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Vielbeachtet geht anders. Es waren keine großen Fanfaren, die das NBA-Debüt von Gilbert Arenas begleiteten, im SportsCenter liefen vorher keine Specials oder Talk-Formate wie beispielsweise bei LeBron James' Debüt zwei Jahre später. Kein Wunder: Arenas war bloß ein Zweitrundenpick, in den ersten drei Spielen der Saison setzten die Golden State Warriors ihn gar nicht ein.
Auch das Debüt selbst am 4. November 2001 verlief dann sehr ruhig. Das Spiel gegen die Portland Trail Blazers war bereits gewonnen, als Arenas 2:42 Minuten vor Schluss erstmals das Parkett betrat. Drei Würfe wurde er in dieser kurzen Einsatzzeit noch los, ein Treffer war aber nicht dabei.
Das Spiel war vermutlich die einzige Episode in der letztlich viel zu kurzen Karriere des Combo-Guards, die man als "unspektakulär" bezeichnen konnte. Arenas war an einer Revolution des Spiels beteiligt, wurde im Tarifvertrag der NBA verewigt, unterschrieb den vielleicht schlechtesten Vertrag dieses Jahrtausends - und wird heute doch vor allem mit einer einzigen Eskapade verbunden.
Die Achterbahnfahrt begann jedoch lange vor den Waffen, vor einem der größten Skandale der NBA-Geschichte.
Gilbert Arenas lebte von 400 Dollar im Monat
Arenas erlebte bereits einen verhexten Start in der NBA. Da er zu sehr Scorer und zu wenig Playmaker war, jedoch eher die Maße eines Point Guards hatte, rekrutierten ihn nicht viele Colleges trotz 34 Punkten im Schnitt an der High School. Er landete in Arizona und spielte dort zwei gute Jahre, ging 2001 also durchaus selbstbewusst in den NBA Draft.
Zu selbstbewusst. Arenas rechnete fest mit dem Zahltag eines Erstrundenpicks und nahm einen Kredit auf diesen vermeintlichen Vertrag auf, bevor er gedraftet wurde. "Ich habe eine Kette gekauft, und meinen Escalade mit fünf Fernsehern und einer Stereo-Anlage", sagte Arenas Jahre später zu Bleacher Report . Allein für diese beiden Anschaffungen gab er 100.000 Dollar aus.
Dann kam der Draft - und Arenas wurde an 31 gezogen, also in der zweiten Runde, ohne garantierten Vertrag. "Ich wurde so wütend, dass ich die Kette aus dem Fenster geschmissen habe. Sie war weg", blickte Arenas zurück. Er verdiente in Golden State fortan rund 330.000 Dollar im Jahr, dieses Geld war jedoch schon nahezu ausgegeben, als er in der Bay Area landete.
Arenas lebte fortan laut Eigenaussage mit einem monatlichen Budget von 400 Dollar, ernährte sich wenn möglich bei Team-Events und lebte weitaus sparsamer, als er wollte. "Es war schrecklich", so Arenas. Außerdem traf ihn die Nichtberücksichtigung im Draft: Die Trikotnummer 0 wählte er aus, weil ihm niemand eine NBA-Karriere zugetraut hatte.
© GEPA
Was ist die "Gilbert Arenas Rule"?
Dies bestrafte er schnell. Arenas hatte zwar ein unspektakuläres Debüt, spielte sich mit der Zeit aber bei den Warriors fest, startete als Rookie in 30 Spielen und kam immerhin auf 10,9 Punkte. Der Durchbruch folgte im Jahr danach, als er sich als Starting Point Guard etablierte, 18,3 Zähler und 6,3 Assists auflegte und prompt zum Most Improved Player gewählt wurde. Danach schrieb Arenas erstmals Geschichte.
Als Zweitrundenpick wurde er bereits nach zwei und nicht erst nach vier Jahren Restricted Free Agent. Die Warriors waren über dem Salary Cap, deswegen konnten sie nicht wie bei "normalen" Rookies mit jedem fremden Angebot gleichziehen. Erst später wurde diese Regel geändert, die "Gilbert Arenas Rule" ist bis heute Teil des Collective Bargaining Agreements.
Sie betraf Arenas selbst aber nicht mehr. Er wurde umworben, warf angeblich eine Münze, um sich zwischen den hereinflatternden Angeboten zu entscheiden. Die Wahl fiel auf die Washington Wizards, die ihm ein Angebot über 6 Jahre und 60 Millionen Dollar unterbreiteten. Von jetzt an hatte Arenas Geld für all seine extravaganten Hobbies.
Gilbert Arenas: 6.500 Dollar für ein Haifischbecken
Arenas sammelte nicht nur, so wie viele andere Spieler, beispielsweise Schuhe, er kaufte sich nicht nur teure Häuser und stattete sie mit allem möglichen Schnickschnack aus. Er liebte Glücksspiel, spazierte regelmäßig mit 20.000 Dollar in 5-Dollar-Noten in Casinos und spielte leidenschaftlich Karten mit massiven Einsätzen im Teamflugzeug (dazu später mehr).
Er sammelte auch Haie. In seiner Villa, die er in Virginia errichten ließ, fand sich nicht zuletzt ein riesiges Haifischbecken mit mehreren Prachtexemplaren, für das Arenas monatlich laut Washington Post -Informationen 6.500 Dollar allein für Futter und Pflege bezahlte. 400 Dollar im Monat? Zu seinen Hochzeiten gab Arenas angeblich allein 600 Dollar pro Woche für Alltagseinkäufe aus.
Gilbert Arenas als Prototyp für James Harden & Co.
Den Ruf als etwas eigener Typ verdiente sich Arenas somit schon früh - aber zunächst war "Hibachi", wie er sich selbst nannte, etwaige Kopfschmerzen mehr als wert. Von 2005 bis 2007 wurde er dreimal nacheinander All-Star, war 05/06 mit 29,3 Punkten der viertbeste Scorer der Liga und gewann beispielsweise im Dezember 2006 ein unglaubliches Scoring-Duell mit Kobe Bryant, in dem er 60 Punkte gegen die 45 des damals wohl besten Spielers der Liga auflegte. Seine 16 Punkte in der Overtime sind bis heute ein NBA-Rekord.
Arenas war ein Spielertyp, den es so vorher nicht gab: Er warf Dreier aus dem Dribbling und kam zeitweise nach Belieben zum Korb, als erster Spieler der NBA-Historie traf er in einer Saison 200 Dreier und 600 Freiwürfe und ebnete so den Weg für beispielsweise James Harden oder auch Stephen Curry, zumal er seinen Schaden als nomineller "Point Guard" anrichtete.
"Ich glaube, dass Gilbert Arenas hauptverantwortlich dafür war, dass sich das Image des Point Guards so rasant geändert hat", sagte sein ehemaliger Teamkollege Jason Richardson mal bei SPOX. "Er war vielleicht der erste Point Guard, der eigentlich wie ein Shooting Guard gespielt hat, dabei aber den Großteil der Zeit den Ball in der Hand hatte. Arenas hat den Basketball verändert."
Die (relevanten) NBA-Saisons von Gilbert Arenas
Saison Team Spiele Punkte FG% 3FG% Assists 01/02 GSW 47 10,9 45,3 34,5 3,7 02/03 GSW 82 18,3 43,1 34,8 6,3 03/04 WAS 55 19,6 39,2 37,5 5 04/05 WAS 80 25,5 43,1 36,5 5,1 05/06 WAS 80 29,3 44,7 36,9 6,1 06/07 WAS 74 28,4 41,8 35,1 6
Der schicksalhafte 4. April
Der 1,90-Meter-Mann sprengte zu seiner Zeit die Konventionen, ließ sich in keine Schublade zwängen. Die Wizards wurden so mit ihm zu einem der aufregendsten Teams der Liga, auch wenn in den Playoffs lediglich 2005 eine Serie gewonnen wurde. Unvergessen ist dennoch die 2006er Serie gegen Cleveland, in der Arenas 47,3 Minuten pro Spiel spielte und 34 Zähler im Schnitt auflegte.
Im Jahr 2007 sollte der endgültige Durchbruch folgen. Arenas wurde Starter beim All-Star Game, war erneut auf Kurs für eine 80-Spiele-Saison mit Punkten en masse, die Wizards rechneten sich in den Playoffs Chancen aus. Doch am 4. April, beim zweiten Spiel eines Back-to-Backs gegen Charlotte, änderte sich alles für die Franchise und ihren besten Spieler.
Keine zwei Minuten waren absolviert, als Gerald Wallace unglücklich gegen Arenas' Bein fiel und dessen Innenband riss. Die Playoffs waren Geschichte, auch die folgende Saison war kaum der Rede wert; Arenas spielte nur 13-mal und machte damit auf sich aufmerksam, dass er sein Comeback erzwingen wollte, die Wizards ihm aber keine Freigabe erteilten. Es war der Anfang vom Ende.
Gilbert Arenas: Der schlimmste Vertrag aller Zeiten?
Natürlich wusste das damals aber noch keiner. Arenas war nach der verkorksten 07/08er Saison erst 26 Jahre alt und schien trotz mehrerer Knie-Operationen seine besten Jahre noch vor sich zu haben. Folglich stieg er aus seinem Vertrag aus und wurde unter anderem von seinem Ex-Team aus Oakland mit einem 100-Mio.-Dollar-Angebot umworben.
Er blieb jedoch in Washington, für sechs Jahre und 111 Millionen. Auf diesem Vertrag sollte Arenas nur noch 55 Spiele für die Wizards absolvieren - er gilt folgerichtig bis heute als einer der schlimmsten Verträge der NBA-Historie und wurde im Dezember 2011 von den Orlando Magic via Amnesty Clause aufgelöst, was vereinfacht gesagt bedeutete: Sie strichen Arenas aus ihrer Gehaltsliste, mussten ihn aber weiter bezahlen.
Die damals noch ausstehenden 40 Millionen wurden auf mehrere Jahre verteilt, Arenas verdiente also bis 2016 an diesem Deal, obwohl er da schon lange nicht mehr in der NBA spielte.
Aber der Reihe nach.
Gilbert Arenas und das "Locker Room Gate"
Verletzungen und Streitereien mit den Wizards blieben weiter bestimmende Themen für Arenas, der 2008/09 lediglich zweimal auf dem Court stand. Im Folgejahr schien es endlich wieder bergauf zu gehen, als Arenas in den ersten 32 Saisonspielen stets zur Verfügung stand und mit 22,6 Punkten sowie 7,2 Assists im Schnitt langsam wieder an sein altes Ich erinnerte.
Dann kam der definierende Moment seiner Karriere, leider nicht in positiver Hinsicht. Die Kurzform: Aus einer Streiterei mit Teamkollege Javaris Crittenton wegen Wettschulden wäre um ein Haar eine Tragödie geworden. Arenas brachte vier (ungeladene) Waffen mit zum Training, von denen Crittenton sich eine aussuchen sollte, mit der er Arenas erschießen könne.
Crittenton hatte jedoch seine eigene, geladene, Waffe dabei - und es bedurfte Teamkollege Caron Butler, um den Jungprofi zu beschwichtigen und das Desaster zu verhindern. Arenas kam also mit einem Schrecken davon, der Image-Schaden war trotzdem enorm, zumal er im Januar während eines Spiels gegen Philadelphia mit Finger-Pistolen auf seine Mitspieler zielte und sich damit über die Situation lustig machte.
"Was am meisten schmerzte: Du machst 100 Sachen richtig und eine Sache falsch, und jeder interessiert sich nur für das Falsche", sagte Arenas zu Bleacher Report über den Vorfall, der seinen Ruf zerstörte. Im Januar 2010 wurde er für den Rest der Saison suspendiert, und er hatte trotzdem Glück, bedenkt man, dass Crittenton anderthalb Jahre später tatsächlich wegen Mordes verurteilt wurde.
Arenas: "Ich hatte keine vollständige Karriere"
Die Karriere des Superstars kam in der Folge nicht mehr in Gang. Vor der 10/11er Saison wechselte Arenas seine Nummer, um sich endgültig von dem Vorfall zu trennen, er war für seine Verhältnisse gesund, aber bei den Wizards war die Luft raus. Zudem hatten sie an Position 1 in John Wall bereits seinen Nachfolger gedraftet. Nach 24 Spielen wurde Arenas nach Orlando getradet, wo man sich erhoffte, er könnte das letzte Puzzleteil für den Contender um Star-Center Dwight Howard sein.
Das konnte er nicht, weshalb Orlando nach nur rund einem Jahr die Reißleine zog. Ein kurzes Engagement in Memphis folgte, ebenso wie 14 Spiele in China (für die Shanghai - natürlich - Sharks), doch mit nur 32 Jahren war seine Laufbahn endgültig beendet. Sein letztes relevantes NBA-Jahr war dabei schon etliche Jahre her.
"Ich hatte einfach keine vollständige Karriere", sagte Arenas zu Bleacher Report und zog damit das richtige Fazit. Seine Laufbahn war spektakulär und erfolgreich, schließlich verdiente er als Zweitrundenpick über 170 Millionen Dollar. Er war ein Prototyp des modernen NBA-Guards und ebnete den Weg für etliche Nachfolger. Auf dem Parkett.
Ohne das Drumherum lässt sich seine Geschichte nur eben nicht erzählen.