ Das war auch notwendig, denn der wenig anspruchsvoll gesetzte Super-G (Kriechmayr: „Der einfachste, den ich je gefahren bin“) bot wenig Chancen, sich vom Feld abzusetzen.
„Schaflose Nacht? Nicht in Gröden, da gab es viele Debakel“
Die Stimmung am Abend davor war im Team aber nur kurz gedrückt: „Es war eher Galgenhumor“, meinte Kriechmayr, „wir haben das ganz gut weggesteckt. Wegen so etwas habe ich keine schlaflosen Nächte mehr hier, dazu war ich schon bei zu vielen Debakeln auf der Saslong dabei oder bin selbst zu schlecht hier gefahren“, meinte er.
Hemetsberger nahm es gelassen. „Auch wenn ich Vinc im Ziel zugerufen habe, was er für ein Hundling ist“, sagte er lachend und ergänzte: „Bei meinem ersten zweiten Platz fehlten sieben Hundertstel zum Sieg, heute zwei. Es wird enger.“ Er selbst habe aus der schlechten Abfahrt die richtigen Lehren gezogen: „Dazu ist es glatter geworden, wir haben die ältesten Paar Ski ausgegraben, die wir hatten. Das war eine gute Entscheidung“, sagte er. Der Rest? Volles Risiko – aber nicht wie Kriechmayr mit Wut im Bauch: „Ich komme hier mit Wut nicht weit, hier brauchst du Gefühl. Was mir entgegenkam, war aber sicher, dass es ein eher gerades Rennen war.“ Gerade wird auch die „klassische“ Abfahrt von Gröden am Samstag, da kommen gleich 40 Sekunden dazu. Aber Sekunden, die dem oberösterreichischen Duo nicht liegen. Kriechmayr: „Das Selbstvertrauen ist aber wieder da. Und auch, wenn die letzten Jahre nicht für uns sprechen: Aufgeben tun wir einen Brief ...“
Ploier kam bei schwerem Sturz glimpflich davon
Und dann gab es noch eine gute Nachricht für einen Oberösterreicher: Andreas Ploier war mit guter Zeit bei der Ciaslat-Ausfahrt eingefädelt. Die Wucht des Sturzes brach den Ski, der 26-Jährige blieb reglos liegen. Aber es gab bald erste Entwarnung: Offenbar waren keine Gliedmaßen verletzt, nur der Schock war enorm, hieß es.