Cleveland war lange eine Sport-Stadt, welche als verflucht galt. 1964 schenkten die Browns aus der NFL der Arbeiterstadt im Mittleren Westen letztmals einen Titel, danach etablierte sich der "Cleveland sports curse", welcher auch 2003 noch ein großes Thema war. Die Browns wurden 1995 sogar nach Baltimore verkauft, bevor die Franchise vier Jahre später wieder ins Leben gerufen wurde.

Konkurrenz hatten die Browns kaum, schließlich waren die Cavaliers in der NBA alles andere als eine große Nummer. Zwischen 1998 und 2003 gewannen die Cavs lediglich 130 Partien und verpassten stets die Playoffs. 2002/03 war der Tiefpunkt erreicht, als man mickrige 17 Siege einfuhr. Der Blick richtete sich auf die Draft Lottery, in welcher die Cavs eine Chance von 22,5 Prozent auf den ersten Pick hatten.

Die Denver Nuggets hatten die gleichen Wahrscheinlichkeiten, schauten aber in die Röhre. Deputy Commissioner Russ Granik zog Cleveland aus dem letzten verbleibenden Umschlag und jedem war klar, was dies bedeuten würde. "Wir wussten in diesem Moment, dass wir LeBron James nehmen würden. Wir brauchten dafür keine Abstimmung", sagte der damalige Cavs-GM John Paxson wenige Monate nach der Entscheidung.

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LeBron James: Schon mit 17 bekannter als die Cavaliers

Es war der Jackpot für die kriselnde Franchise. Die Cavs zogen keine 12.000 Zuschauer pro Partie an und wurden in der Saison 2002/03 nicht einmal im nationalen Fernsehen gezeigt. Cleveland war schlichtweg nicht relevant außerhalb Ohios, stattdessen erhielt er ein anderes Team aus Ohio in dieser Zeit den Löwenanteil der Schlagzeilen.

Doch es war kein anderes NBA-Team und auch nicht Ohio State, es war St. Vincent-St. Mary High School aus Akron/Ohio. Dort war James als Minderjähriger bereits zu einem Star aufgstiegen. Sports Illustratedschenkte "The Chosen One" ein ikonisches Cover , ESPN übertrug reihenweise dessen Spiele und schickte in Jay Bilas oder Dick Vitale seine bekanntesten Experten in die Arbeiterstadt.

Auch die Cavs hatten LeBron schon über Jahre bearbeitet und holten das Juwel zu Workouts in die eigene Halle, was einen klaren Verstoß gegen die NBA-Regularien darstellte. Im Nachhinein waren die 150.000 Dollar Strafe sowie die Zwei-Spiele-Sperre für Coach John Lucas eine gute Anlage. Sie sahen das enorme Talent des 17-Jährigen, der Erzählungen gemäß auch unter den NBA-Spielern der Cavs der beste Spieler auf dem Feld war.

LeBron James: Der nächste Michael Jordan?

Die NBA lechzte derweil nach dem nächsten Superstar. Tim Duncan war vermutlich der beste Spieler, doch marketingtechnisch ein Fiasko, Shaquille O'Neal kämpfte immer wieder mit Verletzungen und Kobe Bryant stand dennoch weiter im Schatten des Diesels. Michael Jordan hatte gerade zum dritten Mal seinen (endgültigen) Rücktritt verkündet, sodass ein gewisses Vakuum vorherrschte, in welches LeBron vorstoßen sollte.

Dafür wollte vor allem Nike sorgen. Der Ausrüster hatte sich über Monate einen harten Wettstreit mit adidas sowie Reebok geliefert und am Ende in einem echten Thriller den Zuschlag erhalten. Es machte LeBron mit einem Schlag steinreich, rund 90 Millionen Dollar kassierte der junge King und bekam auch gleich einen Signature Shoe - ohne jemals eine Minute auf einem NBA-Feld verbracht zu haben.

Problematisch war jedoch, dass James zu einem schwachen Team stieß, welches meilenweit von den Playoffs entfernt war. Spieler wie Ricky Davis, Darius Miles oder Dajuan Wagner waren zwar talentiert, aber auch für ihre extrovertierten Charakter bekannt.

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LeBron James: Die Teamkollegen waren skeptisch

Und so wunderte es nur Wenige, dass einige Spieler der Cavs einige im Rückblick interessante Aussagen zur Ankunft zum Besten gaben. "Wir haben bereits bessere Spieler als ihn auf seiner Position im Kader", merkte zum Beispiel Carlos Boozer an. Auch Darius Miles, der später einer der besten Freunde von LeBron im Team war, zeigte sich skeptisch

"Ich glaube nicht, dass ein High-School-Spieler sofort dein Team verändern kann", erklärte Miles. "Wenn er kommt, dann kann er auf unseren Bandwagon springen. Zusammen können wir dann hoffentlich etwas Großes erreichen." Dass LeBron helfen würde, vermutete auch Davis, damals der beste Scorer der Cavs, der aber eine etwas andere Sichtweise hatte.

Wrong Rim Ricky , der wenige Monate vor LeBrons Ankunft Schlagzeilen produziert hatte, als er auf den eigenen Korb warf, um einen Rebund für sein Triple-Double zu bekommen, sah in James eher eine Art Diener, wie er später zugab. "Ich dachte, dass LeBron zu uns kommt und mir dabei hilft, den Ball zu bekommen."

Es war also keine leichte Situation für James, der einerseits von seinen Sponsoren als kommender Michael Jordan inszeniert wurde, gleichzeitig aber auch der Skepsis seiner neuen Teamkollegen begegnete. Auch den Cavs war diese Problematik bewusst, sie versuchten, auch die anderen Cavs-Spieler prominent zu bewerben, um den Frieden im Team zu bewahren.

LeBron James: Believe the hype

Druck kam aber auch vonseiten der NBA, was Coach Paul Silas zu folgendem Statement hinreißen ließ. "Wenn ich LeBron für längere Zeit auf die Bank setzen würde, würde mir David Stern vermutlich auf die Finger hauen." Der 18-Jährige selbst gab sich dagegen diplomatisch. "Wie viel ich spiele, liegt in den Händen von Paul Silas. Ich gehöre zu 100 Prozent ihm."

James wurde nicht müde zu betonen, dass er lediglich ein Rookie sei. Das Team gehöre Davis und Ilgauskaus. "Ich möchte kein vorlauter Rookie sein und gleich alles an mich reißen", versicherte LeBron. "Ich habe nur eine Nachricht und das ist, dass ich zu jeder Zeit für meine Teamkollegen da sein werde."

So nobel diese Worte auch waren, die Medien jazzten sein Debüt so gut es ging in die Höhe. Nike drehte einen aufwendigen Werbespot (unter anderem mit dem Ice Man George Gervin), in welchem James gegen die Sacramento Kings vermeintlich versagte, als er für einen Moment sich nicht bewegte und dann doch lachend abdrehte. Geplant war, dass er Kings-Guard Mike Bibby im Eins-gegen-Eins schlagen würde, dieser wollte sich aber in einer Werbung nicht lächerlich machen.

In der Preseason hatte LBJ dann aber noch Probleme. Der King legte nur 8 Zähler im Schnitt auf und traf lediglich 33 Prozent aus dem Feld. Ein Journalist aus Cleveland stellte sogar die Frage, ob ein normaler Rookie, der nicht LeBron heiße, mit solchen Leistungen aus dem Kader gestrichen werden sollte.

LeBron James' Debüt: Wie in einem Zoo

Das war natürlich Unsinn und so fieberte jeder NBA-Fan dem 29. Oktober 2003 entgegen. ESPN legte LeBrons Debüt an das Ende eines Double-Headers, für die Cavs war es das erste Spiel im nationalen Fernsehen nach fast 18 Monaten. Gespielt wurde in der Arco Arena in Sacramento. Die Kings waren damals eines der besten Teams der Liga, mit Bibby, Peja Stojakovic, Chris Webber und Vlade Divac zelebrierten die Kings Offensiv-Basketball und stellten damit den Gegenpol zum "langweiligen" Champion San Antonio Spurs dar.

"Es war wie in einem Zoo", erinnerte sich der damalige Cavs-Guard J.R. Bremer an die Atmosphäre in der kalifornischen Hauptstadt an diesem Abend. "Jeder Reporter und gefühlt jeder NBA-Verantwortlicher war an diesem Abend in der Halle."

Selbst alte Hasen wie Kings-Guard Doug Christie behielten diese Stimmung in Erinnerung. "So etwas hatte ich noch nie erlebt. Ich war schon dabei als Shaq gedraftet wurde, aber das war nicht so ein Event wie dieser Abend." Alle Augen waren auf James gerichtet und die Voraussetzungen waren alles andere als ideal für den Teenager.

Die Cavs waren ohne einen Point Guard angereist, weil Dajuan Wagner mit Knieproblemen in Ohio blieb und so begann der nominelle Forward James tatsächlich als Point Guard für die Cavaliers - mit 18 Jahren, in seinem erstem NBA-Spiel. "Er hat ihr Spiel dirigiert als ob er Magic Johnson wäre. Das war unglaublich, Rookies machen so etwas nicht", sagte Christie.

LeBron James: Kein gewöhnlicher Rookie

Und so war es beinahe folgerichtig, dass LeBrons erste Offensiv-Statistik ein Assist war. Nach nur 90 Sekunden fand er in Transition von der Dreierlinie Davis, der mit mit einem krachenden Alley-Oop-Dunk abschloss. Von Nervosität war bei James nichts zu spüren, nach 12 Minuten hatte er ebenso viele Punkte eingesammelt und dazu 3 Assists und 2 Steals verbucht

Schon damals kamen die Qualitäten zum Vorschein, die James über fast zwei Dekaden auszeichnen würden. In einer Szene klaute er mit seinen schnellen Händen den Ball, doch anstatt vor nationalem Publikum einen krachenden Dunk auszupacken, wartete er lieber auf Mitspieler Davis, damit dieser per Reverse Jam vollenden konnte.

Es kristallisierte sich auch schnell heraus, dass James ein absoluter Matchup-Albtraum werden würde. Sacramento setzte Bibby auf ihn an und hoffte, dass LeBron vornehmlich Sprungwürfe nehmen würde. Es sollte eine bewährte Strategie über viele Jahre sein, doch an diesem Abend fielen die Würfe.

James beendete sein erstes NBA-Spiel mit 25 Punkten bei 12/20 aus dem Feld, garniert mit 6 Rebounds, 9 Assists, 4 Steals und gerade einmal 2 Ballverlusten. Bis heute ist James der einzige 18-Jährige, dem mindestens 25 Punkte in einem Spiel gelangen, er tat es bis zu seinem 19. Geburtstag noch acht weitere Male (darunter auch 37 Zähler gegen die Boston Celtics).

Hier gibt es die kompletten Highlights von LeBrons NBA-Debüt!

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LeBron James: Niederlage beim Debüt - und doch gewonnen

Für den Sieg reichte es bei James' Debüt jedoch nicht. Die Cavs führten zwar im vierten Viertel mit 85:83, verloren am Ende aber recht deutlich mit 92:106. Aber auch beim Gegner war James in aller Munde. "Wir haben am Ende recht leicht gewonnen, aber nach dem Spiel haben wir in der Kabine nur von LeBron James gesprochen und wie groß er eines Tages mal werden wird", verriet Peja Stojakovic.

Über die Saison bestätigte James seinen guten Auftakt, er legte in seiner Rookie-Spielzeit durchschnittlich 20,9 Punkte, 5,9 Assists sowie 5,5 Rebounds auf. Im Rennen um den besten Rookie setzte sich LBJ damals umstritten gegen Carmelo Anthony durch, der die Nuggets tatsächlich in die Playoffs führte.

James war dies nicht vergönnt. Eine Niederlage im drittletzten Spiel der Saison in Miami besiegelte das Ausscheiden Clevelands aus dem Playoff-Rennen. Nicht mehr dabei waren da übrigens Davis und Miles, welche Cleveland im Laufe der Saison nach Boston bzw. Portland getradet hatten. Die Zukunft gehörte schon knapp sieben Monate zuvor dem 18-jährigen LeBron, damals wussten sie es jedoch noch nicht.