Top 10 - die Takeaways zu Week 10 in der NFL

1. Was ist los mit Russell Wilson?

Was ist nur los mit Seahawks-Quarterback Russell Wilson?

Das ist die zentrale Frage, die aktuell über der Seahawks-Saison steht. Nicht die einzige, aber die kritischste Frage, weil sie aktuell die gravierendsten Auswirkungen hat.

Bereits in der Vorwoche war an dieser Stelle Seattles Defense ausführlicheres Thema, mit einer übergreifenden Sorge: Die Seahawks wirken mehr und mehr wie ein Team ohne funktionierende Identität. Weil sie defensiv in dieser Saison viel zu häufig im Dunkeln tappen - und offensiv ihr Plan A, der sie durch das erste Saisondrittel getragen hat, nicht mehr gut genug ist, um das Team zu tragen.

Beides muss man in Nuancen betrachten. Die Offense kann noch immer explosiv sein und Mismatches kreieren. Ist einer der beiden Wide Receiver - Metcalf und Lockett - abgemeldet, kann der andere ein Spiel an sich reißen. Russell Wilson ist ein exzellenter Deep Passer, und vereinzelt war all das auch gegen die Rams zu beobachten. Aber: Die Fehler nehmen unbestreitbar zu.

Das begann mit dem Cardinals-Spiel, in dem Wilson bis dato komplett ungewohnte, weil auch völlig überflüssige Interceptions warf, die Seattle letztlich maßgeblich den Sieg kosteten. Und es setzte sich fort. Gegen Buffalo letzte Woche, und gegen die Rams am Sonntag. Wilson hat jetzt zum ersten Mal in seiner Karriere drei Turnover in aufeinanderfolgenden Spielen produziert und hatte in drei der letzten vier Spiele mindestens drei Turnover auf dem Konto.

13 Turnover über die ersten zehn Spiele einer Saison sind ebenfalls Karriere-Höchstwert für Wilson, und während man einerseits argumentieren könnte, dass er eben auch den Ball deutlich mehr wirft, das Spiel deutlich mehr prägt, so ist es nicht so sehr die schiere Anzahl der Turnover - sondern es ist eher deren "Qualität".

Gegen die Rams konkret hatte er eine weitere komplett überflüssige Interception, als das Feld vor ihm komplett offen war - Wilson stattdessen aber einen nahezu aussichtslosen Pass diagonal über das Feld Richtung Endzone feuerte, wo letztlich nur der Verteidiger drankommen konnte. Bei der zweiten Interception war er deutlich zu spät bei einem Wurf nach außen, sodass der Cornerback in den Passweg sprang.

Wilson will zu viel - Carroll zu wenig

Und diese Dinge häufen sich, mehr noch: Wilson stand fraglos häufig unter Druck - und Defenses bereiten ihm mit Blitzing gerade gehörige Probleme -, er zögerte gegen die Rams teilweise aber auch mit seinen Reads, einmal verlor er die Play Clock aus den Augen, es war ein ganz schwaches Spiel. Man bekommt mehr und mehr den Eindruck, dass Wilson zu viel will; dass er zu häufig das Big Play will, dass er - und das ist rein subjektiv von außen beobachtet - den Eindruck hat, dass er alles in die Hand nehmen muss. Dann wackelt selbst das Kurzpassspiel plötzlich.

Diese Denkweise ist ihm nicht wirklich zu verübeln, aber aktuell ist es mehr Hindernis als Hilfe - umso mehr, da die so inkonstante Defense gegen die Rams ihre Sache gar nicht schlecht machte. Zwar flogen ihnen ihre Blitze teilweise abermals um die Ohren, aber sie kamen auch mehrfach zu Goff, sie hatten das Run Game besser im Griff als gedacht - der heldenhafte Auftritt von Wilson und der Offense war hier gar nicht notwendig.

Kann Wilson wieder einen ruhigeren Rhythmus finden, um die Offense wieder in die Fahrwasser der frühen Saisonphase zu lenken? Vielleicht, aber womöglich geht die Frage mehr und mehr in eine andere Richtung: Wie lange schaut Pete Carroll sich das noch an? An welchem Punkt besteht er auf weniger Risiko und mehr Run Game, um Spiele zu kontrollieren; umso mehr, falls die eigene Defense sich tatsächlich ein wenig stabilisieren sollte?

Gegen Los Angeles - das seinerseits mit der Verletzung von Andrew Whitworth ein enormes Handicap für die weitere Saison haben könnte - hatte Carroll einen seiner vorsichtigen Momente: Bei Fourth-and-One an der eigenen 42-Yard-Line zu Beginn der zweiten Halbzeit wählte er den Punt. Noch alarmierender war seine Analyse der Szene im Anschluss: "Die Logik, dass wir das ausspielen sollten, weil wir eine starke Offense haben, kann ich nicht nachvollziehen. Das trifft hier nicht wirklich zu."

Man würde da lieber den Punt nehmen "und Defense spielen. Das heißt es, daran zu glauben, dass wir das am Ende hinbekommen." Aber womit soll dieses Vertrauen in die eigene Defense gerechtfertigt sein? Wie kann Carroll dieser Seite des Balls noch immer mehr vertrauen als der eigenen Offense? Wie kann er dieser Seite des Balls überhaupt vertrauen?

Vor allem jedoch: Die wahre Gefahr liegt darin, das Spiel für den Gegner zu öffnen, indem man für die Field Position auf einen möglichen eigenen Scoring Drive verzichtet. Und genau das passierte: Die Rams marschierten im Gegenzug 88 Yards zum Touchdown runter, gingen mit 23:13 in Führung und zwei der nächsten drei Seahawks-Drives endeten in Wilson-Turnovern.

Einmal mehr in der Position, spät die Kohlen aus dem Feuer holen zu müssen.

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2. Wahnsinn in Arizona: Playoff-Teams mit Hindernissen

Was. Für. Ein. Spiel !

Im Duell zwischen den Cardinals und Bills waren beide Teams weit davon entfernt, eine fehlerfreie Partie abzuliefern. Auch beide Offenses waren weit davon entfernt, nahtlos zu überzeugen, ganz im Gegenteil.

Und doch waren es die beiden Quarterbacks, die beide dieses Jahr in die Top 10 ihrer Position gehören, die eines der spektakulärsten Finishes dieser Saison bereiteten: Josh Allen mit einem absolut herausragenden Touchdown-Pass auf Stefon Diggs - und Kyler Murray mit vielleicht dem Play des Jahres: 50 Yards tief flog der Ball Sekunden vor dem Ende, beim Herausrollen nach links auf die Seite, auf der DeAndre Hopkins isoliert war, im Rückwärtsfallen.

Ein unglaublicher Wurf, der bei Cardinals-Fans Erinnerungen an Aaron Rodgers und Jeff Janis in den Playoffs hervorgerufen haben dürfte.

Doch was sagt der Weg zu diesem wahnsinnigen Ende über beide Teams aus? Definitiv dass beide Teams noch inkonstant sind: 16 (!) Drives gab es in dieser Partie - in der zweiten Hälfte! Immer wieder leisteten sich die Offenses einfache Fehler, mussten schnell wieder punten oder standen sich mit Strafen selbst im Weg. Arizona, wie in nahezu jedem Spiel dieses Jahr, brauchte eine ganze Weile, ehe man in die Partie rein fand. Wieder gab es simple Fehler, Kenyan Drake fiel hier mehrfach auf, und diese Woche war die Red Zone ein ungewohnt großes Problem.

Allen derweil hatte mehrfach mit dem Feuer gespielt, ehe Patrick Peterson schließlich einen seiner Pässe über die Mitte abfing. Kirkpatrick bestrafte einen leicht verspäteten Allen-Pass mit einem weiteren Pick. Arizonas Offense hätte dieses Finish danach gar nicht zulassen dürfen: Auf die zweite Allen-Interception folgten zwei Three-and-Out-Drives mit einem Gesamt-Raumgewinn von -3 Yards. Gegen eine Defense, gegen die die Cardinals über 200 Yards erliefen, schafften sie kein First Down, um die 3-Punkte-Führung zu verwalten.

Beide Teams bleiben mittendrin im Playoff- und auch in ihrem jeweiligen Division-Rennen. Beide haben in Diggs und Hopkins einen absoluten Elite-Receiver und dahinter ein vielseitiges Waffenarsenal, für Buffalo war Cole Beasley lange der Schlüssel zu dieser Partie. Beide haben Playmaker auf der Quarterback-Position und sehr gute offensive Play-Caller. Und beide sind defensiv anfällig, aber keine Katastrophe.

Mit all dem im Hinterkopf: Wer hat bessere Aussichten Richtung Playoffs und darüber hinaus? Die Bills wirken wie das komplettere Team, die Cardinals haben das höhere Ceiling. Weil Murray auf bestem Wege ist, eine historische Quarterback-Rushing-Saison zu spielen, während sich die Defense über die letzten Wochen stabilisiert hat. Gleichzeitig gilt für Arizona aber bei aller Euphorie dieses finalen Plays weiter: Nur wenn die Cardinals noch deutlich mehr Konstanz im Passspiel hinbekommen, können sie wirklich den Schritt Richtung Titelkandidat machen.

3. Die Dolphins: unangenehm - oder doch mehr?

Es ist absolut beeindruckend zu sehen, welche Fortschritte die Miami Dolphins über die letzten eineinhalb Jahre unter Brian Flores gemacht haben. Man erkennt eine klare defensive Handschrift, man sieht ein Team, das in sich geschlossen funktioniert - und man sieht eine Mannschaft, die in allen drei Phasen des Spiels funktioniert, und das ist vielleicht der prägendste Part der aktuellen Siegesserie.

Denn genau das ließ sich beim Sieg über die Rams, beim Erfolg in Arizona und jetzt beim Heimsieg gegen die Chargers beobachten: Miami bekommt Woche für Woche Big Plays von der Defense, oder vom Special Team - oder auch mal von beiden - und so muss die Offense um Rookie-Quarterback Tua Tagovailoa das Team gar nicht tragen.

Und das ist auch wichtig, denn so gut Tagovailoa nach wie vor innerhalb der Play-Designs und gerade bei Rollouts aussieht: den Eindruck, dass er diese Offense tragen kann, hat man jedenfalls bislang noch nicht. Der Großteil des Passspiels findet kurz statt, oder eben per Play Action. Tua hatte enormes Glück, dass Linebacker Kenneth Murray einen unvorsichtigen Pass nicht mit einer Interception bestrafte, und so verwaltete die Offense das Spiel eher.

Dabei half es, dass die beiden Cornerbacks Xavien Howard und Byron Jones nach jeweils ziemlich schwachen Auftritten in Arizona wieder in gewohnter Form auftraten. Das erlaubte es Miami, defensiv einmal mehr sehr intensiv über den Blitz zu kommen und Chargers-Rookie-Quarterback Justin Herbert so vor enorme Probleme zu stellen.

Miami ist nach wie vor im Umbruch, Tua Tagovailoa hat gerade erst das Zepter übernommen. Aber die Dolphins sind im Playoff-Rennen nicht nur mitten drin - mit noch einem direkten Spiel gegen Buffalo vor der Brust könnte Miami sogar noch aus eigener Kraft die Division gewinnen. Dass die Offense - und das betrifft nicht nur Tua, sondern auch die Line - so weit ist, da darf noch ein größeres Fragezeichen dahinter stehen. Doch in jedem Fall ist Miami ein Team, das Spiele im Gesamtverbund gewinnt. Und das macht die Dolphins zu einem sehr unangenehmen Gegner.

4. Der wöchentliche NFC-East-Check

Dass die Giants die Eagles schlagen können, sollte einen vermutlich nicht allzu sehr überraschen. Im Gegenteil, man könnte argumentieren, dass die Giants bereits im direkten Duell vor einigen Wochen das bessere Team waren - und letztlich nur ein Drop durch Evan Engram New York schon damals von einem Sieg trennte.

Und dennoch sollte sich das Blatt eigentlich langsam wenden, zugunsten der Eagles. Mit einer gesünderen Offense, einem (leicht) stabilisierten Carson Wentz - Philly, so schien es, befand sich in der besten Position, um in einer schwachen Division in der zweiten Saisonhälfte die Kontrolle zu übernehmen.

Umso besorgniserregender war der Auftritt bei der Pleite gegen die Giants. Nicht einfach nur, weil New York das bessere Team war und in Daniel Jones auch im zweiten Duell im direkten Vergleich den besseren Quarterback hatte. Sondern weil das, was eigentlich endlich funktionieren sollte, alarmierend stotterte.

Viele der großen Probleme bei Carson Wentz in den ersten Saisonspielen, aber auch in vergangenen Wochen wie etwa gegen die Cowboys ließen sich auf individuelle Aussetzer zurückführen. Spät im Down, wenn er den Ball ewig hielt, scrambeln wollte oder auch seinem Arm bei Würfen komplett in Coverage vertraute - da kamen viele der gravierenden Patzer.

Alarmierend gegen New York war, dass hier eher das Gegenteil zutraf. Wentz spielte weitestgehend innerhalb der Struktur der Offense, er spielte konservativ. Sicher nicht fehlerfrei, aber eben auch nicht mit den enormen Aussetzern. Das Resultat war eine sehr statische Offense, mit sehr durchwachsenem First-Down-Play-Calling und einer horrenden Third-Down-Quote (0/9). Wentz spielt keine gute Saison, aber wir sind in Philly längst an dem Punkt angekommen, an dem man auch den Trainerstab deutlich mit in die Kritik einschließen muss.

Giants: Mit-Favorit in der NFC East

Das betrifft auch die defensive Seite des Balls, wo die Eagles wieder einmal ihrem Potenzial nicht gerecht wurden. Die Giants konnten so den Ball oftmals viel zu einfach bewegen und Jones, der zum wiederholten Male ohne Turnover blieb, brachte auch hier wieder einige sehenswerte Big Plays durch die Luft an.

Und nicht nur das, Jones lief auch neun Mal für 64 Yards und einen Touchdown. Warum die Giants dieses Mittel nicht schon deutlich früher intensiver in ihre Offense eingebaut haben, ist schwer zu erklären - mit einer wackligen Offensive Line, einem Quarterback, der nicht gut durch die Pocket arbeitet, aber eine gewisse Mobilität mitbringt, hätte man schon deutlich früher Option-Plays und Zone Reads einbauen können.

Jetzt scheint dieses Element mehr und mehr in der Offense angekommen zu sein, und trotz all der Defizite in diesem Team haben die Giants aktuell alle Chancen, diese Division zu gewinnen. Zumindest so lange Philly weiter seine PS nicht ansatzweise auf die Straße bekommt könnte man sogar argumentieren, dass die Giants für den Moment wie der Favorit in der NFC East aussehen.

Und Washington? Lange war es wirklich, wirklich zäh, was Washington gegen Detroit offensiv anbot. Hier und da einige Plays aus Empty Sets, einzelne Highlights, nicht mehr - umso eindrucksvoller dann das späte Comeback, auch wenn man da fast noch mehr über die Lions-Defense sprechen muss. Washington bleibt das einzige Team, das in diesem Jahr noch auf Punkte bei einem Opening-Drive wartet; gegen Detroit kam die Offense zwar prompt in die Red Zone, ein langer Sack bei Third Down verhinderte aber selbst ein Field Goal.

Mit seiner Defensive Front und mit Terry McLaurin hat Washington vermutlich die beste Unit - die Defensive Line - und den potenziell besten Wide Receiver in der NFC East. Aber was genau können wir von Alex Smith im weiteren Saisonverlauf erwarten? Wenn Smith seine hohe Baseline tatsächlich nochmal erreicht, ist Washington noch nicht abzuschreiben.

5. Buccaneers vs. Panthers: Wer ist hier der Star?

Eines vorneweg: Es ist nach wie vor Kritik auf hohem Niveau, wenn man über Tampa Bays Offense schreibt, nachdem die gerade über 40 Punkte gegen Carolina aufs Board gebracht hat. Es ist eben auch ein Team, das mit Tom Brady im absoluten Win-Now-Fenster ist, und trotz des letztlich dominanten Siegs über Carolina waren einige wiederkehrende Probleme sichtbar.

"Der Star ist der Star" - wenn man ein Motto für diese Bucs-Offense entwerfen wollen würde, das wäre jedenfalls wahrheitsgemäß. Nicht das Scheme, nicht das Play-Calling, nicht die Mannschaft ist der Star - die individuelle Qualität ist das, was dieses Bucs-Team prägt. Und zu einem gewissen Grad ist das auch in Ordnung, dafür hat man schließlich seine Superstars. Um in einzelnen Situationen, einzelnen Phasen eines Spiels schlicht mit der individuellen Qualität Situationen zu lösen und Matchups zu gewinnen.

Das sich seit Wochen, auch gegen die Panthers am Sonntag, wiederholende Problem für Tampa ist, dass die individuelle Qualität eben viel mehr als nur Komplementärstück der Offense ist. Was natürlich nicht heißt, dass im Play-Calling alles schlecht ist, es sind eher einzelne, dafür umso auffälligere Probleme.

Auch abgesehen vom weiter stur durchgezogenen First-Down-Run-Game, die übergreifenden strukturellen Defizite fallen einfach auf. Sequenzen etwa wie tief in der Red Zone früh im Spiel, als die Bucs auf einen Inside Run einen komplizierten Screen folgen ließen und dann wieder in einem "langen" 3rd&Goal waren. Viele Dinge wirken komplizierter als sie mit diesem Personal sein sollten.

Warum sind Checkdowns zu den Running Backs so prominent - zu diesen Running Backs umso mehr, von denen keiner ein sonderlich talentierter Pass-Catcher ist? Zu häufig hat man den Eindruck, dass es nur tiefe(re) Routes oder Checkdowns gibt, und zu wenig dazwischen. Statt auch ein ausgeprägtes Kurzpassspiel aufzuziehen und die fantastischen Waffen zu nutzen, sehen die Running Backs auffällig viele Targets. Was womöglich eine Mischung aus Play-Designs und auch Bradys Wunsch aus ein paar schnellen Completions ist.

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Panthers: Wie lange bleibt Brady?

Zwei Gedanken noch dazu: Die Bucs haben eben auch immens hohe Qualität. Brady - der diese Woche einige durchaus mögliche Deep Balls auch verfehlt hat - trägt die Offense immer wieder aus den langen Second Downs heraus.

Die Wide Receiver, hier hatte Antonio Brown eine auffällige Schlussphase gegen die Panthers, gewinnen ihre Eins-gegen-Eins-Matchups, die zwangsläufig irgendwann kommen und auch Gronk hatte wieder einen Vintage-Gronk-Moment. Gleichzeitig aber unterstreichen die Auftritte der Defense zuletzt, wie wacklig defensive Elite-Auftritte sind. Anders gesagt: Die Bucs brauchen eben die entsprechenden Auftritte ihrer Offense auch.

Doch die Panthers sollten hier nicht komplett untergehen - und auch da ist die Diskussion über den offensiven Star spannend. Ist es Teddy Bridgewater, der als konstanter, verlässlicher Ballverteiler der Offense die Base-Line gibt? Oder nicht doch eher Offensive Coordinator Joe Brady, dessen Play-Designs die Explosivität in die Offense bringen ?

Gegen die Bucs kombinierte Brady beides, indem das Play-Calling extrem auf kurze Passkonzepten aufbaute - Shallow Crosser, kurze Out-Routes, Kurzpassspiel via Play Action, Slants, Swings - und dann teilweise mit Screens, teilweise mit einzelnen Deep Shots etwa aus erhöhter Protection. Die Tendenz in der Beantwortung der Frage ist sicher eher Brady, auch wenn Bridgewater seine Rolle aktuell gut ausfüllt. Und hier lautet die bittersüße Frage für Panthers-Fans: Wie lange kann man Brady als Offensive Coordinator halten, wenn der so weiter macht?

6. Ravens-Offense zunehmend in Alarmstufe Rot

"Panik oder Overreaction?" Diese Frage hatte ich an dieser Stelle letzte Woche mit Blick auf die Ravens-Offense gestellt . Damals war es insbesondere eine alarmierend schlechte erste Halbzeit gegen die Indianapolis Colts, die wieder einmal ernsthafte Bedenken dahingehend aufwarf, ob Baltimores Offense dieses Jahr gut genug für die ganz hohen Ziele ist. Und wie drastisch der Dropoff ist, wenn die Ravens mal den Ball werfen müssen.

Die überraschende Niederlage gegen die Patriots am Sonntagabend unterstrich die generellen offensiven Bedenken. Natürlich waren die äußeren Bedingungen schwierig, aber umso auffälliger war, wie deutlich Baltimores Offense im Vergleich zum Vorjahr an Durchschlagskraft verloren hat. Etwa als die Ravens früh in der zweiten Hälfte noch ihren Stil spielen konnten, aber die Räume im Run Game einfach nicht da waren. Gegen eine Patriots-Defense, die den Run diszipliniert verteidigte, aber doch klare Defizite gerade in der Run-Defense hat. Und dann kommen eben Fehler, wie der vermasselte Wildcat-Snap bei Fourth Down oder offensive Formationsfehler, noch mit dazu. Die kann Baltimore sich schlicht nicht leisten.

So bleibt es dabei, dass alles hart erarbeitet ist. Selbst der 11-Play-Touchdown-Drive spät im dritten Viertel war geprägt von mehreren haarscharfen Würfen, Baltimore musste ein weiteres Fourth Down ausspielen und dann hatten die Ravens noch Fumble-Glück.

Die alarmierende Nachricht ist, dass eine schnelle Korrektur nicht in Sicht ist.

Jackson hatte unter der Woche zugegeben, dass Defenses teilweise die Play-Calls an der Line of Scrimmage erkennen, und das ergibt Sinn: Baltimores Offense im Vorjahr war nie komplex, sie lebte davon, dass Defenses extrem diszipliniert Jackson und all die Option-Plays hinter einer Elite-Line verteidigen mussten. Die Line ist nicht mehr auf dem Level, Defenses verteidigen Baltimores Option-Offense aber eben auch sicherer. Das konnte man jetzt mehrfach beobachten.

Die Ravens müssen offensiv umdenken, das betrifft zunächst aber die Kaderplanung. Gefühlt war diese Partie im starken Regen von Foxboro so auch mit dem ersten Drive der zweiten Hälfte schon halb entschieden, als die Patriots mit wenigen gut designten Run-Plays schnell zum Touchdown das Feld runter marschierten und auf 20:10 erhöhten. Lamar Jackson steht jetzt 0-6 in seiner NFL-Karriere, wenn sein Team mal mit mindestens zehn Punkten in Rückstand gerät.

Es ist, wie letzte Woche bereits ausführlicher ausgeführt, weiterhin kein Team, das Rückstände aufholen kann. Das liegt an Jackson selbst, es liegt aber auch an der ganzen Art und Weise, wie die Offense aufgebaut ist. Dass eben die Receiving-Waffen fehlen, gerade Outside. Dass die Offensive Line deutlich mehr wackelt als letztes Jahr. Dass, bei allem Lob für die Run-Designs, das Play-Calling im Passspiel sehr eindimensional daherkommt.

Gegen die Colts konnte Baltimore ins Spiel zurückkommen, weil die Ravens-Defense Indianapolis' Offense in der zweiten Hälfte komplett erstickte. Doch das ist immer eine wacklige Basis für Erfolg, und das Spiel gegen eine wirklich anfällige Patriots-Offense unterstrich das eindrucksvoll: Die Ravens-Defense wird das Team nicht jede Woche tragen können, manchmal lässt man eben 23 Punkte zu, manchmal ist das Matchup einfach nicht gut, wie gegen New Englands Run Game ohne Calais Campbell auf dem Feld.

Dass Baltimores Offense in so einem Szenario ein Spiel wieder an sich reißen kann, diesen Beweis sind die Ravens in der Lamar-Jackson-Ära bis heute komplett schuldig geblieben.

7. Broncos: Wie viel Zeit bekommt Drew Lock noch?

Die ausstehenden Saisonspiele sind und bleiben das Bewerbungsgespräch für Drew Lock: Geht er in die kommende Saison als Starter? Gibt es ein Quarterback-Duell? Welche Ressourcen investiert Denver in der Offseason in einen möglichen Konkurrenten? In den vergangenen Wochen war das häufig eine Achterbahnfahrt: Gute Plays wechselten sich mit schlechten ab, eine schon dick rot unterstrichene Lock-Performance erhielt plötzlich eine spektakuläre späte Wende.

Doch schon das stand meist auf sehr wackligen Beinen. Wie häufig kann er spät im Spiel den Schalter umlegen? Wann stellt er diese ganzen wilden Plays ab - und passiert das überhaupt irgendwann?

Das Raiders-Spiel sah auf dem Papier aus wie eine perfekte Einleitung für die zweite Saisonhälfte. Eine extrem wacklige Coverage-Unit, ein inkonstanter Pass-Rush, und laufen kann man den Ball gegen Las Vegas auch meist. Hier hätte Lock die ersten Grundsteine für sein Plädoyer legen können - und stattdessen legte er ein gigantisches Ei.

Denver ging gegen die Raiders komplett baden, maßgeblich bedingt durch fünf Turnover der Raiders-Defense. Vier davon waren Interceptions von Lock, darunter ein Overthrow über K.J. Hamler über die Mitte des Feldes aus sauberer Pocket und eine üble Interception in die Arme des wartenden Safetys Jeff Heath in der Endzone. Was um alles in der Welt er sich bei dem Pick zu Beginn des Schlussviertels gedacht hat, wird für immer Locks Geheimnis bleiben.

Und ja, die Raiders setzten ihn auch mehr unter Druck als gedacht und Lock wirkte schon früh im Spiel angeschlagen, während Las Vegas mühelos mit dem eigenen Run Game immer weiter davonzog. Aber auch nach dieser Woche kann das Zwischenfazit für Lock nicht positiv ausfallen, und das Zeitfenster, um das Ruder herumzureißen, wird immer kleiner.

8. Saints: Warum ist Taysom Hill weiter nur Gadget-Spieler?

Schön war es nicht, was die Saints gegen San Franciscos ersatzgeschwächtes Team boten - schon am Montagmorgen wird das in New Orleans niemanden interessieren. Nicht nur, weil die Saints mit dem Sieg knapp davonkamen, sondern weil sich jetzt alles um Drew Brees dreht. Brees verpasste die zweite Hälfte gegen die Niners mit einer Rippenverletzung, wie lange er jetzt womöglich zuschauen muss, ist noch unklar.

Zwei Dinge waren sportlich betrachtet in der direkten Folge interessant: Jameis Winston übernahm für Brees, nicht etwa Taysom Hill. Es ist das gleiche Szenario wie im Vorjahr, als nach der Brees-Verletzung Teddy Bridgewater, und nicht Hill, starten durfte. Der Unterschied zu damals? Inzwischen hat Hill einen nach wie vor schockierend teuren Vertrag für 2021, was eigentlich nahelegt, dass die Saints ihm tatsächlich so sehr vertrauen, dass sie ihn zumindest für ein Jahr als echten Starter sehen wollen.

Doch wenn das stimmt - warum ihn dann nicht jetzt starten lassen? Warum ist er ganz offensichtlich abermals nur der Gadget-Spieler und Backup Nummer 3? Warum haben die Saints ihm für 2021 einen derart hoch dotierten Vertrag (Cap Hit: 16,1 Millionen Dollar) gegeben?

Der andere Part: Winston kam nicht etwa rein und die Offense wurde plötzlich auf den Kopf gestellt, im Gegenteil. Der als risikofreudige Gunslinger bekannte Winston warf ganze zwei Pässe, die weiter als elf Yards tief flogen, keiner der beiden kam an. Es waren kurze Pässe, es waren einige merkliche Unsicherheiten und, dass Hill dann doch wieder mehrfach bei Third Down rein kam, dürfte Winstons Rhythmus nicht geholfen haben.

So gut die Saints-Defense und insbesondere die Front gegen San Francisco spielte, die Augen im Big Easy ruhen jetzt auf der Quarterback-Position. Sollte Brees ausfallen und Sean Payton Winston zum Starter erklären, dürfte es mehr Folgefragen als im Vorjahr geben.

9. Browns im Playoff-Rennen - Texans im Nichts

Allzu viele Schlüsse sollte man aus einem Spiel, bei dem es derart stürmte und gewitterte, dass die Partie mit einer guten halben Stunde Verspätung überhaupt erst begann, nicht ziehen. Aber zumindest für Cleveland war das Duell mit den Texans nicht das erste dieser Art, mit einem merklichen Unterschied.

Wo die Browns gegen die Raiders jüngst unter ebenfalls schwierigen Bedingungen so gar nicht das eigene Spiel spielen konnten, gelang das dieses Mal deutlich besser: Cleveland, das ohnehin viel um das Run Game herum aufbaut, lief fast doppelt so häufig (39 Mal) wie Baker Mayfield den Ball warf (20 Mal) - und das mit Erfolg: 231 Rushing-Yards ebneten den Weg für Cleveland, das weiter ein Team mit einigen klaren Schwachstellen bleibt, aber schwächere Gegner in die Knie zwingen kann.

Ein großer Unterschied im Vergleich zum Raiders-Spiel waren die Comebacks von Wyatt Teller in der Offensive Line sowie Nick Chubb im Backfield; das gut designte Run Game in Kombination mit einem simplen Play-Action-Passspiel sowie einem absoluten Superstar in der Defense - auch gegen Houston dominierte Myles Garrett phasenweise die Partie - reicht, um wacklige Teams wie die Texans zu schlagen und im Playoff-Rennen zu bleiben.

Houston auf der anderen Seite steht vor einem gigantischen Scherbenhaufen. Gegen die Browns war schnell klar, dass die vertikale Offense der Texans hier nicht funktionieren würde, und einen wirklichen Plan B haben die Texans offensiv nicht. Doch Houston steuert auf einen drastischen Rebuild zu, und das ohne Erst- oder Zweitrunden-Pick im kommenden Draft. Und die, da muss man kein Prophet sein, werden hoch sein.

10. Green Bays Beinahe-Patzer - Luton vs. Minshew?

Es war ein typisches Trap Game - zuhause, haushoher Favorit, ein Rookie-Quarterback, der gerade erst reingeworfen wurde, und ein Duell mit den deutlich stärkeren Indianapolis Colts vor der Brust. Es war auch Wetter-technisch ein nicht gerade ideales Spiel. Und defensiv fehlte mit Jaire Alexander der mit Abstand beste Spieler.

All das darf aber keine Ausrede sein. Nicht dafür, dass Green Bay gegen diese Jaguars-Defense den Ball nicht laufen konnte. Nicht dafür, dass Aaron Rodgers eine komplett uncharakteristische Interception warf oder, dass Davante Adams mit einem Fumble die Jags im Spiel hielt. Nicht dafür, dass man auch gegen Jacksonville den Run überhaupt nicht stoppen konnte.

Einiges davon deutet auf Unkonzentriertheiten hin, die man sich in der NFL nicht leisten darf - andere Aspekte, allen voran die Run-Defense-Probleme, ziehen sich wie ein roter Faden durch Green Bays Saison.

Und natürlich spricht es irgendwo auch für die Packers, dass sie die Partie am Ende gewannen. Aber es war auch eine Erinnerung daran, dass Green Bay klar definierbare Schwächen und nicht den offensiven Spielraum für Fehler hat, den einige der deutlichen Siege aus der Saison-Frühphase suggerierten.

Nur ein kurzer Gedanke zu den Jaguars: Jake Luton hat seine unterhaltsamen Momente, und zu sagen, dass man ihn bis Saisonende testen möchte, ist in Ordnung. Ist es eine realistische Prognose, dass er besser sein wird als Gardner Minshew? Das halte ich aktuell noch für das unwahrscheinlichere Szenario. Aber realistisch betrachtet geht es in Jacksonville ohnehin primär darum, wer sich für den Backup-Posten nächstes Jahr bewirbt - und vielleicht ist Minshew auch das bessere Trade-Asset.