Im Interview mit SPOX spricht der 35-Jährige über einen Skandal mit Sauber, er erklärt, warum fast jeder Fahrer ein "Pay-Driver" ist und was für ihn eine "Tragödie" war.
Außerdem verrät van der Garde, warum Lewis Hamilton ohne Sponsoren nicht in der Formel 1 fahren würde und wie er sich einst mit Hollywood-Schauspieler Jason Statham betrunken hat.
Herr van der Garde, 2006 waren Sie in der Formel 3 Teamkollege von Sebastian Vettel. Wie haben Sie ihn als Typ wahrgenommen?
Giedo van der Garde: Sebastian ist nur nicht mega-talentiert, sondern ein echter Arbeiter. Dazu ist er total ehrlich und sehr lustig. Wir haben uns in der vergangenen Saison mal bei einem Rennen gesehen. Es war, als wäre gar nicht so viel Zeit vergangen. Er hat sogar mit mir ein bisschen Niederländisch gesprochen.
Die Beziehung zwischen Teamkollegen ist ja immer speziell. Gab es zwischen Ihnen beiden jemals eine Auseinandersetzung?
Van der Garde: Niemals. Wir hatten immer eine gute Beziehung. Auf der Rennstrecke war es teilweise zwar hart, aber immer fair. Wenn er schneller war, habe ich ihn vorbeigelassen. Andersrum war das genauso. 2006 waren auch noch Paul Di Resta und Kamui Kobayashi in meinem Team. Mit den beiden war das nicht ganz so harmonisch. (lacht)
Sie sprechen Ihr starkes Team von damals an. Alle drei Teamkollegen haben mit Ihnen den Sprung in die Formel 1 geschafft. Viele Fahrer dürfen trotz guter Ergebnisse nicht in der Formel 1 fahren. Warum ist der Sprung vom Nachwuchs in die Königsklasse so schwierig?
Van der Garde: Das ist eine gute Frage. Ich glaube, viele Fahrer kommen mit der hohen Geschwindigkeit nicht klar. In der Formel 1 hat das Lenkrad zudem wesentlich mehr Knöpfe, damit muss man umgehen können. Dazu kommt, dass dadurch auch viel mehr beachtet werden muss. Sei es die Bremsbalance oder die stärkere Reifenabnutzung.
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Formel 1? "Da geht es oft nur um Selbstdarstellung"
Kann es auch sein, dass manche Nachwuchsfahrer von dem Trubel in der Formel 1 erschlagen werden?
Van der Garde: Auf jeden Fall. Wenn Du in der Formel 2 oder 3 einen Fehler machst, interessiert das kaum jemanden. Der Teamchef stellt sich sowieso darauf ein, zahlreiche Ersatzteile zu kaufen. Man darf bei der Betrachtung aber auch nicht die Teamgröße vergessen. Es gibt unzählige Mechaniker und Ingenieure, die an deinem Auto beteiligt sind und alle eine Meinung haben. Da geht es oft nur um Selbstdarstellung.
Um in die Formel 1 zu gelangen, muss man sich einem Nachwuchsprogramm der großen Rennställe anschließen. Wann beginnen dort die ersten Gespräche?
Van der Garde: Wahrscheinlich kurz nach der Geburt. (lacht) Spaß beiseite: Die Gespräche gehen richtig los, wenn man im Kart erfolgreich war. Bei mir es so, dass ich mich für Renault entschieden hatte, da es damals eine eigene Rennserie gab. Dort konnte ich mich am besten entwickeln. Mercedes, Ferrari und Red Bull gaben mir diese Perspektive nicht.
Für die Saison 2007 wurden Sie von Super Aguri als Testfahrer für die Formel 1 verpflichtet. Nehmen Sie uns in Ihren damaligen Alltag mit.
Van der Garde: Vor jedem Grand Prix saß ich einen Tag lang im Simulator, um dem Team bei der Abstimmung für das Auto zu helfen. Dort fährt man dann viele verschiedene Programme, ob mit vollem oder fast leerem Tank. Diese Programme müssen auch die Fahrer absolvieren. Zum Rennwochenende begleitet man das Team als Ersatzfahrer, falls den eigentlichen Fahrern etwas passieren sollte. Und vereinzelt durfte ich an einem Training teilnehmen.
Sie sprechen die verschiedenen Programme an, die im Simulator absolviert werden müssen. Wieso gibt es dann noch drei Trainings?
Van der Garde: Es stimmt, dass die wesentliche Arbeit bereits vor dem Wochenende getätigt wurde. Für die Teams ist dies essentiell, da anhand der Simulator-Ergebnisse der Frontflügel und viele weitere Teile ausgewählt werden. Das Training dient daher als Feinjustierung. Der Simulator kann aber nicht alles abfangen. Man muss sich als Fahrer an die Windverhältnisse und Unebenheiten der Strecke gewöhnen. Für die jungen Fahrer dient das Training zudem als Eigenwerbung. Das ist mit den Fahrten im Simulator nicht zu vergleichen.
"Das war ein schwarzer Tag für mich"
2009 fuhren Sie in der GP2, der damaligen Formel 2, zusammen mit Nico Hülkenberg, der damals die Meisterschaft gewann. Sie gewannen sogar zwei Rennen. Wieso sind Sie in der Serie geblieben?
Van der Garde: Es ist alles nicht ganz so einfach. Für die Saison 2009 hätte es damals fast mit der Formel 1 geklappt. Am Ende entschied sich das Team gegen mich und ich musste weiter in der GP2 fahren. Nico war damals das Maß aller Dinge. Noch heute scherzen wir manchmal darüber. Wir sind immer noch gut befreundet.
Wenn Sie so gut befreundet sind, können Sie uns doch sicherlich verraten, ob er in der nächsten Saison in der Formel 1 einen Platz bekommen wird.
Van der Garde: Das weiß ich leider nicht und er glaube ich auch noch nicht. Ich kann nur eins sagen: Nico ist unglaublich talentiert. Wir haben in Silverstone und jetzt am Nürburgring gesehen, was in ihm steckt. Und das quasi aus der kalten Hose. Er ist sehr ehrlich, sehr entspannt und einfach ein cooler Typ.
Zurück zur GP2: 2011 führten Sie in Valencia das Rennen an, gaben es allerdings aufgrund einer kuriosen Situation aus der Hand. Erzählen Sie.
Van der Garde: Das war ein schwarzer Tag für mich. Ich führte das Rennen souverän an und hätte es locker nach Hause gefahren. Nach einem Boxenstopp fuhr ich mit neuen Reifen auf eine Unfallstelle zu. Ich bremste ab, alles war in Ordnung. Das Problem war aber, dass ich in dem Sektor trotz des Abbremsens Bestzeit fuhr. Das ist nicht unüblich, da die neuen Reifen schneller sind. Am Ende bekam ich aber dennoch eine Strafe aufgebrummt und wurde daher nur Zweiter. Was für eine Tragödie!
2013 schafften Sie schließlich den Sprung in die Formel 1 und fuhren für Caterham, eines der schlechtesten Teams. Ab welchem Zeitpunkt wussten Sie, dass Sie nur am Ende des Feldes fahren würden?
Van der Garde: Nach ungefähr drei Minuten des ersten Testtages. Man sah, dass das Auto viel zu langsam war, um im Mittelfeld zu fahren. Es ging nur ums Überleben, sowohl für mich als auch für das Team. Die Formel 1 ist sehr kostenintensiv. Wenn man dann nur hinten herumgurkt, sind finanzielle Probleme, wie bei Williams zurzeit, unvermeidbar.
War das für Sie auch eine mentale Herausforderung? Sie fuhren einst mit Sebastian Vettel zusammen und wurden plötzlich von ihm mehrfach im Rennen überrundet.
Van der Garde: Es war keine einfache Zeit, das stimmt. Nach 20 Runden hatte man meistens schon den Führenden im Heck und musste somit Platz machen. Man strengt sich unfassbar an, fährt das Auto am Limit und am Ende ist man dennoch 3,5 Sekunden pro Runde langsamer. So ging es nur darum, schneller als der Teamkollege zu sein.
Zweimal haben Sie es mit dem Caterham sogar ins Q2 geschafft. Fühlte sich dies wie ein Sieg an?
Van der Garde: Eher wie die Pole Position. Dennoch war es unfassbar, zumal es zuvor und danach kein anderer Fahrer geschafft hat. In manchen ruhigen Momenten erinnere ich mich immer noch daran zurück. Es fühlt sich an, als wäre es erst gestern gewesen.
Ein Detail dürfen wir bei Ihrer Formel-1-Karriere aber nicht auslassen: Der Kanada-GP 2013. Als überrundeter Fahrer haben Sie in dem Rennen gleich zweimal einen Unfall verursacht.
Van der Garde: Schade, ich dachte, ich komme drum herum. (lacht) Es war ein bescheidenes Rennen, sagen wir es mal so. Die Unfälle waren zwar 50:50-Sachen, doch als Überrundeter steht man am Ende doof da. Die Tage danach waren schwierig, da die Presse sich auf mich eingeschossen hatte. Aber durch solche Situationen muss man wohl durch.
"Ich dachte mir nur: Wollen die mich verarschen?"
Nach der Saison war ihre Formel-1-Karriere zunächst beendet. Sie unterschrieben bei Sauber als Testfahrer und sollten 2015 einen Platz erhalten. Doch am Ende kam alles anders. Wenige Tage vor Saisonbeginn wurden Sie ersetzt und waren somit ohne Job.
Van der Garde: Nach der Saison mit Caterham musste ich etwas Neues versuchen. Nur am Ende des Feldes rumzufahren, hatte wenig Sinn. Das Angebot von Sauber war verlockend. 2014 war ich Testfahrer und habe echt gute Leistungen gezeigt. Das Team war auch sehr zufrieden mit mir und ich wurde mit Lob überschüttet. Ich bekam einen Platz für 2015, die Verträge waren unterschrieben und dann kam doch alles anders.
Wie haben Sie durch die Entscheidung erfahren?
Van der Garde: Durch die Medien. Ich dachte mir nur: 'Wollen die mich verarschen?' Ich hatte ja einen gültigen Vertrag. Die damalige Teamchefin Monisha Kaltenborn hat sich nicht fair verhalten, das war inakzeptabel. Auf den Fernsehbildern schien sie immer nett zu sein, doch damals hat man die wahre Monisha gesehen. Wir haben geklagt und in jeder Instanz Recht bekommen.
Wie ging es dann weiter?
Van der Garde: Der Sitz war fertig und ich hatte Kontakt zu meinen Ingenieuren. Das durfte nur heimlich ablaufen, damit Monisha davon nichts erfährt. Wenige Tage vor dem Saisonstart sah es immer noch so aus, als würde ich für Sauber fahren. Ich flog also zum ersten Rennen nach Melbourne. Da die Verfahren noch liefen, entschieden wir gemeinsam, dass keiner der beiden Sauber am Training teilnehmen würde. In der Nacht zu Samstag wurde dann die Trennung beschlossen. Wir erhielten zwar eine hohe Abfindung, aber danach war das Kapitel Formel 1 für mich vorbei.
Glauben Sie, dass Sie ohne den Vorfall immer noch in der Formel 1 fahren würden?
Van der Garde: Auf jeden Fall wäre ich noch ein paar weitere Saisons gefahren. Natürlich lässt sich das im Nachhinein einfach sagen, aber ich glaube schon, dass ich mit dem schnellen Sauber hätte beeindrucken können. In der Formel 1 ist es ja so: Du fährst ein paar Mal in die Punkte und hast damit eigentlich deinen Sitz fürs nächste Jahr sicher. Ich hatte gute Sponsoren an Bord, das wäre auch nicht das Problem gewesen.
Sie sprechen die Sponsoren an. Haben Sie sich damals als Pay-Driver empfunden?
Van der Garde: Dieses Wort wird immer nur mit schlechten Leistungen in Verbindung gebracht. Dabei wird eins vergessen: Ohne Sponsoren wäre Lewis Hamilton nicht in der Formel 1. Die Sponsoren wählen ja nicht jemanden aus, der viel zu langsam ist. In den Nachwuchsklassen müssen sich auch diese Fahrer unter Beweis stellen. Ein Max Verstappen fährt auch nicht umsonst, sondern Red Bull bezahlt ihm den Platz.
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Van der Garde: So habe ich mich mit Jason Statham betrunken
Welche Vorteile erhalten Sponsoren durch das Erkaufen eines Platzes? Deren Logo wird dadurch ja nicht auf dem Auto gezeigt.
Van der Garde: Es sind vor allem die Gespräche auf dem Grid oder rund ums Paddock, die für die Sponsoren entscheidend sind. Die Formel 1 ist ein riesiger Business Club, wo die Sponsoren künftige Deals abwickeln.
Sebastian Vettel hat einst in einem Interview verraten, dass es während den Schaltvorgängen ständig im Auto piept. Was hat das damit auf sich?
Van der Garde: Oh ja, es ist ein unfassbar nerviges Geräusch. Als TV-Zuschauer sieht man immer am Lenkrad die blinkenden Lichter, die eine Orientierungshilfe sind. Da man im Auto aber ständig Knöpfe drücken muss, oder sich der Renningenieur meldet, gibt es noch dieses Piepen. Ich habe es gehasst.
Anders als Sebastian Vettel sind Sie auf Social Media sehr aktiv und posten viele Memes rund um die Formel 1. Was gefällt Ihnen so sehr daran?
Van der Garde: Ich hätte das schon gerne zu meiner aktiven Zeit gemacht, doch aufgrund der Sponsoren und der strengen Auflagen der Teams war das nicht möglich. Nun bin ich ein freier Mensch und kann sagen, was ich will. Es macht einfach Spaß, Leute auf den Arm zu nehmen.
Als Rennfahrer waren Sie zuletzt unter anderem beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans aktiv. Im niederländischen Fernsehen sind Sie zudem TV-Experte. Daneben haben Sie sich noch ein weiteres Standbein als Immobilieninvestor aufgebaut. Wie kam es dazu?
Van der Garde: Anfangs war es eher eine Schnapsidee mit einem Kumpel. Man muss ich ja immer nach Möglichkeiten umsehen, sein Vermögen zu verwalten. Das Investment in Immobilien ist da natürlich ideal. Zusammen haben wir jetzt ein Unternehmen aufgebaut. Es wird langsam ziemlich ernst und immer größer.
Was hat Sie bewegt, außer dem Finanziellen, in Immobilien zu investieren?
Van der Garde: Die Entwicklungsschritte sind faszinierend. Wir kaufen ein altes Haus und machen daraus etwas komplett Neues. In Amsterdam haben wir nun mehrere Immobilien. Ich freue mich immer, wenn ich daran vorbei fahre, da ich an die Entwicklung erinnert werde. Dass man dadurch noch gutes Geld verdient, ist ideal.
Eine Geschichte müssen Sie uns zum Abschluss noch erzählen. In Ihrer Twitter-Biographie steht, dass Sie sich einst mit Hollywood-Star Jason Statham betrunken haben. Was war da denn los?
Van der Garde: Das war nach dem Grand Prix in Monaco. Ich saß mit ein paar Freuden zusammen. Irgendwann habe ich Jason gesehen und bin zu ihm hingegangen. Wir haben zunächst über die Schauspielerei gesprochen. Als es dann um Autos gegangen ist, blühte Jason richtig auf. Sagen wir so: Dabei gab es das ein oder andere Getränk. (lacht) Es war ein guter Abend.