Es war ein hochdramatisches Finale, das alles bot, was ein großes Radrennen braucht: eine Fluchtgruppe, einen Defekt beim Gesamtführenden, einen selbstlosen Teamkameraden, eine Aufholjagd und ein Happy End. Und es bot sogar ein bisschen mehr, wie einen umgestürzten Baum, was kein Radrennen dringend braucht. Doch der Reihe nach: Der Salzburger Michael Hettegger ging als Gesamtführender in das Schlussstück der Oststeirischen Radjugendtour, einem der bedeutendsten Etappenrennen Europas im Nachwuchs. Dementsprechend aggressiv wurde er von den internationalen Konkurrenten schon in den vergangenen Tagen attackiert und so verhielt es sich auch zwischen Kaindorf und Birkfeld.

Doch sorgte nicht nur das Peloton für Wirbel. Kurz nach der ersten Bergwertung brach bei dem Salzburger eine Schraube in der Kurbel, Teamkollege Raphael Künz gab ihm uneigennützig sein Rad – im Nationalteam verwenden alle Fahrer genau für solche Fälle das idente Pedalsystem. „In dieser Situation hatte ich sehr viel Glück. Und ich muss mich auch bedanken. Denn Raphael war in meiner Nähe und hat mir sein Rad zur Verfügung gestellt“, sagte der Gesamtsieger, der in der Abfahrt wieder an die Spitzengruppe heranrollte – als gelernter Mountainbiker hat er ein besonderes Geschick auf dem Rad.

Dann war nicht nur ihm das Glück abermals hold. Denn kurz hinter der Spitzengruppe krachte die Krone eines massiven Baumes auf die Straße. Der folgende Wagen und ein Motorrad mussten eine Notbremsung hinlegen. Die zwei Gruppen und das folgende Feld wurden angehalten. Der Wagen war jener mit dem Tourarzt, dem Grazer Thomas Fladischer, der auch Teamarzt der 99ers ist. „So etwas habe ich noch nie erlebt. Auf einmal ist der Baum umgefallen und einen Meter vor uns auf die Straße gekracht“, erzählt der Mediziner. Ein Mechaniker des tschechischen Teams legte kurz entschlossen selbst Hand an. Mit seinem Teamauto zog er den wohl entwurzelten Baum mit einem Abschleppseil von der Straße. Teamtrainer Thomas Binder und Mechaniker Rene Großauer – zwei Grazer – nutzten den Moment und liefen mit dem Ersatzrad des Salzburgers vom Feld aus weit nach vorn und brachten „Hetti“ die Ersatzmaschine.

Nach einer Unterbrechung von gut einer Viertelstunde ging es weiter, die Gruppen wurden von den Offiziellen mit den vorigen Abständen wieder ins Rennen geschickt. In Ratten feierte wenig später der belgische Nachwuchsmeister Jinze Joris (Acrog-Tormans) den zweiten Etappensieg. Hettegger beendete das vierte Teilstück auf Platz 13 und holte den Gesamtsieg. „Ich kann es kaum glauben. Es ging einfach wirklich alles auf, damit war die Rundfahrt perfekt für uns.“ Das grüne Oststeiermark-Trikot der Gesamtwertung, sowie das Energie-Steiermark-Trikot des besten Österreichers nimmt Hettegger mit nach Hause. „Ich werde diese Trikots in Ehren halten.“