Trainer Lucien Favre wollte den Sieg einfach nur "genießen. Wir haben 3:0 gewonnen. Wir sind alle sehr zufrieden, sind Tabellenführer, wir haben keine Gedanken an das nächste Spiel."
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Damit dürfte der BVB-Coach aber recht alleine gewesen sein. Favre kommt einfach nicht raus aus seiner Haut. Denn natürlich war das Bundesliga-Spitzenspiel am Samstag gegen Tabellenführer FC Bayern München nach der souveränen Vorstellung in der Champions League ein Thema.
"Wir wissen, dass wir zu Hause gewinnen können gegen Bayern, das haben wir mehrfach bewiesen, das ist auch jetzt unser Ziel", sagte etwa Verteidiger Manuel Akanji.
Wieso Dortmund aus dem 3:0 beim belgischen Meister solches Selbstbewusstsein zieht und warum es vor allem für Favre ein sehr süßer Sieg war: die Erkenntnisse zum Spiel.
BVB: "Fühlen uns wohl in der Viererkette"
Was war das für ein Brimborium in der Saisonvorbereitung. Da hatte Lucien Favre es doch tatsächlich gewagt, seine persönliche taktische Präferenz auszusprechen. "Ich spiele lieber mit Viererkette", hatte der Trainer von Borussia Dortmund also festgestellt und seine Mannschaft, die über weite Strecken der abgelaufenen Rückrunde aus einer 3-4-2-1-Grundordnung heraus erfolgreich gewesen war, das System mit der Viererkette trainieren lassen.
Die Bosse sollen nicht so amused gewesen sein, der Kader sei doch für eine Dreierkette prädestiniert, die Ergebnisse in den Testspielen waren ernüchternd, nach zwei Niederlagen gegen Feyenoord Rotterdam und den VfL Bochum knickte Favre ein. "Mit unserem Kader ist es vielleicht besser, mit einer Dreierkette zu spielen", sagte der Coach und ließ zu Saisonbeginn wieder im 3-4-2-1 spielen. Die Viererkette ließ er trotzdem weiter trainieren. Favre kennt eben seine Mannschaft.
Nach dem zugegebenermaßen peinlichen 1:3 bei Lazio Rom am ersten Spieltag der Champions League stellte Favre dann auf seine geliebte 4-2-3-1-Grundordnung um. Seitdem gab es vier souveräne Siege und die bis auf kleine Ausnahmen schon vorher stabile BVB-Defensive wirkt noch sicherer.
"Die ganze Mannschaft verteidigt sehr gut. Wir fühlen uns im neuen System mit der Viererkette sehr wohl", sagte Innenverteidiger Manuel Akanji nach dem 3:0 in Brügge, "manchmal reicht ein kleiner Wechsel, dass es gleich besser läuft".
Akanji, traditionell eher für seine Passfertigkeiten als seine Zweikampfführung bekannt, gewann in Brügge starke 72 Prozent seiner Zweikämpfe. "Wir verteidigen zusammen. Der Trainer liebt das, das wissen wir. Er ruft an der Linie immer 'Defensiv! Defensiv! Defensiv!'", sagte Thorgan Hazard, der Torschütze zum 1:0.
Borussia Dortmund: Acht Spiele ohne Gegentor
In der Tat blieb der BVB wettbewerbsübergreifend in acht von elf Spielen ohne Gegentor.
Ganz besonders von der Systemumstellung scheint aber auch Neuzugang Thomas Meunier zu profitieren. Meunier war bis zur Umstellung das größte Sorgenkind im Kader, nun scheint er sich immer besser einzufinden und bereitete in Brügge sein zweites Tor in Serie vor.
Der Rechtsverteidiger hatte mit seiner laufintensiven Rolle im 3-4-2-1 von Beginn an gefremdelt, schnell war klar geworden, dass er die Lücke, die der offensive Dauerläufer Achraf Hakimi mit seinem Weggang zu Inter Mailand hinterlassen hatte, nicht 1:1 würde ersetzen können. Meunier hat seine Stärken, obwohl gelerneter Außenstürmer, eher im Zerstören des gegnerischen Spiels, nicht umsonst wird er in seiner Heimat "Maschine" genannt.
"Mit Hakimi haben wir oft in einer Dreierkette gespielt, wo er seine Qualität extreme Schnelligkeit zeigen konnte, Thomas Meunier macht auch viel nach vorne, aber er kommt schnell zurück. Er muss noch ein paar Details verbessern, aber er macht das seit ein paar Wochen sehr gut", lobte Favre den Rechtsverteidiger in Brügge.
BVB: Favres Intuition mit Witsel geht auf
Überhaupt dürfte das Spiel in Brügge vielen Favre-Kritikern nicht gefallen haben: Bewies der Trainer doch wieder mal, dass er schon sehr genau weiß, was er tut.
Auf fünf Positionen veränderte Favre seine Mannschaft im Vergleich zum etwas mühsamen 2:0 gegen Arminia Bielefeld am Samstag. Die Neuen ersetzten den verletzten Hummels und außerdem Reus, Passlack, Sancho und Bellingham. Alle fünf Reinrotierten spielten gut, Dahoud organisierte leichtfüßig das Mittelfeld, Haaland tat Haaland-Dinge, Guerreiro und Reyna machten ausreichend Dampf (wenn auch etwas weniger als gewohnt) - doch Favres Geniestreich war seine Idee, Axel Witsel für den verletzten Hummels neben Akanji in die Defensiv-Zentrale zu setzen.
Mittelfeldspieler Witsel gewann in der Innenverteidigung bärenstarke 75 Prozent seiner Zweikämpfe, brachte fast 92 Prozent seiner 72 Pässe an den Mitspieler und gewann neun Bälle, mehr als jeder andere seiner Mitspieler.
"Axel hat einen sehr guten Job gemacht neben mir, er hat viele Zweikämpfe gewonnen, wusste, wo er stehen musste, ich musste ihm nicht sehr helfen", lobte Akanji, momentan der einzige gesunde gelernte Innenverteidiger im Kader. "Es ist gut zu wissen, dass wir noch einen Spieler haben, der auf dieser Position spielen kann. Das ist sehr gut für uns alle", sagte Akanji bei Sky weiter.
Als Favre gefragt wurde, wieso er Witsel und nicht etwa den etwas defensiveren Thomas Delaney in die Viererkette beordert habe, antwortete der Coach: "Es war eine Intuition, heute zu viert hinten zu spielen und Axel Witsel neben Akanji zu stellen. Axel hat sehr clever gespielt. Ich bin sehr zufrieden mit seiner Leistung", sagte er.
Überhaupt funktionierte die zentrale Achse beim BVB in Brügge hervorragend. Diese wird wohl auch beim Bundesliga-Gipfelspiel am Samstag gegen Bayern München entscheidend sein.
Und unabhängig von der Frage, wie fahrlässig eine Kaderplanung war, die die Dortmunder nur mit drei gelernten Innenverteidigern in die Saison gehen ließ - der coronakranke Emre Can ist ja eigentlich auch gelernter Mittelfeldspieler: Der BVB hat mit Witsel eine Alternative mehr im Abwehrzentrum.
Ob es am Samstag zu einer Wiederholung kommen wird, ist jedoch offen. Mats Hummels geht davon aus, bis zum Spitzenspiel seine muskulären Probleme überwunden zu haben.
BVB: Haaland einfach nicht zu bremsen
Ohne seine Tore hätte man an dieser Stelle fast auch die Frage stellen können, ob Erling Haaland eigentlich richtig teilgenommen habe am Spielgeschehen in Brügge?
Waren seine 37 Ballaktionen die wenigsten der Startspieler, für einen Mittelstürmer aber noch vertretbar, war sein Bewegungsradius in Belgien aber sehr gering. Aber Haaland hat nun mal aus vier Schüssen aufs Tor wieder mal zwei Tore gemacht und seinen eigenen Champions-League-Startrekord noch weiter ausgebaut.
14 Treffer in nur elf Champions-League-Spielen schaffte niemand, vergangene Superstars wie Ronaldo oder Adriano schafften in ihrer ganzen Karriere nicht mehr Tore. "Erling ist eine Tormaschine, er macht immer zwei Tore, ein Tor, macht immer weiter. Schade, dass er heute keinen Dreierpack gemacht hat und den Ball mitnehmen konnte", befand Hazard.
Kehl meinte: "Verrückter Typ. Es freut mich natürlich riesig für ihn, wie er sich reinhängt, wie engagiert er ist, wie leidenschaftlich er ist. Er will dann auch das dritte Tor noch machen, das vierte. Sein Ehrgeiz tut dieser Mannschaft extrem gut, sein Lauf geht weiter. Wir werden ihn nicht bremsen, keine Sorge." Das wäre der Norweger ohnehin nicht.
BVB: Die Tabelle in der Champions-League-Gruppe F
Platz Team Sp S U N T G Diff P letzte 5 Matches 1 Borussia Dortmund 3 2 0 1 6 3 +3 6 WWL 2 Lazio Rom 3 1 2 0 5 3 +2 5 DDW 3 FC Brügge 3 1 1 1 3 5 -2 4 LDW 4 Zenit Sankt Petersburg 3 0 1 2 2 5 -3 1 DLL