Schonungslos ehrlich war Eden Hazard mit sich selbst, als er im Juli auf sein erstes Jahr bei Real Madrid zurückblickte: "In diesem Jahr haben wir gemeinsam diesen Meistertitel gewonnen, aber ich hatte individuell mit Sicherheit die schlechteste Saison meiner Karriere", sagte der Offensivspieler bei France Info .
Als großer Hoffnungsträger war er im Sommer 2019 gekommen, quasi als verspäteter Ersatz für den ein Jahr zuvor an Juventus Turin verkauften Cristiano Ronaldo. Doch genauso zögerlich, wie er dessen Rückennummer 7 letztlich doch annahm, verlief auch Hazards bisherige Reise bei Real. Vom Hoffnungsträger wurde er schnell zum Rätsel, fiel gleich mal verletzt aus, rang dann um seine Form und verletzte sich erneut.
Siebenmal mussten die Blancos in 15 Monaten nun schon mehr oder weniger lange auf den neuen, 115 Millionen Euro schweren Superstar verzichten. Nur 22 Pflichtspiele stehen bis dato in Hazards Real-Vita, lediglich ein mickriges Tor gelang ihm dabei. 35 Partien hat er in Madrid dagegen schon verletzt verpasst, in seinen sieben Jahren beim FC Chelsea waren es nur derer acht.
Eden Hazard in Madrid schon siebenmal verletzt
Vom Rätsel wurde er zur Enttäuschung, in der laufenden Saison konnte er noch in keiner einzigen Partie mitwirken - weil er Anfang Oktober eigentlich sein Comeback feiern sollte, dann von Vereinsseite aber erneut vermeldet werden musste: Hazard fällt aus, Muskelverletzung.
Schnell wurden die Vorwürfe laut, Hazard habe im Sommer 2020 ebenso wenig professionell gelebt wie schon im Sommer 2019, als er sichtbar ein paar Kilo zu viel auf seine Rippen schaffte. "Er kam in der gleichen Verfassung zurück, die er schon vor einem Jahr hatte, als er - wie er uns zumindest glauben machen will - beim Klub seiner Träume unterschrieb", kritisierte AS -Journalist Tomas Roncero. "Das war nicht der Plan, als 50.000 begeisterte Real-Fans zu seiner Präsentation im Bernabeu kamen. Für Real zu spielen, ist kein Witz - aber die Situation von Hazard wird langsam zu einem solchen."
Andere sind gnädiger mit Hazard, wie zum Beispiel der frühere Real-Star Michael Laudrup vor einigen Tagen. "Immer, wenn man denkt, er kommt zurück, spielt er ein paar Spiele und er ist wieder raus. Es ist so traurig, zu sehen, wie für einen großartigen Spieler wie ihn die Wochen und Monate ungenutzt verstreichen", sagte Laudrup im Fußball-Podcast von BBC Radio 5 Live .
Real Madrid: Courtois glaubt an Hazard
Nun steht ein neuer Anlauf an, mit Verspätung doch noch durchzustarten bei Real. Für das Champions-League-Duell mit Borussia Mönchengladbach am Dienstag findet man den Namen des 29-Jährigen erstmals seit zweieinhalb Monaten im Kader von Trainer Zinedine Zidane wieder - in der Hoffnung, dass nicht alles nach ein paar Spielen wieder von vorne los geht.
Winkt also jetzt endlich die Chance, es in seinem zweiten Jahr bei den Königlichen besser zu machen? "Ich habe keine Zweifel daran, dass wir noch die beste Version von ihm sehen werden", sagte sein belgischer Landsmann Thibaut Courtois zuletzt dem Radiosender Cadena Ser . Der Torhüter weiter: "Er ist verzweifelter als jeder andere, das zu zeigen. Er kommt gut voran und kann es hoffentlich bald unter Beweis stellen." Hazard habe hart gearbeitet, um wieder zurückzukommen, werde "in kürzester Zeit explodieren".
Und tatsächlich ist Hazard nach all den Rückschlägen wieder so etwas wie ein Hoffnungsträger für Real. Weil er in Top-Form der Offensive des spanischen Meisters aktuell mit Sicherheit sehr gut zu Gesicht stehen würde.
Vor dem gewonnenen Clasico bei Barca am Samstag herrschte rund um Real Weltuntergangsstimmung. Blamabel hatte man gegen eine arg ersatzgeschwächte Truppe von Schachtjor Donezk den CL-Auftakt versemmelt, in der Liga zuvor zuhause mit 0:1 gegen Aufsteiger Cadiz verloren.
Eden Hazard? "Wir brauchen diese Spieler"
Der Sieg im Camp Nou hat die Lage natürlich wieder etwas beruhigt, die Probleme in der Offensive sind aber eigentlich offenkundig. Mit zwei Toren ist Vinicius Junior aktuell schon Top-Scorer, Sturmführer Karim Benzema steht bei nur einem Saisontreffer. Zudem sind die, die in die Bresche springen könnten, ob nun Rodrygo, Isco, Luka Jovic, Martin Ödegaard oder Marco Asensio dazu derzeit offenbar nicht in der Lage.
Natürlich wird Hazard nach den vielen Verletzungsproblemen Zeit brauchen, um möglicherweise wieder sein altes Level zu erreichen. Tut er das, könnte er aber der Unterschiedsspieler sein, den Real in der bisherigen Saison so oft vermisste, der mit seiner Dynamik auch mal aus dem Stand Eins-gegen-Eins-Situationen löst. Der aus jeder Position Zug zum Tor entwickeln kann, der Räume schafft, die wiederum das Spiel von Benzema und Co. beflügeln können.
"Spieler wie er sind im heutigen Fußball selten", sagt auch Laudrup. "Spieler, die sich den Ball schnappen und ins Eins-gegen-Eins oder auch ins Eins-gegen-Zwei gehen. Wir brauchen diese Spieler. Ansonsten spielen wir einfach nur den Ball umher und keiner macht die besonderen Dinge."