"Ich habe in der Halbzeit Red Bull getrunken und Flügel bekommen - dann war alles gut", sagte ein überglücklicher, wenn auch stilecht doch recht unterkühlter Haaland nach seiner nächsten großen Show in der Bundesliga bei DAZN .

Vier Tore in einem Spiel, das war selbst dem Überflieger aus Norwegen seit seiner Ankunft im Januar diesen Jahres beim BVB noch nicht gelungen. Und danach hatte es zunächst auch gar nicht ausgesehen, denn wie die gesamte Dortmunder Mannschaft tat sich auch Haaland im ersten Durchgang gegen blitzsauber verteidigende Herthaner schwer.

Die Hauptstädter standen tief, ließen den fehlerbehafteten BVB kommen und setzten durch schnelle Umschaltmomente gekonnt Nadelstiche. Einen davon vollendete Matheus Cunha per Sonntagsschuss zum nicht unverdienten 1:0.

"Es war schwer", konstatierte BVB-Trainer Lucien Favre nach dem Spiel und verwies auf die guten Resultate der Hertha gegen Bayern München oder die noch ungeschlagenen Wolfsburger: "Da braucht niemand überrascht sein, dass wir kämpfen müssen."

Twitter

BVB-Doppelschlag durch Haaland "ein Genickschlag"

Kämpfen musste der BVB im zweiten Durchgang dann nicht mehr. Denn er spielte plötzlich wie aus einem Guss, hatte in Emre Can einen bärenstarken Antreiber, in Haaland einen eiskalten Vollstrecker und in Brandt einen Vorbereiter, der wie vor Haalands drittem Streich binnen 15 Minuten nach der Pause endlich mehr Weltklasse als Kreisklasse zeigte.

Und so führte der BVB die Hertha dann in der zweiten Halbzeit phasenweise vor, der einmal mehr glänzend aufgelegte Raphael Guerreiro traf sogar im Sitzen zum 4:1, ehe Haaland den Schlusspunkt in einer Partie setzte, in deren Verlauf sich die Berliner Spieler eine sehr ansprechende Leistung in der ersten Halbzeit selbst zunichte gemacht hatten.

"Wir haben die Tore zu einfach kassiert und das Spiel in der zweiten Halbzeit sehr einfach aus der Hand gegeben", erklärte ein frustrierter Hertha-Trainer Bruno Labbadia. Die zwei Tore von Haaland kurz nach der Pause seien "ein Genickschlag" gewesen.

Und weil sich der BVB bis zur 80. Minute auf drei Tore abgesetzt hatte, gab Favre den BVB- und Fußball-Fans dann auch noch das, was sich seit Tagen angebahnt hatte: Er nahm seinen Matchwinner runter und brachte für ihn Youssoufa Moukoko in der 85. Minute. Damit ist er mit 16 Jahren und einem Tag der jüngste Bundesligaspieler aller Zeiten - und laut Stürmervorbild Haaland sogar noch weit mehr: "Er ist das weltweit größte Talent im Fußball."

Der BVB schob sich durch den Kantersieg in Berlin wieder zurück auf den zweiten Tabellenplatz und profitierte somit von den Patzern der Konkurrenten aus München und Leipzig. Ein Punkt trennt die Schwarzgelben nur vom FC Bayern an der Spitze. Aber er wolle nicht "über Bayern sprechen", sagte Favre am Ende eines historischen Tages.

Hertha BSC - BVB 2:5: Die Analyse zum Spiel

Der BVB, bei dem Trainer Favre überraschend Reyna, Bellingham und auch den formschwachen Sancho aus der Startelf nahm, begann in einem sehr hohen Pressing: Haaland, Reus und auch der in die Anfangsformation rotierte Brandt liefen Alderete und Boyata aufseiten der Hertha aggressiv an, sodass sich Guendouzi bei den Hauptstädtern immer wieder in die Viererkette fallen lassen musste, um das Spiel anzukurbeln.

Die Dortmunder, wenngleich um Spielkontrolle bemüht, leisteten sich zu Beginn einige haarsträubende Fehler im Aufbau. Mal war es ein unsauberer Ball von Witsel, der Lukebakio in eine aussichtsreiche Abschlusssituation brachte, mal ein Ballverlust von Meunier am eigenen Sechzehner, den Cunha und Piatek nicht konsequent ausspielten.

Zwar schlichen sich auch nach der Anfangsphase immer wieder Fehler ins Spiel der Dortmunder, aber dafür blitzte nun häufiger die individuelle Klasse des BVB-Kaders auf. So verarbeitete Haaland beispielsweise eine Reus-Vorlage an der Sechzehnerkante mit dem ersten Kontakt per Hacke, wurde jedoch im letzten Moment geblockt.

Die Hertha formierte sich nach 15 Minuten tiefer im 4-4-2 und lauerte eigentlich auf Konter über Cunha, Lukebakio und Piatek, wurde dann jedoch phasenweise immer spielbestimmender. Die ganz großen Torchancen gab es jedoch auf beiden Seiten nicht - auch, weil dem BVB spielerisch trotz offensiver Ausrichtung im 3-4-3, bzw. im 3-5-2 gegen den Ball, kaum etwas gelang.

Kaum Tiefe, wenig Tempo, viel Klein-Klein: die alte BVB-Leier gegen defensiv engmaschige Gegner. Und dann kam, was kommen musste: ein Schwolow-Abschlag landete über Lukebakio bei Cunha, der die Berliner mit einem Sonntagsschuss nicht unverdient in Führung brachte (37.).

Danach erwachte der BVB immer mehr, wurde gerade über Dahoud im Zentrum zielstrebiger und gewann plötzlich die Mehrzahl der Zweikämpfe. Einen fantastischen Spielzug über Brandt und Guerreiro konnte Haaland unfassbarerweise freistehend nicht zum Ausgleich nutzen (45.).

BVB dreht durch Haaland das Spiel binnen zwei Minuten

Kurz nach der Pause rollte der BVB-Express dann so richtig: Angetrieben vom bärenstarken Can, der Haalands Ausgleich an der Mittellinie im Zusammenspiel mit Reus und Meunier nicht nur initiierte, sondern selbst vorbereitete (47.), drehte der BVB das Spiel binnen zwei Minuten.

Nach dem Ausgleich stand die Hertha unter Schock und in der Viererkette kurz mal etwas höher - zu hoch: der bis dahin blasse Brandt setzte zu einem 50-Meter-Solo an, spielte einen Weltklasse-Ball auf Haaland, der einen starken Laufweg zwischen Alderete und Boyata anbot und zum 2:1 vollstreckte.

Meunier und Guerreiro positionierten sich mit Beginn der zweiten Halbzeit höher, wodurch sich dem BVB im Zentrum mehr Räume boten, gerade dem Spiel von Brandt kam das entgegen. Während der BVB die Schlagzahl immer weiter erhöhte, bekam die Hertha den Fehlerteufel nicht mehr in die Flasche: einen fehlerhaften Rückpass von Plattenhardt auf Alderete ersprintete Haaland im Laufduell mit dem Hertha-Innenverteidiger und schob zum 3:1 ein. Die Entscheidung.

Der BVB spielte die Hertha anschließend förmlich an die Wand. Guerreiro und Haaland zum vierten schossen den BVB zum am Ende auch in der Höhe verdienten 5:2-Sieg. Das zwischenzeitliche 2:4 erzielte abermals Cunha nach einem fragwürdigen Foulelfmeter. Historisch wurde es in der 85. Minute.

Youssoufa Moukoko ersetzte Viererpacker Haaland und ist somit nun mit 16 Jahren und einem Tag der jüngste Bundesligaspieler aller Zeiten. Sein Arbeitsnachweis: Sechs Ballaktionen, drei Zweikämpfe, einen davon gewonnen, zwei Pässe, 100 Prozent Passquote.

Hertha BSC - BVB: Die Aufstellungen

  • Hertha BSC: Schwolow - Pekarik (85. Mittelstädt), Boyata, Alderete, Plattenhardt (85. Zeefuik) - Stark, Guendouzi - Darida (76. Löwen), Cunha - Lukebakio (75. Leckie), Piatek (76. Ngankam). - Trainer: Labbadia
  • Borussia Dortmund: Bürki - Can (76. Piszczek), Hummels, Akanji - Dahoud (62. Bellingham), Witsel - Meunier, Guerreiro (85. Schulz) - Brandt, Reus (77. Reyna) - Haaland (85. Moukoko). - Trainer: Favre

Die Daten des Spiels Hertha BSC gegen Borussia Dortmund

  • Tore: 1:0 Cunha (33.), 1:1 Haaland (47.), 1:2 Haaland (49.), 1:3 Haaland (62.), 1:4 Guerreiro (70.), 2:4 Cunha (FE, 79.), 2:5 Haaland (79.)
  • In neun Pflichtspielen in dieser Saison kommt Cunha auf elf Torbeteiligungen (7 Tore, 4 Assists).
  • Viererpack: Seit seiner Ankunft in Deutschland im Januar erzielte nur ein Spieler mehr Bundesliga-Tore als Haaland (23): Lewandowski traf 26-mal in diesem Zeitraum.
  • Erling Haaland ist der jüngste Viererpacker der Bundesliga-GEschichte. Er löst Luka Jovic um 177 Tage ab.
  • Letztmals 5 Tore im Berliner Olympiastadion - das gelang dem BVB im Mai 2012, beim DFB-Pokalfinale und dem sensationellen 5-2-Sieg gegen den FC Bayern München. Gegen Hertha gelingt dieses Kunststück in der Bundesliga zum ersten Mal!
  • Mit 16 Jahren und einem Tag ist Youssoufa Moukoko vom BVB der jüngste Spieler der Bundesliga-Geschichte - Moukoko ist genau elf Monate jünger als es der bisherige Rekordhalter Nuri Sahin bei seinem Debüt war.

Der Star des Spiels: Erling Haaland (BVB)

Der Mann, das Phänomen. Bis zur Pause stand auf Haalands imaginärem Arbeitszeugnis ein "stets bemüht, aber im Abschluss unglücklich". Doch dann kam diese unglaubliche zweite Halbzeit und mit ihr ein Haaland-Dreierpack binnen 15 Minuten. Das 1:1 ging dabei eher auf die Kappe des ebenfalls bärenstarken Emre Can, beim 2:1 war allein der Laufweg von Haaland zwischen Alderete und Boyata großartig und wie der 20-Jährige beim 3:1 Alderete auf kürzester Distanz fünf Meter im Sprintduell abnahm, war dann ganz großes Kino. Und als sich Cunha vornahm, den Schlusspunkt des Spiels mit seinem 2:4 zu setzen, schüttelte der Norweger nur lächelnd mit dem Kopf und haute den Hauptstädtern auch noch sein viertes Tor um die Ohren. Wahnsinn!

Der Flop des Spiels: Krzysztof Piatek (Hertha BSC)

Hing bis zu seiner Auswechslung häufig in der Luft. Hatte ein, zwei gute Aktionen als Bandenspieler, indem er Anspiele in die Spitze auf Cunha oder Lukebakio ablegte. Das war's jedoch in puncto Leistungsnachweis vom polnischen Nationalstürmer, dem kein einziger Abschluss vergönnt war. Ein sehr unglücklicher Auftritt des 25-Jährigen.

Der Schiedsrichter: Bastian Dankert

Ließ viel laufen, teilweise etwas zu viel, wie bei Cunhas Einsteigen gegen Guerreiro kurz vor der Pause, das er nicht ahndete und somit beinahe einen gefährlichen Konter der Herthaner begünstigte. Die erste richtig knifflige Entscheidung meisterte er jedoch mit Bravour: bei einem Laufduell zwischen Haaland und Alderete im Berliner Sechzehner, in dessen Verlauf der BVB-Stürmer zu Fall kam, ließ er die Pfeife stecken und gab keinen Elfmeter für Dortmund. Die korrekte Entscheidung. Der Foulelfmeter für Hertha BSC vor dem 2:4 nach Einsteigen von Akanji gegen Cunha war mehr als schmeichelhaft und tendenziell eher eine Fehlentscheidung.