Roger Federer verkörperte pure Tennis-Ästhetik und war der Sir auf jedem Center Court. Der ab 19. November beim Davis-Cup-Finale in Malaga „Adios“ sagende Rafael Nadal stand und steht für Leidenschaft und brachialen Kampf. Und die unüberwindbare Wand Novak Djokovic platzierte seinen Namen mit dem Attribut der schieren Unbezwingbarkeit in jedem Sport-Almanach. Die „großen drei“, sie waren Charismatiker, die an ihrem Arbeitsplatz für sich selbst gesprochen haben.

Und heute? Der von Schwarzmalern gefürchtete Generationenwechsel ist erfolgreich vollzogen. Zieht man einen Vergleich heran, hat Jannik Sinner vom Typ her den Platz Federers eingenommen, Carlos Alcaraz jenen von Nadal – und Djokovic, der zumindest noch im kommenden Jahr aufschlagen wird, kommt wohl Holger Rune mit seiner ebenso polarisierenden Art am nächsten. Auch wenn diesem Trio noch die Strahlkraft ihrer Idole fehlt, steht es für eine gute Absicherung der Tennis-Zukunft.

Es gibt aber freilich auch Spieler, die sich über einen anderen Weg einen Namen gemacht haben. Stichwort Nick Kyrgios. Oder Benoit Paire, Corentin Moutet, Alexander Bublik – sie sind Hitzköpfe und Showspieler, die der Tour auf ihre Art eine besondere Würze verleihen und unverzichtbar sind. Nicht fehlen in dieser Namensliste sollte auch Daniil Medwedew. Der 28-jährige Russe überzeugt nicht nur mit Erfolgen (20 Titel), sondern spielt sich auch immer wieder als Enfant terrible in den Fokus.

Umso überraschender erklärte der US-Open-Sieger 2021 nun in einem Interview, „dass ich zu Beginn meiner Karriere als sehr langweilig verrufen war. Und jetzt habe ich plötzlich das Gefühl, als einer der unterhaltsamsten auf der Tour zu gelten.“ Die Art, wie er sich auf dem Tennisplatz gibt, sei aber nicht aufgesetzt, sie entspreche vielmehr seinem Naturell.

Zugleich rät Medwedew, der sich gerne mit dem Publikum anlegt und schon einmal einem Schiedsrichter Bestechlichkeit vorwarf, seinen Kollegen, sie sollten nicht glauben, auf dem Platz unterhalten zu müssen. „In unserem Sport gibt es so viele unterschiedliche Spieler mit unterschiedlichen Persönlichkeiten. Und all das trägt dazu bei, dass Tennis nach wie vor spannend ist und noch immer als globaler Sport lebt, dem die Leute gerne zuschauen.“ Und das auch ohne die großen drei.

Die werden erstmals seit 2001 bei den am Sonntag in Turin startenden ATP Finals fehlen, nachdem Titelverteidiger und Rekordsieger Djokovic (sieben Trophäen) sein Antreten abgesagt hat. Stattdessen kämpfen neben Vorjahresfinalisten und Lokalmatador Sinner, Alcaraz und Medwedew (Sieger 2020) noch Alex Zverev (Sieger 2018 und 2021), Taylor Fritz, Casper Ruud, Debütant Alex de Minaur und Andrej Rublew um die insgesamt 15,25 Millionen Dollar Preisgeld.

Kann ein Spieler sämtliche seiner Partien (drei Gruppenspiele, Halbfinale und Endspiel) gewinnen, winkt ihm ein Siegerscheck über 4,88 Millionen Dollar. 2023 holte Djokovic den Titel, kassierte aber gegen Sinner in der Gruppenphase eine Niederlage. Und heuer? Ein Tennis-Spektakel mit den besten Spielern des Jahres ist wieder vorprogrammiert – also, lasset die Spiele beginnen!