Es war keineswegs so, dass Alexander Prass 2021 zum SK Sturm kam und auf Anhieb Stammspieler war. Gerade einmal ein einziges Mal stand der heutige Teamspieler und Hoffenheim-Legionär damals in den ersten 14 Pflichtspielen in der Startelf, und das interessanterweise als Linksverteidiger. Später etablierte er sich links in der Raute. Als sich seine Chancen häuften, nutzte er sie. Soll heißen: Auch einer der Protagonisten des Doublegewinns brauchte Anlaufzeit. Doch irgendwann performte er, und wie.
In diesem Spannungsfeld zwischen Eingewöhnung und notwendiger Steigerung befinden sich derzeit einige Sturm-Kicker. Dies ist nicht ungewöhnlich. Schon in den vergangenen Jahren wusste sich Sturm für gewöhnlich im Saisonverlauf zu steigern, wenn die intensiven Anforderungen des Spielstils von Christian Ilzer im Idealfall von allen Sommerneuzugängen verinnerlicht wurden.
Chukwuani und Karic kämpfen um Einsatzzeit
In diesem Prozess befindet sich der Doublegewinner auch aktuell. Positionsabhängig variiert auch die Komplexität. Beispielsweise Prass auf der Acht zu ersetzen, ist keine leichte Aufgabe. Dies musste auch Tochi Chukwuani erkennen. Der hoch veranlagte Däne fiel zwischendurch physisch in ein Loch, soll sich jedoch im Aufwind befinden. Bisher brachte er es lediglich auf sieben Einsatzminuten in zwei Pflichtspielen, dabei gelang ihm gegen die WSG aber immerhin ein spätes Tor.
Bei vergleichsweise erfreulichen 173 Einsatzminuten hält Emir Karic, davon die meisten im Cup. In der Liga muss sich der 27-Jährige bislang hintenanstellen, kam nur auf 52 Minuten in drei Einsätzen. Das Champions-League-Gastspiel bei Stade Brest verdeutlichte, dass der frühere Deutschland-Legionär einiges zu tun hat, um sich in der Hackordnung nach oben zu arbeiten. Als der Ernstfall eintraf, und Ilzer Linksverteidiger Dimitri Lavalee anstelle des verletzten Gregory Wüthrich in die Innenverteidigung beorderte, baute der Coach lieber die Viererkette großflächig um, als mit Karic den direkten Ersatz zu bringen. Während Jusuf Gazibegovic nach links übersiedelte, kam rechts Max Johnston. Der Schotte bewies bereits über ein Jahr lang Geduld, nun könnte ihm in Sachen Einsatzzeit ein Sprung winken. Karic wiederum würde vom Kopf her wohl ein Erfolgserlebnis guttun.
Spannend zu beobachten wird, wie lange die beiden Last-Minute-Neuzugänge Malick Yalcouyé und Erencan Yardimci benötigen, um eine sportliche Bereicherung zu sein. Geht es nach dem Lob, das sich Yalcouyé von Ilzer für sein 45-minütiges Debüt gegen Brest abgeholt hat, besteht große Hoffnung. „Ich war sehr zufrieden. Er hat richtig was drauf“, erklärte der Coach. Man habe schon im Training gesehen, welches Repertoire die Brighton-Leihgabe mitbringt. Der 18-Jährige aus Mali ist nur 1,69 Meter groß. Man dürfe jedoch nicht den Fehler machen, den Mittelfeldspieler deswegen zu unterschätzen. Stürmer Yardimci wiederum kam in der Schlussphase zu seiner Premiere. Die Hoffenheim-Leihgabe arbeitet daran, sich an die Intensität des Sturm-Spiels zu gewöhnen, in der auch Offensivkräfte entsprechende Arbeit verrichten müssen. Da braucht es bekanntlich mehr als einen qualitativ hochwertigen Sprint in fünf Minuten.
Die Kaderbreite wird mehr beansprucht werden
Von den Sommer-Neuzugängen hat bislang Innenverteidiger Emanuel Aiwu einen Stammplatz erarbeitet. Lovro Zvonarek kam in jeder Partie zum Einsatz, oftmals als Joker. Auch dem Leihspieler vom FC Bayern kann man gerade in Sachen Scorer-Punkte mehr zutrauen, sobald er vollends angekommen ist.
Fest steht: Die Breite des Kaders wird in den kommenden Wochen deutlich mehr beansprucht werden als im bisherigen Saisonverlauf, der arm an englischen Wochen war. In dieser Phase wird früher oder später auch die Schonfrist für neue Kräfte vorbei sein. Denn auch das wurde in der jüngeren Vergangenheit deutlich: Spieler, denen der Knopf nicht beizeiten aufgegangen ist, hatten keine lange Zukunft.
Herzogs Ferndiagnose
Apropos Kaderbreite: Dass Ilzer beim CL-Auftakt selbige in Halbzeit zwei ausnutzte, sorgte für eine polarisierende Ferndiagnose von Andreas Herzog. Dem Sky-Experten missfiel, dass Akteure wie Otar Kiteishvili oder Mika Biereth bei der erhofften Aufholjagd ausgewechselt wurden. Auf den ersten Blick mag dieser Gedanke nachvollziehbar sein. Auf den zweiten Blick ist es allerdings so, dass Otar Kiteishvili aktuell kaum mehr als 60 bis 75 Minuten intus hat, ohne eine neue Verletzung zu riskieren, und Biereth ausgepumpt abgebaut hat. Auch um die Belastung in den kommenden Wochen gut verteilen zu können, braucht es so viele Akteure wie möglich auf möglichst hohem Niveau. Denn die Länderspielpausen sind angesichts der zahlreichen Teamspieler bei Sturm längst keine Pause im eigentlichen Wortsinn mehr.