„Der Abschied von Rafael Nadal ist viel wichtiger, als den Davis Cup zu gewinnen.“ So sprach Carlos Alcaraz, der für viele als Nachfolger des „Matadors aus Manacor“ steht. Sein und das Idol einer ganzen Tennis-Generation hat für sein „Adiós“ mit dem Finalturnier des Mannschaftsbewerbs, den er fünfmal gewinnen konnte, in Malaga eine würdige Bühne gewählt. So dürfte dem 22-fachen Grand-Slam-Triumphator, der insgesamt 209 Wochen lang den Tennis-Thron innehatte, unter dem Applaus des Heimpublikums der emotionale Gang in die Tennispension womöglich etwas leichter fallen.
2001 tauchte Nadal im professionellen Tennis-Zirkus auf – zu einer Zeit, als sogar noch die Legenden Pete Sampras und Andre Agassi mit dem Schläger zu Werke gingen. Drei Jahre später schlug der Spanier mit seinem bis dahin nicht gekannten, brachialen Topspin-Spiel („Roger Federer spielt wie ein Pianist, Rafael Nadal wie ein Schlagzeuger“, urteilte einst Tennis-Manager Ion Tiriac) mit seinem ersten Turniersieg in Sopot endgültig in der Szene ein. 91 weitere sollten folgen. Seinen letzten feierte er am 5. Juni 2022 – wie sollte es anders sein – ausgerechnet in seinem Pariser Wohnzimmer, wo er mit 14 Titeln ein Tennis-Märchen für die Ewigkeit schrieb.
Neben Roger Federer und Novak Djokovic prägte kein Spieler den Tennissport der letzten 20 Jahre so wie „Rafa“. Ein Erfolgsweg, den beeindruckende Zahlen pflasterten: Betrug sein erstes Preisgeld 107 Euro (Madrid 2001), so hält der zweifache Weltsportler des Jahres (2011, 2021) mittlerweile bei 134.960.100 Dollar. 2005 feierte er mit elf Turniersiegen (darunter der erste French-Open-Triumph) seine erfolgreichste Saison, seine Gesamtbilanz auf der ATP-Tour lautet 1080:277-Siege, wobei 4009 Assen 2168 Doppelfehler gegenüberstehen. Nadal ist zudem der einzige Spieler, der alle Grand Slams sowie Olympia-Gold im Einzel und im Doppel erobern konnte. Trotz all dieser Bravourstücke gibt es tatsächlich zwei Spieler, gegen die Nadal (der Asteroid 128036 Rafaelnadal trägt seinen Namen) nie gewonnen hat: Alex Corretja und Dustin Brown (jeweils 0:2-Bilanz).
Nadal, der das Kraftleiberl im Herren-Tennis salonfähig gemacht hat, wird aber auch als Spieler mit den wohl meisten Verwarnungen wegen Zeitüberschreitungen in Erinnerung bleiben. Das Herumgezupfe an Hose, T-Shirt und Haaren vor jedem Ballwechsel benötigte seine Zeit und zog so manchem Gegner den Nerv. Nadal betrat auch nie als Erster den Platz, überschritt beim Weg zur Bank bewusst alle Linien und richtete seine Trinkflaschen exakt aus. Eine psychische Störung? Nein, in jungen Jahren angeeignete Rituale, die dem Spanier Sicherheit gaben und ihm in seiner Konzentration halfen.
Im Spätherbst seiner Laufbahn spielte der jahrelang geschundene Körper des Ehrendoktors der Universität der Balearen nur noch phasenweise mit, für so manche hätte Nadal den perfekten Abgang längst verpasst. Ein solcher wäre 2022 nach seinem 14. Triumph in Roland Garros gewesen. Doch leichter gesagt, als getan – vor allem, wenn man so eine emotionale Bindung zum Sport und den Fans hat wie der iberische Superstar. Tennis war in seinem bisherigen Leben seine Identität. Aber wer ist Rafael Nadal abseits des Platzes? Eine Frage, die einem Sportler Angst machen kann.
Nicht aber Nadal. „Ich könnte noch ein Jahr weiterspielen. Aber warum? Um mich bei jedem einzelnen Turnier zu verabschieden? Ich habe nicht das Ego, das das brauchen würde“, stellte der Tennis-Gigant in Malaga klar. Und wer Nadal kennt, weiß, dass eine solche Abschiedstour für ihn nur dann infrage käme, wenn er noch konstant sein gesamtes Repertoire auf Wettkampfniveau abrufen könnte. Doch das spiele es eben nicht mehr. Und: „Ich habe keine Angst vor einem neuen Kapitel, ich war auch ohne Tennis immer glücklich.“ Trotzdem, dem Tennis wird er fehlen.