"Vor einem Monat war ich mit Reinhard Rauball und Alfred Draxler Bier trinken", erzählt Bruchhagen am Telefon von einer Zusammenkunft mit dem Präsidenten von Borussia Dortmund und langjährigen DFL-Präsidenten (2007 bis 2019) sowie einem Bild -Journalisten.
"Da habe ich zum ersten Mal davon gehört, dass Christian Seifert ein bisschen amtsmüde sei und mit Abschiedsgedanken kokettieren soll. Wenn man an der Theke steht, hat das aber keine Relevanz. Also habe ich das nicht für ernst genommen."
Was Ende September an der Theke spekuliert wurde, bestätigte sich aber Ende Oktober: Seifert wird seinen im Juni 2022 auslaufenden Vertrag als DFL-Geschäftsführer nicht verlängern. "Der Wechsel an der Spitze der DFL bedeutet einen Einschnitt", sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Peter Peters - genau wie es Seiferts Ankunft 2005 war.
Christian Seifert wurde bei der DFL mit Skepsis begrüßt
Damals war Seifert bei der DFL ein Fremder, ein Wirtschaftsmann unter Fußballmännern. Seifert studierte Kommunikationswissenschaft, Marketing und Soziologie; arbeitete später bei MTV und Karstadt - und weckte trotzdem das Interesse des damaligen DFL-Geschäftsführers Wilfried Straub, der zuvor lange Jahre beim DFB gearbeitet hatte.
"Straub nannte als erster den Namen Christian Seifert von Karstadt. Der sagte mir damals gar nichts", erinnert sich Bruchhagen, bei der DFL damals für den Bereich Spielbetrieb zuständig. "Alle großen Fußballfunktionäre hatten eine große Skepsis. Wir dachten: 'Jemand, der bei Karstadt für den Einkauf oder für was auch immer zuständig ist, kann nicht die deutsche Fußballiga leiten.'"
Seifert unterschrieb im Februar 2005 trotzdem, übernahm im Juli Straubs Nachfolge - und musste gegen Vorurteile ankämpfen. "Wenn wir Sitzungen hatten, habe ich oftmals zu ihm gesagt: 'Hallo Herr Seifert, wir reden über Fußball.' Ich habe ihn ein bisschen spöttisch behandelt. Deswegen hatten wir nicht so ein großartiges Verhältnis", erinnert sich Bruchhagen, der neben Tätigkeiten für verschiedenen Bundesligisten bis 2015 für die DFL arbeitete. Doch Seifert lieferte.
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Bruchhagen schließt DFB-Engagement von Seifert aus
Als er seinen Job antrat, machte die Bundesliga einen jährlichen Umsatz von 1,3 Milliarden Euro - aktuell ist er mit 4,02 Milliarden Euro mehr als dreimal so hoch. Zuletzt vermeldete die DFL den 15. Umsatzrekord nacheinander. In neue Sphären trieb Seifert auch die TV-Vermarktung. Der aktuelle Vertrag bringt den Klubs 1,16 Milliarden Euro pro Saison - wegen der Coronakrise verringert sich die Summe von den Spielzeiten 2021/22 bis 2024/25 aber auf 1,1 Milliarden Euro.
Organisierte Fans werfen Seifert gerne vor, die Kommerzialisierung auf Kosten der Fan-Interessen voranzutreiben. Bruchhagen dagegen überzeugte Seifert mit seiner Arbeit: "Man muss Straub dankbar sein, denn Seifert war ein Volltreffer. Er hat die Skepsis, die auch ich hatte, eindrucksvoll widerlegt. Er hat uns aus dem Fußball kommenden Managern gezeigt, dass er es besser kann. Er hat bewiesen, dass jemand von außen, der keine Stollenschuhe getragen hat, genau der richtige Mann für die deutsche Fußballiga sein kann. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wer ihn ersetzen soll."
Seifert möchte unterdessen nach eigener Auskunft "ein neues berufliches Kapitel aufschlagen". Dass dieses Kapitel den Titel DFB trägt, glaub Bruchhagen nicht: "Das wird er nicht machen, das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Seifert ist ein dominanter Mann, ein bisschen selbstverliebt. Er hat keine Lust, sich mit 16 Verbandspräsidenten, die alle kleine Könige sind, auseinanderzusetzen. Dafür ist er viel zu ungeduldig."
Der größte Sportverband der Welt wird aktuell von Präsident Fritz Keller und Generalsekretär Friedrich Curtius geführt - und steckt anders als die von Seifert geführte DFL seit Jahren in der Krise.