In Deutschland herrschen Kontaktbeschränkungen, nicht notwendige Reisen sollen wegen der Corona-Pandemie auf ein Mindestmaß reduziert werden. Trotzdem haben sich heute Vertreter von 14 Bundesligisten und des Zweitligisten Hamburger SV im Frankfurter Airport Hotel getroffen . Eintracht Frankfurts Sportvorstand Fredi Bobic dankte vor Beginn des Treffens explizit Bayern Münchens Vorstandsvorsitzendem Karl-Heinz Rummenigge für die Organisation des Treffens.
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Genug zu besprechen gab es tatsächlich, allein der Umgang mit Corona und einer weiter drohenden erneuten Unterbrechung des Spielbetriebs erfordert eine enge Abstimmung der Klubs. Dazu kämen noch die allgemeine Führungskrise beim DFB, die Frage, wer dem 2022 aufhörenden DFL-Chef Christian Seifert nachfolgen könnte. Und dann wäre da noch der Streit ums liebe Geld; die Frage nach der Verteilung der TV-Gelder, über die das Präsidium der DFL Anfang Dezember entscheiden soll.
Themen, bei denen eine enge Abstimmung der Bundesligisten sinnvoll ist, die aber wahrscheinlich auch per Videoschalte aus dem Home Office hätten diskutiert werden können.
Für Kopfschütteln bei Außenstehenden und Unmut bei einem Teil der Bundesligisten hat aber die fast schon kindisch-beleidigt anmutende selektive Einladungsliste von Rummenigge und Co gesorgt. Nach dem Treffen attackierte Rummenigge die Klubs, die er nicht zum Treffen eingeladen hatte, scharf.
TV-Gelder: Wie sollen 1,35 Milliarden Euro verteilt werden?
Ausgeschlossen vom "Frankfurter Kreis" wurden nämlich Vertreter des VfB Stuttgart, FC Augsburg, von Arminia Bielefeld und vom FSV Mainz 05. Diese hätten den anderen Klubs "den Fehdehandschuh hingeworfen", sagte Rummenigge.
Tatsächlich haben die Angegriffenen gemeinsam mit zehn Zweitligisten ein Ideenpapier mit Denkanstößen und Vorschlägen über die künftige Verteilung der TV-Gelder verfasst. Mitte Oktober war das Ideenpapier per Rundmail an alle DFL-Mitglieder verschickt worden. Bewusst nicht als Forderungskatalog, sondern als Diskussionsanregung. Die Entscheidung über die Verteilung der TV-Gelder obliegt satzungsgemäß dem DFL-Präsidium. Doch das genügt in der Bundesliga einigen der Mächtigen offenbar schon, um als Revolutionäre und Nestbeschmutzer gebrandmarkt zu werden.
"Den Solidarpakt haben nicht wir gebrochen", ergänzte Rummenigge. Man habe in Frankfurt "über das Thema TV-Geld-Verteilung gar nicht groß diskutiert." Jedoch einen klaren Beschluss gefällt. Nämlich, dass "der Kompetenzbereich hier exklusiv beim DFL-Präsidium liegt." Dies betonen im Übrigen auch die Unterzeichner des Positionspapier. Der Unterschied aber nach Rummenigge: "Wir werden kein Positionspapier erarbeiten und quer durch die Republik schicken, wie es andere getan haben". Allerdings sei "in der Vergangenheit ja aus so manchem Saulus noch ein Paulus geworden".
Das saß. Es ist natürlich nicht das erste Mal, dass sich die Bundesligisten über die Frage, wie die TV-Gelder verteilt werden sollen, in die Haare kriegen. Jedoch ist die Lage dieses Mal eine Besondere. Zum ersten Mal seit Menschengedenken werden die TV-Einnahmen nicht steigen. 1,1 Milliarden Euro werden ab der kommenden Saison aus der nationalen TV-Vermarktung verteilt, aktuell sind es rund 1,2 Milliarden Euro. Ohne Pandemie wären es um die 1,4 Milliarden Euro gewesen. Dazu würden noch 250 Millionen Euro aus den internationalen TV-Erlösen kommen, die jedoch durch coronabedingt ausbleibende Zahlungen internationaler TV-Sender noch sinken werden. Rummenigge sprach in Frankfurt sogar von "international knapp 100 Millionen Euro" weniger.
Das Konfliktpotential ist da natürlich beträchtlich. Rummenigges Eskalationsstufe wirkt jedoch angesichts des komplexen, aber in sehr moderatem Ton verfassten Ideenpapiers reichlich übertrieben.
TV-Gelder: In England ist die Spreizung geringer
SPOX und Goal kennen die Inhalte Ideenpapiers und geben sie im Folgenden wider.
Hintergrund der Überlegungen der 14 Erst-Unterzeichner war neben der Frage, wie die Bundesliga wieder spannender werden könnte das Bestreben, die Schere zwischen Arm und Reich nicht noch größer werden zu lassen - und die Folgen der Corona-Pandemie abzuschwächen.
Die vier Bundesligisten wollten sich auf Anfrage von SPOX und Goal nun nicht zu ihrem Ideenpapier und der Nicht-Einladung äußern. Um kein weiteres Öl ins Feuer zu schütten.
"Es muss unser gemeinsames Interesse sein, dass die Fans wieder einen Wettbewerb sehen, bei dem sie nicht schon vorher wissen, wie er ausgeht", meinte Stuttgarts Vorstandschef Thomas Hitzlsperger zuletzt.
In der Bundesliga scheint tatsächlich mittlerweile nicht nur der Meister schon vorher festzustehen, sondern eben auch die Teilnehmer an der Champions und Europa League und die Kandidaten um den Abstieg. Ein Grund dafür ist für die Unterzeichner des Ideenpapiers die stark erfolgsabhängige Verteilung der TV-Gelder, die den Unterschied zwischen Arm und Reich immer größer werden lässt.
Die Initiatoren schlagen vor, die Spreizung der Gelder zwischen dem besten und schlechtesten Klub der ersten Bundesliga wieder maximal auf den Faktor zwei zu senken. Sprich: Der TV-Geld-Meister soll künftig maximal doppelt so viel erhalten wie der Tabellenletzte in der TV-Geld-Liga. Momentan darf der FC Bayern München aus den Erlösen aus der nationalen und internationalen TV-Vermarktung in der laufenden Saison mit rund 115 Millionen Euro Einnahmen rechnen, Arminia Bielefeld als Letzter mit rund 30 Millionen Euro.
In der Premier League, die einzige europäische Top-Liga, in der etwas Abwechslung an der Tabellenspitze herrscht, liegt die Spreizung zwischen dem bestem und schlechtestem Klub nur beim Faktor 1,8. Erreicht wird dies in England durch die paritätische Aufteilung der internationalen TV-Erlösen.
TV-Gelder: Nur noch 50 Prozent erfolgsabhängig?
Momentan erhält in Deutschland allein der FC Bayern München rund ein Fünftel des gesamten Kuchens aus den internationalen TV-Erlösen von rund 250 Millionen Euro. Wenn Bayern künftig nur 1/18 dieser Einnahmen erhalten würde, wäre die Spreizung sofort beim gewünschten Faktor.
Die 14 Unterzeichner des deutschen Ideenpapiers regen dagegen an, künftig nur noch 50 Prozent der Einnahmen erfolgsabhängig und 50 Prozent paritätisch an die 36 DFL-Klubs zu verteilen. Im aktuellen - sehr komplizierten - Rechenmodell werden bis zu 98 Prozent der Gelder nach erfolgsorientierten Kriterien verteilt.
Dass die Initiatoren künftig 50 Millionen Euro (statt aktuell 8 Millionen Euro) aus der internationalen Vermarktung an die Zweitligisten geben wollten, ist aus dem Positionspapier nicht ersichtlich. Von einer solchen Forderung hatte Mitte Oktober unter anderem die Bild berichtet.
Vor allem wegen solcher vermeintlichen Gedankenspiele dürfte Carsten Cramer im Interview mit SPOX und Goaldie Umverteilungsdiskussion als "nicht zielführend" bezeichnet haben . "Man muss das, was die Vereine individuell leisten, wertschätzen. Jeder Verein hat Möglichkeiten, sich selbst zu entwickeln. Ob der Meisterschaftskampf, der am Ende über die Attraktivität der Liga entscheidet, spannender wird, weil Borussia Dortmund fünf Millionen Euro weniger und Mainz 05 fünf Millionen Euro mehr bekommt, wage ich zu bezweifeln", hatte Cramer gesagt.
Dem stellen die Initiatoren aber entgegen, dass fünf Millionen Euro mehr im Geldbeutel einen Klub wie Mainz zwar nicht zum Meister machen, aber das finanzielle Überleben sichern und deutlich mehr Spielraum in der Kaderplanung verschaffen würde. Beim BVB oder dem FC Bayern wären fünf Millionen Euro mehr oder weniger im Spieleretat prozentual kaum ausschlaggebend.
Weitere Vorschläge der Unterzeichner des Positionspapiers: Die Mehrjahreslogik bei der Verteilung der TV-Gelder soll grundsätzlich beibehalten werden, jedoch regen sie eine Neubewertung der Leistungskriterien an. Wer etwa gute Nachwuchsarbeit leistet, soll noch mehr belohnt werden wie bisher. Neu hinzukommen soll als Kriterium für den Verteilschlüssel auch der Beitrag der Klubs zur Attraktivität der Liga. Ein Kriterium, das eindeutig die erfolgreichen und populären Klubs stärken würde. Und sicher weniger Vereine wie beispielsweise Mainz oder Augsburg, die den Vorschlag gemacht haben.
TV-Gelder: Entwicklung der nationalen Erlöse seit 2000:
Saison TV-Einnahmen 2000/2001 355 Millionen Euro 2001/2002 340 Millionen Euro 2002/2003 290 Millionen Euro 2003/2004 299 Millionen Euro 2004/2005 302 Millionen Euro 2005/2006 300 Millionen Euro 2006/2007 405 Millionen Euro 2007/2008 405 Millionen Euro 2008/2009 405 Millionen Euro 2009/2010 385 Millionen Euro 2010/2011 405 Millionen Euro 2012/2012 415 Millionen Euro 2012/2013 441 Millionen Euro 2013/2014 560 Millionen Euro 2014/2015 615 Millionen Euro 2015/2016 663 Millionen Euro 2016/2017 673 Millionen Euro 2017/2018 1 Milliarde Euro 2018/2019 1,05 Milliarden Euro 2019/2020 1,1 Milliarden Euro 2020/2021 1,2 Milliarden Euro (wg. Corona rund 200 Mio. Euro weniger als geplant) ab 2021/2022 1,1 Milliarden Euro