Die „Face de Bellevarde“ ist wahrlich wie eine Wand. Ist sie für den Weltcup präpariert, fordert schon das Bewältigen der Piste ohne Tore durchaus. Der Riesentorlauf, der den Herren am Samstag vorgesetzt wurde, tat das auch mit den besten Skifahrern der Welt: Sie waren gefordert, und wie. „Ja“, schnaufte auch Marco Odermatt, „das war wohl das schwierigste Rennen, das ich hier je gefahren bin.“ Er tat es aber besser als alle anderen, holte sich seinen bereits 25. Sieg im Weltcup – und begab sich damit auf die Spuren von Marcel Hirscher. Denn die jüngsten 18 Rennen in dieser Disziplin in Serie beendete der Schweizer auf dem Podest. Das war vor ihm eben nur Hirscher (mit genau 18) und dem großen Ingemar Stenmark gelungen. Der schaffte das aber gleich 27 Mal.
Odermatt schaffte diesen Sieg mit Fehlern, er dominierte. Und wie: „Es ist vielleicht eine meiner Stärken, dass ich nach Fehlern schnell wieder in die Spur komme. Man kann es vielleicht so formulieren: Ich bremse erst nach Fehlern, aber nie davor. Aber ich wusste, dass ich voll attackieren muss.“ Das bewies er eindrucksvoll. Und doch geht in der Schweiz schon die Angst um, dass es für Odermatt in dieser Saison im Gesamtweltcup eng werden könnte. Der Grund: Marco Schwarz. Der Kärntner, der beim abgebrochenen Rennen in Sölden geführt hatte, bewies mit Platz zwei im vielleicht schwierigsten Rennen der Saison seine ausgezeichnete Form – und hat heute noch den Slalom in Val d‘Isère (9.30/12.30 Uhr); wenn das Wetter mitspielt, denn auch in Frankreich droht starker Wind.
Schwarz führt
Im zweiten Lauf startete auch Schwarz nicht besonders. „Ich wollte ihn runterdrücken, habe dann aber gemerkt, dass ich unten Gas geben muss. Da habe ich dann voll riskiert, das hat sich ausgezahlt“, meinte der neue Führende im Gesamtweltcup, der aber auch weiß, wer im Riesentorlauf die Standards setzt: Odermatt. „Auf einem so schweren Hang spielt er seine Technik aus. Wenn er den Schwung über den Innenski so kurz macht, nimmt er uns einfach Zeit ab.“ Und auch, wenn Odermatt Fehler macht: Bei diesem Rennen blieb keiner fehlerfrei. So wie Stefan Brennsteiner, der den zweiten Lauf sogar verpasste. Oder auch Henrik Kristoffersen, der im zweiten Lauf von Platz zwei zurückfiel.
Manuel Feller hatte seinen Schnitzer schon im ersten Lauf eingebaut, machte im zweiten Lauf ein paar Plätze gut. „Das war Schadensbegrenzung“, erklärte er. Heute wartet der Slalom; den ersten der Saison hat der Tiroler ja gewonnen. „Aber das sind zwei völlig unterschiedliche Disziplinen.“ Erfreulich: Der 22-jährige Weltcup-Debütant Noel Zwischenbrugger aus Vorarlberg fuhr mit Nummer 57 auf Platz 13. Nur als Ersatzmann in den Kader gerutscht, nutzte er die Chance – und wie: Im zweiten Lauf fuhr er Bestzeit. Was für ihn den Unterschied ausmacht: „Hier gibt es wirklich keine Flachstücke, im Gegensatz zu anderen Rennen“, strahlte er.
Geschichte geschrieben
Und dann schrieb einer Geschichte: Der Andorraner Joan Verdu kam erstmals aufs Podest. „Der Lohn harter Arbeit. Ich hatte als Kind keine Vorbilder, es war schwierig daran zu glauben, dass so etwas möglich ist, wenn man aus so einem kleinen Land kommt. Ich hoffe, dass diese Leistung alle jungen Sportler in meinem Land inspiriert“, sagte der 28-Jährige, dessen bisher beste Platzierung ein zwölfter Platz gewesen war. „Es ist verrückt, ich kann das gerade kaum glauben. Ich habe einfach alles riskiert!“