Im alpinen Skisport geht es um Kleinigkeiten, Details und Hundertstelsekunden, die über Erfolg oder Misserfolg entscheiden, für Jubelsprünge oder Frustration sorgen. Katharina Liensberger musste dies in der Vorsaison auf die wohl intensivste Art und Weise lernen, wurde in kürzester Zeit vom gefeierten Superstar zum Gesicht der Krise im Technik-Team der ÖSV-Frauen. Bei der alpinen Ski-WM 2021 krönte sich die Vorarlbergerin zur Doppelweltmeisterin, fuhr ein Jahr darauf im olympischen Slalom die Silbermedaille ein. Ein neuer Star am österreichischen Ski-Himmel war geboren, Top-Platzierungen im Weltcup inklusive. Die kleine Kristallkugel für viele nur mehr eine Frage der Zeit.
Zeit, die Folge aber vermehrt von Rückschlägen und weniger von Erfolgen geprägt war. Die Zusammenarbeit mit Star-Trainer Livio Magoni endete nach Misserfolgen und internen Problemen frühzeitig, bei der Weltmeisterschaft in Courchevel/Meribel kam die 26-jährige Doppelweltmeisterin von 2021 im Slalom und Riesentorlauf nicht über die Plätze 20 bzw. 24 hinaus. Eine herausfordernde Zeit, nicht nur auf der Piste. „Ich habe aber zumindest daraus lernen können, dass das damals nicht mein Weg war. Natürlich habe ich alles versucht und war voll dahinter, aber es hat sich gezeigt, dass ist nicht meine Art“, sagt sie zur damaligen Zeit mit Magoni als Coach, um gleich anzufügen: „Jetzt heißt es zurückkommen zu mir und meinem Skifahren, Schritt für Schritt in die richtige Richtung zu gehen und das fühlt sich sehr gut an.“
Richtige Balance
Die Schritte setzt Liensberger in dieser Saison unter der Leitung des neuen Frauen-Cheftrainers Roland Assinger, der die Vorarlbergerin wieder voll im Technik-Team einbaut. Für sie selbst keine große Veränderung. „Ich war auch unter Livo genauso im Team. Wenn ich einmal nicht mit der Gruppe trainiert habe, war das seine Entscheidung.“ Für Liensberger geht es deshalb um die perfekte Balance aus Teamgefüge und individueller Betreuung. „Jeder soll das bekommen, was er persönlich braucht und da sind wir auf einem guten Weg. Das fordert das Betreuerteam natürlich heraus, aber sie geben wirklich ihr bestes.“
Apropos Betreuerteam. Dieses umfasst im kommenden Winter zum Überraschen vieler nicht mehr Herlinde, die Mama der Technik-Spezialistin. Im Sommer kündigte Liensberger an, dass ihre Mutter nur noch als Fan an den Weltcup-Strecken aktiv sein werde. Als Grund nannte sie unter anderem den Druck, der ihre Familie immer wieder belastete, da viele im ÖSV über den großen Einfluss von Mama Liensberger klagten. Auch der mediale Druck sei irgendwann zu groß gewesen. „Leider stand da oft etwas, das ich so nie gesagt habe. Darüber war ich natürlich nicht glücklich“, sagt die Vorarlbergerin und beließ es dabei. Sie wolle die Vergangenheit eben „Vergangenheit sein lassen“ und nach vorne blicken.
Lob von Shiffrin
Herausforderungen gibt es in naher Zukunft ohnehin genug, weiß das ÖSV-Ass selbst. Aufgrund der durchwachsenen Leistungen in der Vorsaison flog Liensberger aus der Spitzengruppe, muss sich nun also mühsam an die Spitze zurück kämpfen. In der Weltcup-Startliste ist sie im Riesentorlauf auf Platz 20 abgerutscht, im Slalom sogar auf Platz 21.. „Ich weiß, dass es keine leichte Ausgangslage für mich ist, vor allem die Startnummern werden schwierig.“ Grund für Pessimismus sei dies aber keiner, wie die überzeugte Optimistin erklärt. Auch im Vorjahr lächelte sie trotz schwieriger Umstände immer in die Kamera, weil „ich einfach glücklich bin beim Skifahren.“ Zum Glück soll sich in diesem Winter auch wieder der Erfolg gesellen - und die Vorarlbergerin weiß auch schon wie. „Ich muss zu meiner Grundtechnik zurückfinden und mich dort weiterentwickeln, damit ich so schnell wie möglich wieder mein Skifahren zeigen kann.“
Wie schnell dieses Skifahren sein kann, weiß auch Superstar Mikaela Shiffrin, die ihre Konkurrentin in den höchsten Tönen lobt. „Sie ist wirklich eine unglaubliche Athletin, ihr Schwung ist einer der schönsten im Weltcup“, meinte die US-Amerikanerin und ist auch überzeugt, dass Liensberger in dieser Saison wieder ganz vorne mitfahren kann. „Ich zweifle nicht daran, dass sie voll zurückkommen wird.“