Im Interview mit SPOX und Goal spricht der 53-Jährige über Unstimmigkeiten in der Dortmunder Führungsetage, Tacheles von Uli Hoeneß, die Folgen mangelnder Identifikation mit dem FC Bayern und erklärt, weshalb es an der Säbener Straße auch mal gekracht hat.

Außerdem verrät er, welches einstige FCB-Talent eine ähnliche Karriere wie Robert Lewandowski hätte hinlegen können, was sich am Umgang mit den Medien verändert hat und was Japan Europa voraus hat.

Herr Fink, aufgrund Ihrer Erfolge als Spieler des FC Bayern München werden Sie in erster Linie mit dem FCB in Verbindung gebracht. Sie stammen allerdings gebürtig aus Dortmund und spielten von 1983 bis 1989 für Borussia Dortmund. Wie steht es um Ihre Verbundenheit zur Stadt und zum BVB?

Thorsten Fink: Ich habe Familie in Dortmund, auch meine besten Freunde aus der Jugend leben noch dort. Die Verbundenheit zur Stadt ist dementsprechend weiterhin da. Dortmund hat seinen Reiz, auch wenn es kulturell und landschaftlich nicht mit München zu vergleichen ist. Hinzu kommt meine aktive Zeit beim BVB.

Waren Sie früher selbst oft im Stadion?

Fink: Ich war in Dortmund im Stadion, aber auch auf Schalke oder bei Bayern München. Mein Vater kommt aus Bayern, er hat mich überall mit hingenommen. Ich mochte immer Dortmund und Bayern, wegen meiner Herkunft und der meines Vaters.

Beim BVB spielten Sie nur in der Jugend und in der zweiten Mannschaft, für die Profis liefen Sie nie auf. Woran lag das?

Fink: Ich stand ein paar Mal für Pokalspiele im Kader und habe bei den Profis trainiert. Bei der zweiten Mannschaft war ich Kapitän. Damals lief in Dortmund allerdings in der Führungsetage nicht alles reibungslos und vieles war unklar. Es gab einen Trainerwechsel von Reinhard Saftig auf Horst Köppel. Der Berater von Andreas Möller war kurzzeitig plötzlich Sportdirektor, genau zu der Zeit, in der ich den Sprung in die erste Mannschaft schaffen sollte. Ich hatte zudem große Konkurrenz auf meiner Position. Es kommt ohnehin selten vor, dass junge Spieler den direkten Sprung zu den Profis schaffen und auf Anhieb spielen. Deshalb war es für mich besser, 1989 nach Wattenscheid in die zweite Liga zu wechseln, um auf mich aufmerksam zu machen. Das hat Parallelen zu meiner Trainerlaufbahn: Ich habe in der Regionalliga angefangen und habe mich stetig gesteigert.

Wie groß war die Umstellung vom BVB zu Wattenscheid?

Fink: Damals war Dortmund in puncto Infrastruktur noch nicht der Top-Klub, der er heute ist. Das Training fand im Stadion Rote Erde statt. Dementsprechend war es nicht anders als in Wattenscheid. Nur das Stadion war größer und schöner. Rot-Weiss Essen wollte mich damals ebenfalls verpflichten, stand jedoch weiter unten in der Tabelle, während Wattenscheid konstant um den Aufstieg mitspielte. Das gefiel mir besser. Und wir sind im ersten Jahr ja auch tatsächlich direkt in die Bundesliga aufgestiegen.

Wer hat Ihnen in Ihrer Anfangszeit bei Wattenscheid am meisten geholfen?

Fink: Gerd Roggensack hatte mich verpflichtet, aber er war nicht mehr da, als ich kam. Hannes Bongartz übernahm in der Folge. Unter ihm habe ich mich sehr gut entwickelt. Er war aus taktischer Sicht ein hervorragender Trainer, der auch auf junge Spieler gesetzt und mir den nötigen Schliff gegeben hat.

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1994 wechselten Sie schließlich zum Karlsruher SC, damals unter anderem dank Oliver Kahn, Mehmet Scholl oder Jens Nowotny für seine Talentschmiede bekannt. Wie kam der Transfer zustande?

Fink: Ich hatte weitere Angebote aus der Bundesliga vom 1.FC Köln, dem 1.FC Kaiserslautern und Schalke 04. Ich habe damals mit Rudi Assauer gesprochen, entschied mich aber für den KSC, da ich dort die beste Perspektive sah. Der Verein hat im Europapokal gespielt und Winfried Schäfer hat mich davon überzeugt, dass ich die Rolle von Wolfgang Rolff einnehmen kann, der nach Köln gewechselt war. Es war ein qualitativ hochwertiger Kader mit Manfred Bender, Thomas Häßler oder Michael Tarnat. Die Umstände des Wechsels waren jedoch kurios. Am letzten Spieltag der Saison 1993/94 spielten wir mit Wattenscheid gegen den KSC. Während wir bereits als Absteiger feststanden, spielte Karlsruhe noch um den Europapokaleinzug. Mein Wechsel war bereits offiziell verkündet worden und ich wurde im Vorfeld vom Trainer gefragt, ob ich spielen wolle oder nicht. Ich wollte und habe ein sehr gutes Spiel gemacht, das wir mit 5:1 gewonnen und dem KSC somit die Europapokalteilnahme verbaut haben. Dadurch hatte ich keine gute Anfangszeit beim KSC.

1997 folgten Sie auf Scholl sowie Kahn und wechselten ebenfalls zum FC Bayern München. Wie erinnern Sie sich an diesen Schritt?

Fink: Nach einem Spiel gegen die Bayern hat mein direkter Gegenspieler Lothar Matthäus mich Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß empfohlen. Er sagte, dass ich ein guter Spieler sei und perfekt zum Verein passe. Ich habe mich dann mit Hoeneß getroffen. Er war von Anfang an direkt und sagte mir: 'Du kannst doppelt so viel verdienen wie beim KSC. Entweder du unterschreibst oder nicht.' Er wusste natürlich über meine Vertragsinhalte in Karlsruhe Bescheid und ließ mir bei seinem Angebot keinen Spielraum. Für mich war ohnehin klar, dass ich mit Blick auf mein Alter die Möglichkeit, zu solch einem Top-Klub zu wechseln, wahrnehmen musste.

Zum Zeitpunkt Ihres Wechsels waren Sie 29 Jahre alt. War das Ausland ebenfalls eine Option?

Fink: Ja, ich hatte auch ein Angebot von der AS Rom. Bayern war für mich aber immer das Nonplusultra und die Aussicht auf Titel ausschlaggebend. Viele haben nicht verstanden, warum ich nach München gewechselt bin, weil sie meinte, dass ich dort nicht spielen würde. Am Ende habe ich viele Titel geholt und viele Spiele bestritten.

Wie war das Leben außerhalb des Platzes? Haben Sie viel mit Ihren Teamkollegen unternommen?

Fink: Wir haben viel Zeit miteinander verbracht. Wir gingen nach den Spielern oft gemeinsam Essen, manchmal auch mit den Ehefrauen. Nach dem Training spielten wir zu acht oder zu zehnt Golf oder sind in den Wintersrcaub gefahren. Heutzutage geht das gar nicht mehr, dass man Samstagabend ausgeht. Dann heiß es wieder "nach dem Spiel ist vor dem Spiel".

Gab es im Team Grüppchenbildungen?

Fink: Grüppchenbildungen im negativen Sinne gab es nicht. Es gab natürlich Spieler, die sich untereinander besser verstanden. Giovane Elber war beispielsweise oft mit seinen brasilianischen Landsleuten zusammen. Wir haben uns insgesamt alle untereinander verstanden und viel zusammen erlebt.

Fink: Lizarazu? "War ein absoluter Profi"

Scholl, Kahn, Elber, Stefan Effenberg, Matthäus, Ze Roberto: Beim FC Bayern spielten mit einer Vielzahl von Top-Stars zusammen. Wer war Ihr bester Mitspieler?

Fink: Matthäus war ein klasse Spieler. Aber auch Mario Basler mit seiner Qualität, ungeachtet der Probleme, die er außerhalb des Platzes hatte. Er hatte alles, was ein Top-Spieler brauchte.

Gab es auch jemanden, der für Sie überraschend den großen Sprung nicht geschafft hat?

Fink: Von Roque Santa Cruz hätte ich noch mehr erwartet. Er war ein Riesentalent, als er mit 17 Jahren zu uns kam. Er war groß, schnell und hat alles mitgebracht. Er war gut und hat etwas erreicht, aber er hätte ein absoluter Rekord- und Ausnahmespieler werden können, wie es Robert Lewandowski aktuell ist. Vielleicht kam er mit dem Druck nicht zurecht.

Wer hat Sie außerhalb des Platzes am meisten beeindruckt?

Fink: Bixente Lizarazu war ein absoluter Profi. Er ist abends nie ausgegangen, hat Yoga gemacht und war durchtrainiert ohne Ende. Da war kein Gramm Fett am Körper. Heute ist das vielleicht alles nichts Besonderes, aber früher gab es keine GPS-Datenerfassung im Training oder Ernährungspläne. Lizarazu hat jedoch schon damals großen Wert auf leistungsoptimierende Prozesse gelegt. Es kommt nicht von ungefähr, dass er jeden Titel gewonnen hat, den man als Fußballer gewinnen kann.

Etwas, was früher ebenfalls anders war, war der direkte und unverblümte Umgang auf Pressekonferenzen oder in Interviews. Fehlt Ihnen das heutzutage?

Fink: Im Zuge der sozialen Medien verbreitet sich alles deutlich schneller. Das Netz vergisst nicht. Dementsprechend müssen Fußballer vorsichtiger sein und werden auch dahingehend unterrichtet. Das ist natürlich schade, weil es zum Fußball dazugehören sollte, seine Meinung ehrlich zu sagen und gleichzeitig die Meinungen anderer zu respektieren und akzeptieren. Wenn ich heute zu einem Reporter sage, dass ich anderer Meinung bin, sind alle beleidigt und im Netz heißt es, dass man ausgerastet sei.

War der Umgang mit der Presse früher einfacher?

Fink: Der Umgang mit der Presse ist nicht schwieriger geworden. Man musste auch früher zum Teil aufpassen, was man sagte. Heute gibt es einfach neuere Medien. Man wird überall und jederzeit fotografiert, jeder kann über beispielsweise Instagram seine Meinung unzensiert äußern und alles Gesagte wird auf die Waagschale gelegt. Die Profis müssen aufpassen, was und wann sie diverse Inhalte posten. Dementsprechend verdient man heutzutage auch anders.

Sozusagen eine Art "Schmerzensgeld" für die eingebüßte Freizeit und Freiheit?

Fink: Das kann ich nicht sagen. Man steht halt viel mehr in der Öffentlichkeit. Das muss man als Profi wissen.

Wie war zu Ihrer aktiven Zeit das Verhältnis zwischen Spielern und Journalisten?

Fink: Das Verhältnis war immer gut, aber jeder hatte eine andere Beziehung zu den Journalisten. Einige beschwerten sich, wenn sie eine schlechte Note nach den Spielen bekamen. Ich persönlich war größtenteils zufrieden mit der Berichterstattung über meine Person. Natürlich liest keiner gerne schlechte Berichte über sich, aber so läuft das Geschäft. Ich habe mich jedenfalls nicht ungerecht behandelt gefühlt.

Fink über Bayern-Zeit: "Da hat es intern auch mal gekracht"

Bei Bayern gab es in Kahn, Matthäus oder Effenberg auch Spieler, die kein Blatt vor den Mund genommen haben.

Fink: Richtig, sie haben immer ihre Meinung gesagt, egal, ob zum Trainer oder zur Presse. Damals hatte die Presse aber auch mehr Respekt vor solch authentischen Typen und ging vorsichtiger mit ihnen um. Intern hat es natürlich auch mal gekracht.

Inwiefern?

Fink: Es wurde viel gestritten - mit Kahn, Effenberg oder Hoeneß. Das Gute daran war, dass die Dinge nicht nach außen getragen wurden. Ich hatte mehrfach Streit mit Hoeneß in der Kabine. Danach war das allerdings wieder vergessen, weil er wusste, dass ich es nur gut meinte und alles für den Klub gegeben habe. Wichtig war Hoeneß immer ein ehrlicher, fairer Umgang sowie Loyalität zum Verein. Wer sich nicht mit dem FC Bayern identifiziert hat, hat das zu spüren bekommen.

Wie wirkte sich das aus?

Fink: Dann war der Kredit schnell aufgebraucht und der Vertrag wurde nicht verlängert. Ich dagegen kann noch heute zum FC Bayern gehen und auf die Hilfe der Verantwortlichen zählen, wenn ich ein Problem habe. Das liegt eben daran, dass ich immer ehrlich war und mich zu hundert Prozent mit dem Klub identifiziert habe. Das gilt übrigens für jeden loyalen Spieler oder Mitarbeiter, der dort ehrliche Arbeit geleistet hat. Das muss nicht unbedingt der beste Spieler gewesen sein.

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Kahn und Hasan Salihamidzic arbeiten heute als Vorstände beim FC Bayern. Inwiefern war das absehbar?

Fink: Ich finde es gut, wenn Ex-Spieler in den Verein eingebunden werden, weil sie die Lage kennen, sich mit den Zielen identifizieren und wissen, wie der Klub und die Presse funktionieren. Kahn konnte schon als Spieler gut reden, ist ein intelligenter Mann. Ich war schon immer davon überzeugt, dass er eine große Rolle bei einem Top-Klub übernehmen wird. Bei Salihamidzic dagegen kam das ziemlich unverhofft. Dass er Sportdirektor wird, war nicht unbedingt abzusehen, aber er hatte guten Kontakt zu Hoeneß. Außerdem kennt er sich aus und spricht fünf oder sechs Sprachen, was vor allem für diesen Job hilfreich ist, um ein internationales Netzwerk aufzubauen. Dementsprechend bietet er sich optimal an für den Posten.

Sie entschieden sich für die Trainerlaufbahn. Im Laufe Ihrer Karriere arbeiteten Sie mit Trainergrößen wie Ottmar Hitzfeld, Felix Magath und Giovanni Trapattoni zusammen. Wann entstand bei Ihnen der Wunsch, ebenfalls diesen Weg einzuschlagen?

Fink: Bei mir kam das erst zu einem späteren Zeitpunkt meiner Spielerkarriere, als ich beim FC Bayern in Hitzfeld einen Trainer hatte, der mich in der Hinsicht unterstützt und gesagt hat, ich würde wie ein Trainer denken. Wahrscheinlich hat er das nur gesagt, um mich endlich vom Karriereende zu überzeugen. (lacht) Ich habe damals noch in der zweiten Mannschaft gespielt und nebenbei meinen Trainerschein gemacht. Heutzutage sichert sich kaum ein Spieler für die Zeit nach seiner Karriere ab.

Welcher Trainer hat Ihnen am meisten imponiert?

Fink: Ich möchte da niemanden besonders hervorheben, das wäre unfair den anderen gegenüber. Ich habe von jedem Trainer die Dinge mitgenommen, die ich gut fand. Was ich nicht gut fand, habe ich verworfen. So habe ich dann irgendwann meinen eigenen Stil gefunden. Ich arbeitete bei RB Salzburg ein halbes Jahr unter Trapattoni als Co-Trainer. Er war ein hervorragender Coach und hat zahlreiche Titel gewonnen. Da bekommt man natürlich tiefere Einblicke in die Trainerwelt.

An welche Einblicke erinnern Sie sich konkret?

Fink: Es war eine ganz andere Verantwortung im Vergleich zur Spielerkarriere. Man ist für das ganze Team drumherum verantwortlich. Viele denken, dass ein Trainer nur das Taktische beherrschen muss. Dabei ist die Taktik nicht immer das Wichtigste. Man muss den menschlichen Umgang beherrschen und Leute im Klub führen können. Das bedeutet, ich muss auch mit dem Präsidenten, dem Sportdirektor, dem Mediendirektor oder den Physiotherapeuten umgehen.

Fink: "Zwei Jahre hat sich dort kein Trainer mehr gehalten"

Als Cheftrainer waren Sie neben Ihren Engagements beim FC Ingolstadt (2008-2009) und dem HSV (2011-2013) auch im Ausland in Österreich, der Schweiz, Zypern und Japan tätig. Was reizte Sie besonders an den letztgenannten Stationen bei APOEL Nikosia und Vissel Kobe?

Fink: In Hamburg haben wir einen guten Job gemacht und im zweiten Jahr den siebten Platz erreicht. Zwei Jahre hat sich dort seitdem kein Trainer mehr gehalten. Nach der Zeit beim HSV war ich zunächst 16 Monate ohne Job und habe das ein oder andere Angebot abgelehnt. Zypern hörte sich zunächst ungewöhnlich an und zählt zweifelsfrei nicht zu den besten Fußballnationen. APOEL Nikosia nahm allerdings bereits fünfmal an der Champions League teil. Der Vertrag ging zunächst nur von Januar bis Mai 2015. Ich wollte wieder ins Geschäft kommen, die Mannschaft hatte die Chance, die Meisterschaft zu gewinnen und erneut in die Königsklasse einzuziehen. Ein zusätzlicher Titel auf dem Konto ist nie verkehrt. Man kann es sich als Trainer nicht immer aussuchen. In Japan dagegen wird hervorragender, schneller, taktisch hochwertiger Fußball gespielt, die Stadien sind im Normalfall voll, das Land hat großartige Fußballer. Dort hatte ich die Chance, an der asiatischen Champions League teilzunehmen und Stars wie Andres Iniesta, David Villa oder Lukas Podolski zu trainieren. Natürlich muss auch das Finanzielle stimmen. Es ist zudem entscheidend, wie die Familie dazu steht. Meine Frau war damit einverstanden.

Inwieweit sind solche Erfahrungen förderlich für die Aufmerksamkeit größerer Klubs?

Fink: Sie sind sicherlich von Vorteil. Das ist auch immer mein Plan. Ich gehe nirgendwo hin, nur um jedes Land der Welt zu bereisen und nette Leute kennenzulernen, sondern um den nächsten Schritt zu machen.

Welche prägenden Erfahrungen nehmen Sie aus Japan mit?

Fink: In Japan wirst du respektiert und nicht als Ausländer gesehen, das gilt sowohl für den Job als auch für das Privatleben. Der Respekt, den man als Spieler gegenüber dem Trainer, dem Fan und umgekehrt mitbringt, hat mich ebenfalls sehr beeindruckt. Gerade die jungen Spieler sind bescheiden und wissen um ihr Standing. Wenn junge Spieler mit älteren am Tisch sitzen und es wird Essen gegrillt, müssen die jungen Spieler den älteren das Essen grillen, da sie in der Hierarchie weiter unten sind. Ungeachtet ihrer Qualität wissen die Jungen, dass sie noch viel lernen und Respekt vor den Älteren und dem Geleisteten haben müssen.

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Ist Japan Europa in dieser Hinsicht möglicherweise sogar voraus?

Fink: In Europa habe ich das Gefühl, dass man sich als Spieler entschuldigen muss, wenn man schlecht spielt. Das ist in Japan nicht der Fall. Niemand spielt gerne und absichtlich schlecht. Man ist möglicherweise nervös oder dem Druck nicht gewachsen. Gerade in solchen Situationen brauchen die Spieler besonders die Unterstützung der Fans. Alles andere trägt nicht dazu bei, dass sie besser werden. Wenn man in Japan verliert, geht man in die Kurve und verneigt sich vor den Fans. Es wird geklatscht und in die Zukunft geschaut. Dort wird zudem nicht alles Gesagte auf die Waagschale gelegt.

Sie sprachen das Privileg an, Stars wie Iniesta, Villa oder Podolski trainiert zu haben. Ersterer ist Kapitän bei Kobe. Gab es intern Probleme, dass europäische Altstars aufgrund ihrer Erfahrung und des Standings gesetzt waren?

Fink: Es gab keine Probleme. Natürlich muss man als Trainer immer aufpassen, dass man als Trainer jeden gerecht behandelt. Die Japaner wissen, wer die Top-Stars sind und so, wie sie erzogen sind, passen sie sich an. Der Umgang war respektvoll und sie haben es verstanden, dass Iniesta Kapitän war. Sicherlich gab es Situationen, in denen man Ausnahmen macht, vor allem aus kultureller Sicht. In Europa wird beispielsweise für gewöhnlich immer gemeinsam gegessen. Die Japaner essen um 18 Uhr zu Abend, die Spanier allerdings erst um 21 Uhr. Das ist einfach der kulturelle Unterschied. Ich fand es schwierig, das unter einen Hut zu bringen, letztlich hat es jedoch sehr gut funktioniert. Niemand hat sich beschwert, dass nicht alle zusammen sitzen beziehungsweise zusammen aufstehen.

Im letztjährigen SPOX-Interview sagten Sie, dass Sie Villa von den Stars bei Kobe besonders beeindruckte. Welcher Spieler hat Ihnen insgesamt im Laufe Ihrer Trainerlaufbahn am meisten imponiert?

Fink: David Jarolim. Er war nicht der talentierteste Spieler, nicht sonderlich groß oder schnell, aber er hat aus seinem Körper und seinem Talent das Maximum rausgeholt. Seine Professionalität, Cleverness und sein Charakter waren hervorragend. Ich habe mit Jarolim noch bei den Bayern zusammengespielt. Dort hat man ihn ein bisschen verkannt.

Sie sind seit September wieder ohne Verein. Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?

Fink: Wenn man früher in fernen Ländern wie beispielsweise Japan oder China gearbeitet hat, war es quasi unmöglich, wieder in Europa Fuß zu fassen. Heute dagegen haben viele gute Trainer bereits auf anderen Kontinenten gearbeitet, die jetzt wieder bei einem europäischen Klub unter Vertrag stehen. Nehmen wir nur Roger Schmidt oder Jorge Jesus, der in Saudi-Arabien tätig war. Ich selbst bin für vieles offen, hatte auch schon während meiner Zeit in Japan die Möglichkeit, nach Deutschland zurückzukehren. Ich bin im besten Traineralter und bereit, einen guten Klub zu übernehmen. Wenn man ein guter Trainer sein will, muss man gewisse Erfahrungen gesammelt haben - und das habe ich. Ich kann mit Stars umgehen und junge Spieler entwickeln.

Könnten Sie sich auch vorstellen, einen anderen Posten als den des Cheftrainers zu übernehmen?

Fink: Aktuell nicht. Wenn ich als Trainer aufhöre, kann ich mir vorstellen, eine leitende Position in einem Klub zu bekleiden. Ich kann mir auch vorstellen, eine Nationalmannschaft zu übernehmen, Sportdirektor zu werden oder Kader mitzugestalten. Dann muss es allerdings eine höhere Aufgabe sein. Im Moment habe ich noch große Ziele als Trainer. Ich möchte einen Klub nachhaltig aufbauen oder mitführen, idealerweise länger als anderthalb Jahre.