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Die Awards zur Saison-Mitte: MVP, Rookies und Co.
Mit dem kommenden Sonntag macht der NFL-Kalender den Schritt in die zweite Saisonhälfte - und auch wenn noch vieles offen ist, ein paar Dinge lassen sich doch schon mit Gewissheit sagen.
Die Jets sind schlecht, die Jaguars ebenfalls. Die Chiefs, Seahawks und Buccaneers gehören zum engsten Kreis der Titelanwärter, die Chargers und Bengals dürfen auf ihre Quarterback-Auswahl im diesjährigen Draft mit sehr viel Optimismus zurückblicken und die NFC East ist die mit weitem Abstand schwächste Division der Liga.
Aber wie steht es um die individuellen Awards? Wie gestaltet sich das Favoritenfeld für die MVP-Auszeichnung, welche Rookies überzeugen ganz besonders? Und wer könnte in der zweiten Saisonhälfte das Feld vielleicht von hinten aufrollen?
Halbzeit-Award: MVP
Der Pick: Russell Wilson, QB, Seattle Seahawks
Das Cardinals-Spiel war der erste Kratzer in einer ansonsten fast makellosen Saisonhälfte für Russell Wilson. Dazu aber ein übergreifender Gedanke: Beim MVP-Award - für den in der heutigen NFL für mich per se quasi ausschließlich Quarterbacks in Frage kommen, zu wichtig ist die Position im Vergleich mit allen anderen Positionen - geht es ja nicht zwangsläufig darum, wer vielleicht um ein paar Nuancen besser spielt. Wenngleich ich auch in diesem Ranking Wilson weiter auf Position 1 hätte, aber man könnte dabei inzwischen definitiv auch etwa wieder über Mahomes diskutieren.
Für mich eine ganz zentrale Frage beim MVP-Award lautet: Um wie viel schlechter wäre das Team, wenn man den Spieler herausnehmen würde? Und während selbstredend die Chiefs ohne Mahomes um mehrere Stufen abrutschen würden, wären sie definitiv kompetitiver als dieses Seahawks-Team ohne Russell Wilson.
Dieses Seahawks-Team mit einer extrem wackligen Secondary, ohne Pass-Rush, einer bestenfalls durchschnittlichen Offensive Line. Ja, Seattle hat die beiden Elite-Receiver, aber wie Cowboys-Fans gerade schmerzhaft merken, braucht es dafür auch einen Quarterback, um die vernünftig einzusetzen.
Ich sehe aktuell in der NFL kein Team, das mit dem Verlust eines Spielers einen größeren Dropoff erleiden würde als Seattle mit Wilson. Ein Elite-Deep-Passer, der Offense kreieren kann und der in dieser Saison endlich auch die Wagenschlüssel anvertraut bekam. Aktuell ist kein Spieler wertvoller.
Im Rennen dahinter: Aaron Rodgers (QB, Packers), Patrick Mahomes (QB, Chiefs), Tom Brady (QB, Buccaneers)
Halbzeit-Award: Offensive Player of the Year
Der Pick: Davante Adams, WR, Green Bay Packers
Gut möglich, dass hier am Ende auch ein Quarterback steht. Vielleicht auch der MVP selbst. Und natürlich könnte man für die vier oben genannten Quarterbacks an diesem Spot argumentieren.
Vielleicht nutzen die Stimmberechtigten allerdings diesen Award auch wieder, um andere Positionen herauszustellen - und das wären in dem Fall für mich ganz klar die Wide Receiver. DeAndre Hopkins steht nach sieben Spielen in Arizona bei 70 Targets, von denen er absurde 81 Prozent für über 700 Yards gefangen hat. DK Metcalf ist auf bestem Wege, sich als ligaweiter Top-3-Receiver zu etablieren und beispielsweise Calvin Ridley hat in Atlanta endgültig den Sprung zum Top-Receiver geschafft, während Robby Anderson der Motor der Panthers-Offense ist.
Dennoch würde ich einen Receiver noch minimal über den Rest packen, und das ist Green Bays Davante Adams. Sieben Touchdowns in fünf Spielen, Adams ist ein Top-3-Receiver in puncto Release, Route-Running und Catch-Sicherheit. Und er ist der glasklare Mittelpunkt der Packers-Offense. Das wissen auch Defenses, was Rodgers aber nicht daran hindert, pro Spiel über zehn Bälle in Adams' Richtung zu werfen.
Im Rennen dahinter: DK Metcalf (WR, Seahawks), DeAndre Hopkins (WR, Cardinals)
Halbzeit-Award: Defensive Player of the Year
Der Pick: Aaron Donald, DT, L.A. Rams
Welche Superlative soll man über Donald noch auspacken? Donald hat 48 Quarterback-Pressures, kein anderer Verteidiger steht bei über 40. Er hat zehn Sacks, auch das bedeutet Platz 1 in der NFL. Und all das - weitestgehend - aus einer Interior-Position. Ganz nebenbei ist er auch einer der besten Run-Stopper in der NFL und hat auch schon wieder zwei Forced Fumbles auf dem Konto.
Donald ist der dominanteste Verteidiger in der NFL. Das soll nichts von den spektakulären Saisons weg nehmen, die T.J. Watt, Myles Garrett oder auch Joey Bosa spielen. Aber die Realität ist einfach: Solange Donald auf diesem Level spielt, kommt kein anderer Verteidiger an ihn ran.
Im Rennen dahinter: T.J. Watt (Edge, Steelers), Myles Garrett (Edge, Browns)
Halbzeit-Award: Offensive Rookie of the Year
Der Pick: Joe Burrow, QB, Cincinnati Bengals
Herbert hat die Highlights, Burrow spielt die Position besser. Und nicht nur das, Burrow spielt insgesamt bereits Quarterback auf einem Level, das man von einem Rookie nicht erwarten würde oder sollte. Erst recht nicht, wenn dieser Rookie hinter einer weitestgehend desolaten Offensive Line spielen muss.
Burrow bewegt sich gut in der Pocket, die diese Beschreibung zu häufig nicht verdient, er ist schon jetzt einer der effizienteren Intermediate-Passer in der NFL und kann die Offense konstant bewegen. Das ist für mich der große Unterschied zu Herbert, der zwar absolut spektakulär Downfield und gegen Pressure spielt, weshalb diese vertikale Offense auch trotz der ebenfalls miesen Chargers-O-Line funktioniert - aber Herbert hat nicht die Down-für-Down-Konstanz, die Burrow bereits hat.
Ich hatte ohnehin hohe Pre-Draft-Erwartungen an Burrow und muss nach der ersten Saisonhälfte sagen, dass er diese in seiner Rookie-Saison bislang übertrifft. Wenn die Bengals die nächsten beiden Offseasons in puncto Offense-Investments richtig angehen, wird Cincinnati sehr bald ein ernstzunehmender Gegner für den Division-Titel und mehr sein.
Der Sprung vom College in die NFL ist vermutlich für keine Position schwieriger als für die Quarterbacks, was es umso eindrucksvoller macht, wenn ein Joe Burrow oder ein Justin Herbert direkt in der NFL einschlägt. Dabei sollte aber nicht unter den Tisch fallen, dass Justin Jefferson eine herausragende Saison in Minnesota spielt.
Im Rennen dahinter: Justin Herbert (QB, Chargers), Justin Jefferson (WR, Vikings), Michael Onwenu (OL, Patriots)
Halbzeit-Award: Defensive Rookie of the Year
Der Pick: Chase Young, Edge, Washington Football Team
Hier habe ich mit am längsten geschwankt. Winfield spielt eine fantastische Saison, passt wie erwartet ideal in die Defense von Todd Bowles und hat dort auch schon seinen fixen Platz als Allzweckwaffe. Er wird als Blitzer eingesetzt, ist bereits ein verlässlicher Run-Defender und in Coverage sehr solide. Winfield könnte hier in der zweiten Saisonhälfte sehr gut die Pole Position übernehmen, ein möglicher Dark-Horse-Kandidat ist Jeremy Chinn, der in der Panthers-Defense seit Woche 1 eine ultra-vielseitige Rolle einnehmen muss und die immer besser meistert.
Aber zumindest für den Moment spielt Young einfach nochmal auf einem anderen Level, auch wenn es vielleicht ein wenig untergeht, da er einerseits in Washington spielt, andererseits aber auch schon zwischenzeitlich angeschlagen fehlte. 14 Quarterback-Pressures sind die Pole Position unter allen Rookies, ganz nebenbei ist er aber auch einer der besten Run-Stopper unter den Rookies bislang. Young war ein Elite-Prospect, und er ist auf bestem Wege, diesen Weg auch einzuschlagen.
Im Rennen dahinter: Antoine Winfield (S, Buccaneers), Julian Blackmon (S, Colts)
Fabian Held : Fast die halbe Saison ist rum: Welche Teams können uns mit Blick auf die Playoffs noch überraschen?
Tatsächlich gestaltet sich das Playoff-Bild ja schon relativ klar - zumindest wirkt es so. Die Steelers, Chiefs, Bills und Ravens sollten es schaffen, Cleveland und je nachdem, wer zwischen Colts und Titans die AFC South nicht gewinnt haben die Pole Positions im Rennen um die Postseason-Tickets in der AFC.
In der NFC dürften zwei Tickets in den Süden (Saints und Bucs) sowie mindestens zwei Tickets in den Westen gehen, mit Seattle als Favorit auf den Division-Titel und Arizona sowie L.A. dahinter. Das schwächere NFC-West-Team dürfte mit den Chicago Bears das finale Wildcard-Ticket unter sich ausmachen. Einzig die NFC East mit all ihren zahlreichen Problemen ist noch völlig offen. Klar ist natürlich, dass hier nur der Division-Sieger auch tatsächlich Postseason-Football spielen wird.
Also, wer könnte in der zweiten Saisonhälfte noch überraschen und einige Playoff-Karten neu mischen?
- Las Vegas Raiders: Die Raiders sind zumindest offensiv ein unangenehmes Team. Hinter einer guten Offensive Line kann Las Vegas den Ball laufen und Derek Carr hat gezeigt, dass er sehr wohl auch mehr vertikal gehen kann. Die Raiders verzeichnen offensiv genauso viele Yards pro Play wie die Bucs - die Defense ist eben ein riesiges Problem. Doch mit einem 4-3-Record ist das Team von Jon Gruden definitiv in Lauerstellung, und den direkten Vergleich gegen Cleveland hat man gerade für sich entschieden.
- Washington Football Team: Die Eagles mit einer Offense, die zumindest noch ein wenig gesünder werden sollte sowie einer funktionalen Defense sind für mich schon der Favorit auf die Division - auch wenn der Auftritt gegen dieses desolate Cowboys-Team wirklich keine Werbung war. Vielleicht ist es am Ende Washington, das hier überrascht. Mit einer wirklich guten Defense und einer Offense, die bislang längst nicht so weit weg ist von der der Eagles, wie es vielleicht sein sollte. Kann die Defensive Front Washington so weit tragen? Dass Philly in der zweiten Saisonhälfte mit der Division davon rennt, vermute ich jedenfalls nicht.
- Miami Dolphins: Hier ist ein echter potenzieller Überraschungskandidat! Das Tua-Debüt ist für mich kaum zu bewerten, zu absurd war der Spielverlauf und zu wenig hat Tua selbst überhaupt gemacht. Aber was sich festhalten lässt, ist, dass die Defense gerade gegen den Pass seit einigen Wochen schon auf einem sehr guten Weg ist - der Auftritt gegen die Rams unterstrich das eindrucksvoll. Miami steht bei 4-3, die Dolphins sind weiter mittendrin im Rennen, zumindest um eine Wildcard. Und ein Blick auf den Schedule legt nahe, dass neun Siege keinesfalls undenkbar sind. Womöglich wird das direkte Matchup gegen die Raiders in Woche 16 eine Art Wildcard-Ticket-Duell.
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OnLy_GB : War Brady doch wichtiger als Belichick? Funktioniert es nur in der Kombination? Oder sind die Pats wegen der Gesamtsituation des Kaders so viel schlechter als gewohnt?
Ganz simpel könnte man sagen: Um in der heutigen NFL nachhaltigen Erfolg zu haben, braucht man eine konstante Top-Offense. Und um eine konstante Top-Offense zu haben, braucht man einen Top-Quarterback. Natürlich ist es nicht so simpel, aber wenn wir über Erfolg in der heutigen NFL sprechen, ist es ein legitimer Startpunkt.
Vor 20 Jahren - also in der Brady-Frühphase - war es noch eine andere Liga, und gerade in seinen frühen Jahren wurde Brady auch stark von Defenses und dem Run Game mit getragen. Doch in der heutigen NFL ist es schwer bis nahezu unmöglich, den Elite-Quarterback von einem aufs andere Jahr zu ersetzen. Und wie schlecht die Umstände bereits letztes Jahr in New England waren - sowie im gleichen Gedankengang, wie gut Brady gespielt hat, dass die Pats offensiv zumindest funktioniert haben - wird dieses Jahr so richtig deutlich.
Auch Belichick kann das nicht ausgleichen. Kein Coach könnte das. Nicht mit dem schlechtesten offensiven Waffenarsenal der Liga. Aber trotzdem würde ich hier ganz klar auf eine nicht schwarz-weiße Herangehensweise drängen. So gut Brady auch in der "zweiten Dynasty Phase" in New England war, so konnte er sich eben doch auch darauf verlassen, dass Belichick das Team insgesamt perfekt eingestellt hat, dass die Defense ihren Teil beitragen wird und dass simple Fehler, die andere Teams so häufig enge Spiele kosten, bei den Patriots deutlich seltener auftreten.
Umgekehrt wusste Belichick, dass Brady wenige gravierende Fehler machen würde, dass er die Offense bis zur Perfektion kontrolliert und wenn man die ganze Diskussion noch auf Dinge wie Mentalität ausweitet, war das Gesamt-Konstrukt in Foxboro ohnehin einzigartig. Ich würde beide in ihrer Bedeutung nicht voneinander trennen. Diese Saison zeigt für mich vor allem, dass auch der beste Head Coach der Liga eine gewisse Quarterback- und generelle Offense-Base-Line braucht.
Brady auf der anderen Seite ist in eine signifikant bessere Situation, was die individuelle Qualität des Teams angeht, gekommen. In puncto Coaching, Play-Calling oder auch In-Game-Entscheidungen frage ich mich aber schon, ob Brady nicht schon das eine oder andere Mal ein kleines "das bin ich anders gewohnt" im Hinterkopf hatte.
BigWink : Sind die Steelers Top-Favorit auf die Bye in der AFC?
Nein, das ist mir definitiv zu stark. Auch wenn der weitere Schedule vergleichsweise gut aussieht.
Die Steelers sind gut und sie sind relativ komplett, was den Kader angeht. Aber trotzdem haben sie auch klare Limitierungen, sei es offensiv im Passspiel, oder eben defensiv auch in Coverage. Der stark vom Kurzpassspiel geprägte offensive Ansatz mit Big Ben primär als Ballverteiler harmoniert gut mit der Dominanz der Defensive Line - die Offense kann lange Drives hinlegen, die Defense kann ihr den Ball schnell zurückholen und lässt wenige Big Plays zu. So ersticken die Steelers Gegner und ganze Spiele.
Aber der Spielraum für Fehler ist eben auch sehr klein, ich hatte darüber letzte Woche bereits ein wenig geschrieben , nachdem Pittsburgh das Spiel gegen die Titans fast noch in der zweiten Hälfte komplett aus der Hand gegeben hätte. Und auch gegen die Ravens war es ja so, dass Pittsburgh den Ball lange nicht wirklich bewegen konnte und letztlich Baltimores Turnover die Partie stets in Reichweite für die Steelers hielten. Die Iso-Route-Offense der Steelers funktionierte gegen die Elite-Secondary der Ravens schlicht nicht.
Pittsurgh gehört in die AFC-Spitzengruppe, die Spiele jetzt gegen Tennessee und Baltimore lassen ja kaum einen anderen Schluss zu. Aber der Top-Favorit auf die Bye Week in der AFC ist und bleibt für mich Kansas City.
Lukas L : Was ist das Ziel für mittelmäßige Teams, die eigentlich kaum mehr in die Playoffs kommen können? Extra viel testen und Niederlagen in Kauf nehmen?
Im Vakuum betrachtet wäre das natürlich das Idealszenario. Teams wie die Texans, Jaguars, Cowboys, Giants oder auch Vikings könnten nicht nur junge Spieler testen und ihnen gleichzeitig wertvolle Reps geben, sondern auch alternative Ansätze auf beiden Seiten des Balls unter Wettkampfbedingungen ausprobieren.
Doch natürlich passiert letztlich nichts im Vakuum. Für Coaches und GMs geht es um Jobs und die sportliche Zukunft - ein hart erkämpftes 6-10-Finish kann ein Jahr mehr im Amt bedeuten, ein Jahr mehr, um vielleicht doch die richtigen Knöpfe zu drücken, vielleicht auch etwas neues aufzubauen. Dan Quinn im Vorjahr bei den Falcons wäre so ein Paradebeispiel.
Das macht mutige Experimente und gewagte Personalentscheidungen eben extrem schwierig. Nur Coaches mit sehr langfristiger Sicherheit und möglichst früh in ihrem Prozess - Matt Rhule bei den Panthers etwa, im Vorjahr Brian Flores in Miami - können dann auch radikalere Entscheidungen treffen. Aber Geduld ist ein seltenes Gut, und das gilt auch - oder erst recht - für NFL-Teambesitzer.
Deshalb sind auch Umbrüche so schwierig, selbst wenn sie, wie einst mit Sashi Brown in Cleveland, vermeintlich langfristig ausgelegt sind und einen klaren Plan verfolgen. Nahezu kein Verantwortungsträger in der NFL kann es sich leisten, Niederlagen in Kauf zu nehmen.
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PackersDE , Packers_Fanboy , pfanne1988 , kelstef95 : Wie sinnvoll ist die Entlassung eines Defensive Coordinators in einer laufenden Saison? Sollten die Packers über den Tausch des DCs nachdenken?
Wie so ziemlich jedes Problem hat auch dieses mehrere Schichten: Die Packers-Defense ist potenziell die schlechteste Tackling-Defense in der NFL, und das hat sie gegen Minnesota eindrucksvoll unter Beweis gestellt - aber ist schlechtes Tackling auf diesem hohen Level wirklich dem Defensive Coordinator anzulasten?
Und sicher, man würde sich wünschen, dass Pettine den Pass-Rush flexibler gestaltet - Green Bay hat etwa die niedrigste Blitz-Quote in der NFL - oder ein paar Dinge zumindest ausprobiert. Doch eine massive individuelle Regression bei Za'Darius Smith, Preston Smith und, zumindest in puncto Pass-Rush, auch bei Kenny Clark lässt sich auch nicht einfach dem Defensive Coordinator in die Schuhe schieben.
Gleichzeitig aber ist Pettine eben auch mehr Teil des Problems als der Lösung. Pettine hat sich letztes Jahr umgestellt und die Tatsache, dass er einen starken 4-Men-Rush hatte, zu seinem Vorteil genutzt. Diese Passivität prägt Green Bays Defense aber noch immer, und ohne den individuell starken Pass-Rush steht man dann eben auch fast folgerichtig im unteren Liga-Drittel, was Quarterback-Pressures angeht.
Dahinter spielt Jaire Alexander zwar eine Elite-Saison, doch gerade in der Secondary ist eine Defense nur so gut, wie es ihr schwächster Spieler zulässt. Und die Packers haben abgesehen von Alexander und mit Abstrichen Adrian Amos fast nur Fragezeichen.
Lange Rede, kurzer Sinn: Green Bay holt aktuell nicht das Maximum aus seinem Talent heraus, und dementsprechend muss man den Defensive Coordinator immer in die Pflicht nehmen. Gleichzeitig sehe ich gerade bei den Packers das Problem, dass die unerwartet starke Vorsaison falsche Erwartungen bezüglich des eigenen Defense-Talent-Levels geweckt hat. Doch die Probleme, gerade gegen den Run, bekommt Pettine einfach nicht in den Griff, und so sollte man diese Personalie zwar angehen - aber Matt LaFleur wird sich sehr gut überlegen müssen, ob er auf der ihm "fremden" Seite des Balls Mitten in einer Contender-Saison einen solchen Umbruch durchführen will.
Ramily Radio : Haben die Dolphins eine Blaupause geliefert, um die Rams zu schlagen?
Die Blaupause gegen die Rams ist so gesehen ja kein Geheimnis: Goff unter Druck setzen und die Rams in lange Second und Third Downs bekommen. Miami hat diese Formel ins Extrem getrieben.
39 (!) Mal wurde Goff am Sonntag geblitzt, oder auch bei 62 Prozent seiner Dropbacks. Im Schnitt fast drei Yards pro Pass weniger verzeichneten die Rams in Miami gegen den Blitz, verglichen mit den regulären Dropbacks. Wenn man Goff unter Druck setzen und den Rams den Plan A zumindest einigermaßen wegnehmen kann, ist das bereits die halbe Miete; das war schon immer so mit Goff, und daran hat sich nichts geändert.
Miami trieb das einerseits mit seiner generellen Aggressivität, aber auch mit der "Verpackung" auf die Spitze. Das waren sehr viele sehr schwer lesbare Pressure-Pakete, die Goff sichtbar verwirrten und es ihm sowie seiner Offensive Line sehr schwer machten, Rusher und Blitzer vor dem Snap zu identifizieren. Und dann gibt es eben keinen Plan B für Goff, wenn er nach dem Snap plötzlich umdisponieren oder sich auf eine drastisch andere Spielsituation einstellen muss. Er ist kein Quarterback, der dann regelmäßig noch Offense kreiert.
Die Dolphins-Perspektive gilt es dabei, im Auge zu behalten. Miami blitzte auch gegen die Jets vor der Bye Week bei mehr als der Hälfte der Dropbacks, die eigene Secondary stabilisiert sich zunehmend und das gibt Brian Flores mehr Freiheiten.
Die Defense war immer der Mannschaftsteil, von dem man in Miami früher Fortschritte erwarten musste. Hier flossen immense Ressourcen über die letzten beiden Jahre rein, diese Seite des Balls ist die Spezialität von Flores und hier muss kein Rookie-Quarterback herangeführt werden.
Und der Eindruck verstärkt sich, dass die Fortschritte gerade mit großen Schritten erfolgen. Miamis Defense könnte in der zweiten Saisonhälfte ein echtes Problem werden.
Kai Germann : Gehen die Jets 0-16?
Gefühlt spielt es bei den Jets keine allzu große Rolle, gegen wen sie noch spielen, aber zumindest ein kurzer Blick auf den Schedule ist für diese Frage vielleicht doch angebracht:
Patriots (A), Chargers, Dolphins (A), Raiders (A), Seahawks, Rams, Browns (A), Patriots.
Vorsichtig formuliert: da haben es viele Teams deutlich schwerer. Die Patriots befinden sich im freien Fall und wirken aktuell komplett orientierungslos, Miami hatte zwar einen eindrucksvollen Sieg über die Rams, doch es war ein Sieg, bei dem die Offense kaum auffiel. Die Chargers sind immer für Chargers-Dinge gut und wer weiß, wie sich die Browns am vorletzten Spieltag präsentieren.
Dementsprechend sage ich weiterhin, dass irgendwo ein Sieg drin sein wird. Vielleicht ja sogar diese Woche gegen die Patriots. Letztlich reicht es dann in der NFL eben doch, mal einen schwächelnden Gegner am richtigen Tag zu erwischen, dann gewinnen auch die Jets dieses Spiel.
Wie ein solcher Sieg aussehen würde - das ist nochmal eine ganz andere Geschichte. Hässlich, höchstwahrscheinlich, angetrieben von mehreren Turnovern durch die eigene Defense gegen eine limitierte Offense, die über das Run Game kommen muss (nochmal: Hallo, Patriots!). Denn die eigene Offense ist derart desolat, dass sie in dieser Saison bisher auf ein einziges (!) 300-Yard-Spiel zurückblickt. 4,2 Yards pro Play sind mit Abstand das Liga-Schlusslicht. Dass Mahomes gestern gegen die Jets mehr Passing-Touchdowns hatte als die Jets bisher in ihrer gesamten Saison, ist nicht ideal.
Auf einen Shootout-Sieg sollte man also eher nicht setzen, aber den hässlichen Sieg vermute ich weiterhin irgendwo in der zweiten Saisonhälfte. Am Nummer-1-Pick wird das aber nichts ändern, der wird an die Jets gehen.